... verlief das gestrige Treffen mit M., seiner Frau und den beiden Kindern.
Irgendwie wird es immer "normaler" zwischen uns, die anfängliche fast scheue Steifheit ist verschwunden, die wohl darauf beruhte, dass wir gegenseitig Respekt vor der Kultur des anderen hatten, unsicher waren und keinesfalls etwas falsch machen wollten.
Inzwischen quatschen wir sofort ganz locker los und wieder kam es am Ende so, dass wir kaum über die Themen sprachen, die M. sich eigentlich vorgenommen hatte - immer passend zu dem, was im Deutschkurs gerade abgehandelt wird.
"Arbeitszeiten, Arbeitsbedingungen, das ganze System" hätte es werden sollen, stattdessen kamen wir vom Höcksken aufs Stöcksken und hatten jede Menge Spaß dabei.
A. servierte eine Pizza, mit der sie selbst nicht ganz zufrieden war:
Wie ich sie denn manchen würde bzw. was ich draufpacke, wollte sie wissen und ich zählte auf, sagte, dass der Phantasie da eigentlich keine Grenzen gesetzt sind, immer auch abhängig davon, was die Vorräte gerade hergeben.
Letztlich konnte ich sie aber beruhigen, denn auch wenn sie vielleicht etwas zu dunkel und der Boden zu fest geworden war, schmeckte es unterm Strich doch vorzüglich - verblüfft war ich allerdings, dass man sich in der Türkei gerne noch Ketchup und Mayo obendraufschmiert. 🤣
Wieder stand dazu ein Teller mit frisch geschnittener Gurke auf dem Tisch, es gab natürlich Tee, aber was mich dann wirklich begeisterte, war der Nachtisch, nämlich "Sütlac", ein türkischer Reispudding.
Im Rezept hinter dem Link kann ich mir die Zubereitung jetzt gut vorstellen, als A. es mir selbst zu erklären versuchte, hatte ich dagegen gewisse Schwierigkeiten damit, weil sie nicht verstand, was ich über die Hitze wissen wollte.
"Wir machen anders", meinte sie dann fröhlich, "du kommst und wir machen zusammen Sütlac."
Was mich über die Maßen erfreute, denn die Aussicht, mehr Zeit mit dieser netten Familie zu verbringen, ist einfach nur schön. 🥰
Auch diesmal musste zwischendurch die Tochter wieder von der Grundschule abgeholt werden, M. sauste los, A. und ich waren mit dem genesenen und ziemlich aufgedrehten Söhnchen alleine und genossen es erneut.
Sie hat ordentlich Rumore vor der deutschen Sprache, hält es für fast unmöglich, Substantive mit dazugehörigen Artikeln und Adjektiven jemals korrekt durchdeklinieren zu können, und ich begann von meiner Schwägerin zu erzählen, wie sie aus Thailand nach hier kam, ohne ein Wort Deutsch und auch ohne englische Sprachkenntnisse.
Inzwischen kann man mit ihr fast problemlos reden, das tröstete A., vor allem, nachdem sie sich dann auch noch nach S.s Alter erkundigte.
Ich rechnete, meinte, sie müsse 36 gewesen sein, als sie herkam, fragte: "Und wie alt bist du jetzt?"
"36!"
Wir lachten und ich glaube, das stimmte A. ein wenig hoffnungsvoller.
Dann wollte sie wissen, wie die beiden sich kennen gelernt hätten, ich berichtete, dass das bei gemeinsamen Freunden in Bangkok geschehen sei, und erntete erneut ein Lachen, denn bei A. und M. war es genauso gelaufen.
Also nix mit Verkuppelung durch die Eltern, auch in der Türkei brechen die verkrusteten Traditionen allmählich etwas auf und A. strahlte regelrecht, als sie nun erzählte, dass ihr der Leidensweg ihrer Mutter erspart geblieben war, die damals ja noch bei den Schwiegereltern mit einziehen musste.
Stattdessen hatten M. und A. von Anfang an ihre eigenen Wohnung und übrigens stammt auch die jetztige Wohnungseinrichtung noch aus dieser Zeit.
Inklusive der Küche mit allen Geräten hatten sie vor ihrer Flucht alles bei Verwandten eingelagert und später dann nachgeholt.
Finde ich klasse, denn andere würden vielleicht sagen, wir machen zu Hause schnell noch alles zu Geld, der deutsche Staat kauft uns dann ja neue Möbel.
Hach, und dann wurde es richtig anrührend, denn nun rückte A. mit ihrem Hochzeitsalbum an, zehn Jahre ist es alt und ein Foto schöner als das andere.
Beide sind sie bildhübsche Menschen, M. schaute aus wie ein Hollywood-Schauspieler und A., hm, wie eine Prinzessin aus Tausendundeiner Nacht in ihrem weißen, bodenlangen Kleid, unten mit Reifrock, oben enganliegend, allerdings streng bis zum Hals geschlossen und natürlich mit langen Ärmeln.
Auch bei der Hochzeit hatte sie nicht etwa aufs (weiße) Kopftuch verzichet, sondern es mit einem lose darübergebundenen aus Schleierstoff verhüllt, sehr religionsbetont, aber auch wunderschön.
Ungeheuer spannend finde ich es, wie bei uns die Kulturen aufeinandertreffen und die völlig unterschiedlichen Glaubensvorstellungen, wobei es sich in meinem Falle ja sogar eher um Nicht-Glaubensvorstellungen handelt, weil es mir über die Jahrzehnte dank intensiver Nachforschungen und Beschäftigem mit diesem Thema irgenwann gelang, mich völlig von dem zu befreien, was "alte Männer" mir einreden wollten.
Ich habe das Gefühl, A. macht einen ziemlichen Spagat zwischen diesen Dingen und ihren Rechten als Frau, die ihr ja deutlich am Herzen zu liegen scheinen.
So, und nun muss ich abbrechen, denn erstens sollte ich um Punkt achte bei Aldi vor der Tür stehen, um die letzten Blumen zu ergattern, die ich noch benötige, und zweitens geht es der anderen A., also meiner Jugendreundin, offenbar schon wieder sehr schlecht, wie sie mir grad über WhatsApp schrieb.
Offenbar hatte sie in der Klinik ein Beruhigungsmedikament bekommen, das ihr in Freiheit keiner verschreibt und das ihr nun entsetzlich abgeht.
Was ist das für ein verdammter Mist! Wollen die psychisch Kranke mit Gewalt noch kränker machen?
Sie hat wohl gestern schon versucht, zurück in die Klinki zu kommen, dort ist aber kein Platz frei und nun kommt sie allein daheim nicht klar.
Ich werde sie anrufen, sobald ich zurück bin. Mal sehen, was sich da machen lässt ...
Habt einen schönen Tag und ... bleibt bitte gesund!
PS: Da ich vergessen hatte, den Eintrag gleich abzuschicken, hier noch ein kleiner Nachtrag.
Um Tavor geht es, A. hatte es nur anfänglich im KH bekommen, aber nicht lange, damit eben kein Gewöhnungseffekt eintritt.
Blöderweise hatte eine Mitpatientin aber reichlich davon, gab ihr Pillen ab und nun muss sie es ausbaden, dass sie das vermeintliche Wundermittel heimlich weiterschluckte.
Ich bot ihr nun an, für ein paar Tage zu uns zu kommen, wenn es alleine nicht geht.
Abwarten, ob sie darauf zurückkommt, jedenfalls schien ihr am Telefon allein das Wissen schon gutzutun, dass da im Notfall jemand wäre ...
Die Pizza sieht wirklich sehr lecker aus, liebe Rex-Mama. Ich habe mir jetzt die zweite Kanne Tee zu bereitet. Nach Brennesseltee gibt es nun eine Kanne Ingwertee mit Limetten. Ja, es ist verdammt wichtig zu wissen, dass im Notfall Jemand da ist, der einem zur Seite steht. eigentlich hatte ich vor am Wochenende in den Schwarzwald zu fahren. In der Nacht von Dienstag auf Mittowch gibg es mir nicht gut. Also WE im Schwarzwald gestrichen. Ich stelle fest, dass mir die Lauferei wirklich gut tut. Hab einen schönen Abend.
AntwortenLöschenJa, mein Lieber, Tee und viel Bewegung sind auf jeden Fall gesund.
AntwortenLöschenGeht es dir denn inzwischen wieder etwas besser und bist du jetzt dauerhaft in Behandlung?
Ich wünsche dir eine gute und ruhige Nacht! :-)
Hallo, Liebe "Rex-Mama!"
AntwortenLöschenWieder einmal bewundere ich, wie du gegen Klischees angehst.
Ich bin sicher, du hast auch A mit deiner Anwesenheit und Art sehr gestärkt.
Die Pizza sieht echt toll aus. Ich bin gespannt, ob es zum gemeinsamen Sütlac machen kommt.
Nachdem was ich hier lese, mir ginge es nicht anders, noch mehr Zeit mit dieser Familie verbringen zu wollen.
Neue Menschen, dazu eine fast unbekannte Kultur, das macht Lust und Laune auf mehr. Ich kann dich so gut verstehen.
Die Hochzeitsalben hätte ich gerne auch gesehen, ich kann solche Bilder stundenlang anschauen, selbst von Menschen, dir mir relativ unbekannt sind.
Vielen Dank für einen wunderbaren Blog! :)
Liebe - nicht nur Sprache ist Kommunikation - Grüße
Vom lifeminder
Ja, lieber lifeminder, ich halte diesen Austausch für sehr wichtig.
LöschenDie beiden sind ja wirklich strenggläubig und deshalb auch schon nach Mekka gepilgert - er sogar mehrfach.
In der Regel ist damit in islamischen Ländern verbunden, dass man sehr in uralten Familientraditionen verhaftet ist, wovon M. und A. sich aber zumindest teilweise empanzipieren konnten.
Dass sie sich nun für die deutsche Kultur interessiere und auch Kontakt zu Einheimischen möchten, ist wohl zwei Dingen zu verdanken, zum einen haben sie beide studiert und möchten beruflich vorwärtskommen und zum anderen sind sie ja vor Erdogan und seinen Anhängern geflohen, die aber leider hier auch die Mehrheit unter ihren Landsleuten bilden.
Ansonsten ist ein Fünftel unserer Einwohner türkischen Ursprungs, d.h. keiner muss sich mehr auf Deutsches einlassen, denn die Community ist ja groß genug, zumal da auch noch viele Muslime anderer Nationalitäten hinzukommen.
Das, was wir gemeinsam machen, ist leider viel zu selten, weit öfter ist es der Fall, dass man in die eigene, längst existierende Parallelgesellschaft einreist und dabei den deutschen Staat samt seinen "ungläubigen Ureinwohnern" verachtet.
Es ist leicht, sein soziales und Umweltgewissen zu beruhigen, indem man die Grünen und damit immer mehr unkontrollierte Zuwanderung wählt, aber wenn man die Leute dann sich selbst bzw. nur der eigenen Community überlässt, dann wird das irgendwann in die Hose gehen.
Ein spannendes Thema, über das ich inzwischen vermutlich schon Bücher schreiben könnte, so viel Gedanken, wie ich mir darüber mache, z.B. auch in Hinblick auf die Zeit der Aufklärung, die es im Westen glücklicherweise gab, die aber an islamischen Ländern spurlos vorüberging.
Und du hast recht, Kommunikation ist sehr viel mehr als nur Sprache, auch das Essen gehört z.B. dazu und unbedingt gemeinsames Lachen, das wir sehr gut zusammen können. :-))
Liebe Sprach-und-Lach-Grüße zurück! 😀