... dass "meine" inzwischen leider sehr zahlreichen Verstorbenen gar nicht wirklich tot sind, und das ganz ohne Götterglauben oder jede Form von Esoterik und eigentlich auch weit mehr als nur ein Gefühl, denn eher war es immer schon eine Art von innerer Gewissheit, ohne dass ich sie wirklich hätte begründen können.
Genauso ergeht es mir mit der Vergangenheit, ein kleiner Auslöser genügt, und schon lande ich mitten in ihr, rieche mit einem Mal das feuchte Segeltuch in den Bootshallen des Schwimmclubs, höre den Widerhall im Duschraum, die Stimmen, die das Wasserrauschen übertönen, sehe die Glasbausteine an der Außenwand vor mir und fühle auf einmal die Abendstimmung am See, wenn das muntere Treiben langsam zur Ruhe kommt, die Bäume immer längere Schatten werfen und die Enten und Schwäne ihr Reich endlich wieder für sich haben.
Ich fühle die Lederriemen meiner Sandalen auf der noch feuchten Haut, sehe mich mit meiner Cousine vom Umkleideraum hoch zum Clubhaus laufen, wo unsere Eltern bereits gemeinsam mit anderen beim Bier sitzen, sehe uns unsere Badetaschen dort abladen und noch mal rüber zum Spielplatz gehen, wo wir uns sachte auf dem Karussell drehend noch wichtige Dinge erzählen wollen.
Oder ich befinde mich ganz plötzlich auf dem elterlichen Bauernhof meiner Dörflifreundin, wir spielen zwischen den pickenden Hühnern, aus dem Stall hört man die sanften Geräusche der Kühe, ab und zu quiekt ein Schwein auf und sogar der Hahn kräht, während ihr Vater mit dem Trecker herantuckert. Gleich, so weiß ich dann, wird sicher meine Großtante aus dem geöffneten Fenster über uns nach mir rufen, weil das Essen fertig ist ...
So lebendig sind diese Szenen, ich fühle das Gras unter meinen nackten Füßen, ich rieche und sehe jede Einzelheit, so lebendig, dass ich genau weiß, dass es sich jetzt in dieser Sekunde abspielt, obwohl es ja eigentlich schon lange vorbei ist.
Und dann diese vielen Déjà-vus, so oft habe ich sie, diesen Moment, wo es einen wie ein Blitz durchzuckt: Genau das, genau diese Situation, diese Sekunde habe ich schon einmal erlebt.
Und schon isses wieder weg, ohne dass ich es irgendwie hätte greifen können, genau wie es mir auch andersherum passiert, merkwürdigerweise aber ausschließlich, wenn ich auf der Eckbank in der Küche sitze.
Selten nur, aber dann ist es wie ein Moment des plötzlichen Aufwachens - verwundertes Augenreiben, wo bin ich denn bloß?
Ach ja, natürlich, das ist ja meine Küche, wo sonst sollte ich auch sein?
So, als wäre ich gerade aus einem anderen Hier und Jetzt ins jetzige zurückgekehrt, anders kann ich es nicht beschreiben und im Grunde verhält es sich damit ganz ähnlich wie bei den Religionen, denen ich ja schon als Kind mit großer Skepsis gegenüberstand, ohne es begründen zu können, denn mehr als ein Gefühl, da stimmt was nicht, war es nicht.
Erst als ich dann anfing, jahrzehntelang nachzuforschen, zu rechecherieren, fand ich die für mich schlüssigen Belege für das, was ich urspründlich nur erahnte, und das Gleiche ist es nun mit diesem Vergangenheitsempfinden.
Seit ich mich intensiver mit der Realitätstheorie und der daraus letztlich folgerndern möglichen Existenz von Paralleluniversen befasse, merke ich, wie ich mir mit all diesen "Gefühlen und Ahnungen" zunehmend weniger deppert vorkomme, denn sie spiegeln ja genau das wieder, dass Zeit nämlich wirklich keine Konstante, sondern nur relativ und keinesfalls eindimensional ist.
Demzufolge gäbe es den Tod nicht wirklich, weil ja jede Sekunde der Vergangeheit jetzt in diesem Moment in anderen Dimensionen auch weiter stattfindet und dementsprechend rede ich auch immer mit meinen Lieben, wenn ich ihnen beim Staubwischen "die Fresse poliere", wie ich es ihnen gegenüber dann ausdrücke. 😁
Ich weiß, sie sind da, nur eben im Moment für mich physisch nicht greifbar, und das war auch das Gefühl, mit dem ich heute früh aufwachte.
Rex stand an meinem Bett und nörgelte und da ich bei laufendem Fernseher eingeschlafen war, war nun das Erste, was ich hörte: Wenn man Einstein folgt, sind Vergangenheit und Zukunft nicht weg, sondern vorhanden, hier in diesem Raum, nur können wir sie im Moment nicht wahrnehmen.
Hä?
Das passte ja, denn gestern Abend hatten wir uns zum wiederholten Male bei "Zurück in die Zukunft" köstlich amüsiert und natürlich war ich nun neugierig geworden, in was für einer Sendung ich jetzt eigentlich gelandet war.
Phoenix, eine Dokumentation über die Zeit, und zu gerne wäre ich noch liegen geblieben, um dem weiter zu lauschen, allein, Rex ließ mir nur noch ein paar Minuten, dann musste ich endgültig raus aus dem warmen Bett, um mich mit voller Wucht in den Tag zu stürzen.
Schön war das Erwachen trotzdem - manchmal fügt sich einfach alles perfekt zusammen und sogar die kurze Geschichte passt dazu, die ich gestern bei meinen Aufräumarbeiten wiederentdeckte.
Geschrieben habe ich sie am 24.6.2012, das Heim nebenan war gerade erbaut worden und in den beiden Jahren zuvor waren Püppi und meine Schwiegermutter gestorben, Letztere in einem Heim, aus dem sie sich mit jeder Faser hinaussehnte, also lag es nahe ...:
"Zuhause
Salat. Sie würde noch schnell zum Schrebergarten hinüberlaufen müssen. Die Kinder würden sich freuen, dass es wieder einmal Fleisch gab. Dafür reichte es jetzt immer öfter. Seit Hubert immer mehr verdiente … Es ging aufwärts.
Vielleicht würde es im nächsten oder übernächsten Jahr sogar einmal reichen für Italien. Und wenn nicht Italien, dann vielleicht die Ostsee …
Ihr blondes Haar würde noch heller werden von Sonne und Salz, hatte sie gehört. Das würde Hubert gefallen und wer weiß … vielleicht noch ein Kind?
Nein, sie ließen sie ja gar nicht mehr kochen und Hubert war auch nicht mehr da, schon lange nicht mehr, genauso wenig wie ihre blonden Locken.
Streichholzkurz hatten sie ihr das graue Haar geschoren, sagten, es sei praktischer so.
„Psst“, sagte ihr Sohn gerade, „du weißt nicht, ob sie uns nicht doch hört, Carola.“
„Nein, Unsinn, die kriegt nix mehr mit und … ich bin froh darüber. Konnte das Gejammer nach ‚Zuhause‘ allmählich nicht mehr hören. Das kostet uns so viel Geld hier. Anstatt dankbar zu sein …“
„Na ja, ein bisschen kann man das ja schon verstehen. Immerhin hat sie 65 Jahre dort gewohnt …“
„Es wäre nicht anders gegangen, Klaus, und das weißt du! Denk an den Stadtrat …“
„Ja, du hast natürlich Recht, wie immer.“
„Du wärst nicht mehr glaubwürdig gewesen. Erst mit aller Kraft für die Investoren und den Bau neuer Heime kämpfen und dann … die eigene Mutter daheim von Polinnen pflegen lassen …“
„Stimmt“, sagte Klaus, „und wie es aussieht, geht es sowieso nicht mehr lange. Wir sollten die künstliche Ernährung stoppen lassen. Wenn sie doch nur gegessen hätte, es war doch eigentlich nur die Hüfte …“
Ausnahmsweise hatte Klaus Recht. Es war nur die Hüfte gewesen und es würde nicht mehr lange gehen, denn … sie würde gehen. Nicht in ihr Zuhause, in das Zuhause, nach dem sie sich so sehr gesehnt hatte, sondern in das andere. In das, wo Hubert und ihre Eltern auf sie warteten …"
Und nun ab mit mir zum Einkaufen, bevor der angekündigte Regen eintrifft.
Habt einen schönen Tag und ... bleibt bitte gesund! 😉
Liebe Rex-Mama, Regen ist bei uns auch angekündigt - für Sonntag. Auch ohne Esoterik sehe ich mich gedanklich auf einem Kirschbaum sitzen und Kirschen pflücken. Das waren solche wunderbar schmeckenden dunkelroten Kirschen. Und das obwohl ich nicht die besten Erfahrungen gemacht hatte, beim hoch steigen einer Leiter. Im Sommer 1959 landete ich durch meinem Cousin im Krankenhaus. er schubste mich und ich stürzte runter, landete auf einem gepflügten, harten Acker. Der Aufenthalt im Krankenhaus war bei heißen Tagen nicht dehr angenehm. Dankbar freute ich über jeden Besuch. den Baum gibt es nicht mehr und der Acker mußte verkauft werden, um den Aufenthalt im Seniorenheim zu finanzieren. Ich bin gespannt wie viel Regen wird abbekommen werden.
AntwortenLöschenAutsch, das war ja kein schönes Ende der Nascherei und schad ist's auch um Kirschbaum und Acker.
LöschenIrgendwie ist es schon bissl verrückt heutzutage: Da haben wir so tolle Medizin erfunden, dass wir nun steinalt werden, so alt, dass wir dann Pflege benötigen, und um diese zu finanzieren, müssen wir zuvor so viel arbeiten und sparen, dass kaum Zeit zum Leben bleibt ... ;-)
Eine interessante Verschreibung, Liebe. Realitätstheorie - Kann das dann eine Theorie sein? Aber wie sollte das dann mit den Paralleluniversen aufgehen?
AntwortenLöschenSag mal
lg Faradei
Lach, lieber Faradei, da haste mich aber richtig erwischt, das hat schon fast was Freudsches, oder? ;-))
AntwortenLöschenWobei deine Frage aber durchaus interessant ist. Ist das, was wir für Realität halten, denn tatsächlich mehr als eine Theorie, eine sehr subjektive noch dazu?
Liebe, zu dieser Thematik passend sah ich gestern im TV noch den Film "Ich bin dein Mensch". Er konterkariert die in diesem Artikel drohende Annahme: https://exxpress.at/der-wahrscheinlichste-grund-fuer-den-weltuntergang-es-ist-nicht-der-klimawandel/
AntwortenLöschenGenieße die show
Faradei
Im Grunde hat Mary Shelley das alles schon vorweggenommen und Goethe im Zauberlehrling irgendwie auch, oder? ;-)
LöschenWirklich schade fände ich es um unsere Spezies wahrlich nicht, wenn sie sich selbst ausrottete - vielleicht könnte die Natur dann ja etwas wesentlich Besseres hervorbringen, wenn sie endlich wieder freie Bahn hat auf diesem Planeten. ;-)