Montag, 8. Mai 2023

Viel zu kurz waren die drei Stunden ...

 ... und sie endeten damit, dass ich richtig nasse Tränen lachte, aber dazu gleich mehr, denn zunächst mal kamen die beiden pünktlich auf die Minute hier an.

Den ganzen Morgen hatte ich die stundengenaue Wettervorhersage beobachtet und mich dann entschieden, die schon bereitgestellten Gartenmöbel mit Auflagen und Tischdecke zu versehen.

Kaffee und Tassen standen bereits draußen und das Essen hatte ich büffetartig in der Küche angerichtet, so dass sich jeder nur noch nach Lust und Laune bedienen musste.

An unserer Haustür ist es relativ eng und nun knubbelte sich dort zunächst mal alles, Schwester und Schwager mit ihren wuchtigen Reiserucksäcken, ich und dazwischen Rex, dem es großes Vergnügen zu bereiten scheint, an nicht hundeerfahrenen Menschen gleich mal ordentlich hochzuspringen.

"Huuuch?" 😮😂

Nein, es war kein Problem, ich musste ja nur irgendwie an den Rucksäcken vorbeikommen bzw. dirigierte dann erst mal alles in die Küche, wo sie sich von ihrem Ballast befreien und ich meinen Hund zu packen kriegen konnte.

Umgehend entspannte sich alles und nach ausgiebigem Geherze packte E. (meine Schwester) dies hier für uns aus:



Auf den ersten Blick hatte ich die Kekse für ziemlich hart gehalten, sollte später aber eines Besseren belehrt werden, als ich endlich zum Probieren kam, denn sie sind so lecker, dass ich mir inzwischen das Rezept schicken ließ.

Falls es jemanden interessiert, hier kann man es nachlesen, wie sie diese "Vollkorn American Chocolate Chip Cookies" gemacht hatte, wobei sie weiße Schokolade und Kakao allerdings wegließ.

Werde ich auf jeden Fall nachbacken, F. schmecken sie und so habe ich dann auch etwas, um es M. und A. mitzubringen, damit das Verwöhnen nicht ganz so einseitig läuft. 😊

Kurz darauf saßen wir im Freien bei eigentlich optimalem Wetter, die Sonne zeigte sich nur ab und zu, die Temperatur war sehr angenehm und die Hauptsache war, es blieb die ganze Zeit trocken.

Alsbald waren wir in angeregte Gespräche vertieft, ob nun über ihre Europa-Radreise (das nächste Sabbatjahr ist bereits genehmigt) oder auch über unsere Eltern, von denen ich so manches zu berichten wusste, das meiner Schwester tatsächlich neu war.

Es ist wirklich erstaunlich, nur knappe 10 Jahre ist sie jünger als ich und doch hatten Bruder und ich völlig andere Eltern als sie, aber klar, zu meiner Zeit begann Papa gerade erst zu studieren, das Geld war mehr als knapp, Muttern war dauersauer, zeichnete sich wirklich hauptsächlich durch diese alles abtötende schlechte Laune aus und benutzte besonders mich gerne als Blitzableiter und vor allem billige Dienstmagd, Aschenputtel lässt grüßen.

Als E. dann etwa im Grundschulalter war, veränderte sich die Situation zusehends, Papa war verbeamteter Lehrer, verdiente ausreichend, wir wohnten nun in einer mehr als großzügigen Wohnung und die folgenden etwa 10 Jahre waren die einzigen im Leben unserer Mutter, in denen sie Freundschaften pflegte fast, täglich mit der neu entstandenen Clique im Schwimmclub zusammenkam, mit der sie dann auch gerne zu gemeinsamen Wanderurlauben nach Franken fuhren.

E. sagt selbst, sie hatte eine wunderschöne Kindheit, wurde regelrecht verpäppelt, also genau das Gegenteil von dem, was wir Großen erlebt hatten. 

Und schon waren wir bei den Charaktereigenschaften, die vererbt oder auch einfach von Kindern unreflektiert von den Eltern übernommen werden, E. kam in diesem Zusammenhang auf sich selbst, aber auch aufs Brüderlein zu sprechen, der auch sie unter seinen rechthaberischen Ausrastern schon erheblich leiden ließ. Sie verwies auf unser letztes Familientreffen vor sieben Jahren im Schwarzwald, wo er die Nummer mit mir versuchte durchzuziehen, ich aber gar nicht mitbekam, dass er auch sie mindestens einmal am Tag, wie sie es ausdrückte, runterputzte.

Es herrschte natürlich gewaltiger Trubel dort auf dem Bauernhof am Ende der Welt, in dem wir uns eingemietet hatten, denn neben ihren beiden Kindern hatten E. und T. auch noch die Schwiegermutter im Gepäck, mein Bruder war mit Frau und den Mädels da und zusätzlich reiste auch noch F.s Schwester mit Mann an - dadurch ging das wohl wirklich an mir vorbei, zumal ich gestehen muss, dass ich innerlich wohl auch eher auf Seiten des Bruders war, weil mich allzu viel "Grün" dann doch skeptisch macht, zumal wenn es von Leuten kommt, die es sich im Gegensatz zu uns eben finanziell auch leisten können.

Seit gestern grüble ich unablässig darüber nach und stelle grad meine ganze bisherige Denke gehörig auf den Kopf, denn nun fiel mir auch auf, dass wir uns wohl tatsächlich seit Jahrzehnten nie allein bzw. nur zu viert austauschten.

Als ich nach Stuttgart ging, war sie gerade 12, wenn ich zu Besuch kam, dann natürlich in die Familie und auch später waren bei Feiern oder Treffen im Elternhaus immer andere dabei.

Schon als Teenie kam sie mit ihrem heutigen Mann zusammen, der schon damals überzeugter "Grüner" war, beide wurden sie zu Vegetariern und sie wurde mir immer fremder, zumal sie mir in Bezug auf viele Dinge oder Anschauungen meist irgendwie auf Krawall gebürstet schien.

Erst jetzt kapiere ich, dass das in erster Linie eine Schutzhaltung war - sie selbst meinte gestern, sie hätte es offenbar geerbt, immer Recht haben zu wollen, was aber ja irgendwie verständlich ist, denn trotz aller Verpäppelung war sie nun mal die Kleine, die nicht nur neben wesentlich älteren Geschwistern bestehen, sondern auch damit klarkommen musste, dass sowohl Mutter wie auch Bruder dazu neigten, keine "Götter" neben sich zu dulden.

Rund um den Tod unserer Eltern hatte sie alles zu Regelnde sehr schnell an sich gerissen, wie ich es empfand, und es gab so manchen Punkt, mit dem ich nicht ganz einverstanden war, aber okay, Muttern hatte sie als Bevollmächtigte eingesetzt, weil sie meinte, sie wäre "die Härtere und weniger Gefühlsbetonte" von uns, also nahm ich das so hin und wenn wir dann, wie immer, im größeren Kreis aufeinandertrafen, nahm diese Fremdheit immer weiter zu.

Nur wenn wir - zu Geburtstagen - mal miteinander telefonierten, fühlte es sich ganz anders an, aber den Zusammenhang erkannte ich bis jetzt nie, wie sehr das eben davon abhängig ist, ob andere dabei sind oder nicht, ob sie also (vermutlich unbewusst) diese Abwehrhaltung einnimmt.

Gestern - nur zu viert - war sie auf einmal wieder meine "kleine Schwester", wir unterhielten uns intensiv, bis in vermeintliche kleine Schwächen hinein, da gabs kein Großgetue oder Rechthabenwollen, es lief völlig entspannt, mit ganz viel Tiefgang, aber auch mit viel Lachen.

Es hätte sehr viel länger dauern dürfen, denn so viele Themen konnten wir gar nicht ansprechen, aber es blieb ein verdammt gutes Gefühl zurück und die Hoffnung, dass wir beide es nun vielleicht schaffen, uns noch mal ganz neu kennen zu lernen und einen engeren Kontakt zu pflegen.

Und der ganz große Knaller kam dann, als sie weg waren.

Ich war noch mit hinübergegangen zur Bushaltestelle, stand selbst gegen die Fahrtrichtung, wir quatschten munter weiter, bis T. auf einmal sagte: "Da kommt der Bus ..."

Schnell noch ein Drückerchen, schon waren sie im Inneren verschwunden, ich stand da, winkte noch mit einem Tüchlein in der Hand hinterher und erst als der Bus um die Kurve entschwunden war, überkam mich der Gedanke, das wird doch hoffentlich die richtige Linie gewesen sein, denn ich selbst hatte überhaupt nicht darauf geachtet.

Ein halbe Stunde später piepse WhatsApp und ich las dies hier:

"🙈Wir saßen im falschen Bus. Konnten an der nächsten Haltestelle aber noch wechseln. Am Bahnhof sind wir gerannt (ich zu langsam) um den ersten Zug noch zu erwischen. Jetzt sitzt T. drin und ich nicht 🤪die Türen waren schon blockiert."

😂🤣😂🤣😂🤣😂🤣😂

Wie gerne hätte ich die dummen Gesichter gesehen, er drin und sie draußen auf dem Bahnsteig ... 🤣😂🤣

Über die nächsten Stunden entspann sich ein muterer Austausch, denn sie fuhren nun vollends getrennt voneinander Richtung Heimat. T. musste abends noch Dinge für die Schule vorbereiten, daher war es sinnvoller, dass er nicht etwa am nächsten Umsteigepunkt auf sie wartete, sondern jeder für sich allein weiterreiste

Was haben wir noch gelacht darüber, ich tat betont besorgt - das arme "Kind", nun ganz allein in der Weltgeschichte unterwegs, so flogen die lustigen Bemerkungen hin und her und auch heute Morgen stehen wir schon wieder in regem WhatsApp-Austausch. (So viel haben wir uns nicht geschrieben, seit es WA gibt ...)

Ein rundum gelungener Sonntag also, der mich zutiefst bewegt hat und mir nichts als gute und warme Gefühle hinterlässt. 🥰

Aaaaber ich wäre ja nicht die "Rex-Mama", wenn es nicht auch was zu meckern gäbe, denn gerade sehe ich, dass meine Snackgurke verschwunden ist. 

Die, die in ihrem Töpfchen so kümmerlich vor sich hinjammerte, dass ich sie flugs einpflanzte.

Noch gestern Abend hatte ich mich daran erfreut, dass der einzige überlebende Trieb doch noch angegangen war und nun schon kleine Seitentriebe bildete, doch nun ist alles verschwunden, nur noch der halbe Stiel steht dort, selbst die Blätter sind weg und liegen nicht etwa abgefallen im Kübel.

Wer macht denn so was? 🤔😥😨

Tja, damit muss ich nun leben, macht aber nix, denn es gibt ja wahrlich genug, an dem ich mich von Herzen erfreuen kann. 😊


Habt einen schönen Tag und ... bleibt bitte gesund! 😀

 

PS: Das Essen kam übrigens hervorragend an, besonders die Minestrone schmeckte allen richtig gut, sogar F. lobte sie mehrmals,  und das will was heißen bei völlig Fleischfreiem. 😉

8 Kommentare:

  1. Ach wie schön!
    Bei uns lief das alles so ähnlich ab. So lange die Eltern lebten, waren sie der Mittelpunkt, und wenn wir uns trafen, unterhielten wir Geschwister uns gar nicht richtig miteinander. Es war auch jeder mit seiner jungen Familie, den Kindern, dem Beruf und all dem Drumrum beschäftigt. Erst später fanden wir wieder enger zusammen - und wir hatten alle etliche Jahre mehr auf dem Buckel als du und deine Schwester ;-)

    Die Männer haben euch die Chance gelassen, euch miteinander zu unterhalten, das finde ich besonders schön. Bei meiner Schwester und ihrem Mann gab es regelrechte Hahnenkämpfe mit den Schwägern, und mit meiner Schwester konnte ich in seiner Gegenwart nie reden, ohne seine Kommentare und Empfehlungen anhören zu müssen, während meine Schwägerinnen total lieb und "schwesterlich" sind.

    Die Rückfahrt der beiden war ja wirklich zum Kichern :-)))

    Lieben Gruß :-)

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    1. Ja, meine Liebe, es war so wohl die optimale Mischung, völlig entspannt und ohne jegliche "Hähnereien".
      Und über die Rückfahrt könnte ich immer noch Tränen lachen, mir geht die Vorstellung nicht ausm Kopf, die blöd die beiden geguckt haben müssen. 😂🤣😂

      Lieben Gruß zurück! 😀

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  2. Hallo, Liebe "Rex-Mama!"

    Man freut sich einfach für dich mit, wenn man diesen Blogeintrag liest.
    Das klingt doch wunderbar, wenn die Möglichkeit besteht, deine Schwester nochmals neu kennenzulernen.

    Wie viel man wohl unbewusst auch von seinen Eltern übernimmt, ob man das will oder nicht, diese Frage, glaube ich, hatte ich mir vor Sichtung dieses Blogeintrages nie gestellt?

    Das mit der verkehrten Buslinie und die eine Person im Zug, die andere draußen, die dann alleine weiterreisen, liest sich wie aus einer Komödie. - Das ist Leben pur.

    Der ganz Blog lädt zum Wohlfühlen und Menschsein ein. :)



    Liebe - viel zu kurze - Grüße
    Vom lifeminder

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    1. Na so was, lieber lifeminder, für mich gehört gerade das unbedingt zur Selbstreflexion dazu, z.B. war ich zu Zeiten, als ich meine Mutter noch bedingungslos wie gewünscht fast verehrte, davon überzeugt, sehr viel von ihr "geerbt" zu haben.
      Erst später begann ich das zu hinterfragen und vieles auf den Prüfstand zu stellen - wollte ich so und so überhaupt sein, in Situationen so reagieren, wie ich es von ihr mehr oder weniger kopiert hatte?
      Bei uns zieht sich die fehlende (Selbst-)Reflexion leider über Generationen durch die Familiengeschichte und ich denke, ab und zu brauchts dann mal jemanden, der diese "Mechanismen" durchbricht, denn vieles an uns und unserem Verhalten ist eben nicht genetisch bedingt (worauf man sich ja gern mal herausredet), sondern eher antrainiert, und wenn man sich das klarmacht, kann man natürlich auch etwas tun dagegen, sofern man es für angebracht hält. ;-)

      Gell, die Heimfahrt war wirklich filmreif ... ich lache mich immer noch darüber kaputt, wie es für so Öffi-erfahrene Leute gleich doppelt schieflaufen konnte. 🤣

      Liebe "egal, ob kurz oder lang, Hauptsache, von Herzen kommende" Grüße zurück! 😊

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    2. Hallo, Liebe "Rex-Mama!"

      Seit dir sicher, ihr seid nicht die einzigen mit ab und an mangelnder Selbstreflexion über Generationen. I
      Ich befürchte, das geht uns allen so; zumindest hin und wieder? Mechanismen zu durchbrechen, ist keine leichte Aufgabe. Ich frage mich gerade, wie oft ich schon daran gescheitert bin?

      Die Heimfahrt deiner Familie gehört für mich bisher zu den urkomischsten Momenten in diesem Jahr.



      Liebe - alles andere als mechanische - Grüße
      Vom lifeminder

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    3. Aber ja, lieber lifeminder, natürlich gibt es das so gut wie in jeder Familie und leider auch die fehlende Bereitschaft zur Selbstreflexion, denn sie ist ja nun einmal unbequem.
      Ich gehe da gleich im Blog noch mal kurz drauf ein. ;-)

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  3. Zum Beispiel eine Schnecke, liebe Rex-Mama, würde ich sagen. Die lieben junge Pflanzerl leider sehr.
    Bekommst du noch neue Pflanzerl zu kaufen?

    Schön, dass der Besuch so fein verlaufen ist!

    Lieben Gruß

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    1. Gut möglich, liebe Sparköchin, wobei ich bis jetzt hoffte, der Kaffeesatz, den ich täglich draußen verteile, würde genügen, um sie abzuhalten. Allerdings trinken wir nur entkoffeiniert, womöglich liegt es daran.
      Ich werde es beobachten und muss schauen, ob ich in dem neuen Dekoladen Ersatz bekommen kann.

      Lieben Gruß zurück!

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