Donnerstag, 7. März 2024

"Die sind ja wie wir ..."

 Das war einer der Sätze, die eine der türkischen Frauen von sich gab, als sie erzählte, wie es damals anfing, als man begann sich einander anzunähern.

Tatsächlich hatte ich diesen Satz genauso auch schon gedacht, während M., A. und ich uns zunächst recht vorsichtig "beschnüffelten", denn wenn man den sehr strikt gelebten Glauben, die antrainierten Traditionen und die Anhängerschaft in einer für mich sektenartigen Vereinigung einmal weglässt, stellte sich doch schnell heraus: Unterm Strich sind wir alle nur Menschen und haben ganz ähnliche Gefühle.

Weiter ging es mit einer Anekdote, die mir ebenfalls sehr bekannt vorkam.

Erinnert ihr euch, wie sehr ich mich darüber freute, als A. aufhörte sich zu entschuldigen, weil ein Bügelbrett im Wohnzimmer stand?

Für mich der Beweis, dass sie mich inzwischen einfach als dazugehörig empfand und nicht mehr als Fremde, für die man einen Riesenzirkus veranstaltet.

Auf der Bühne saßen etliche Frauen beider Nationen im Halbkreis, und besagte von oben zeigte nun auf zwei der deutschen und erzählte, wie diese ihr vor längerer Zeit einmal "den Tag retteten".

Sie seien einfach so vorbeigekommen, hätte sich gedacht, nun wollen wir doch mal gucken, ob wir bei der xxx einen Kaffee kriegen, auch wenn wir gar nicht angemeldet oder eingeladen sind.

Darüber habe sie sich ein Loch in den Bauch gefreut, betonte sie noch einmal, sie habe gedacht, guck an, du gehörst dazu, bist eine von ihnen, genau die gleiche Freude also, die ich bei der Bügelbrettgeschichte empfand - vermeintlich nur Kleinigkeiten, aber doch so wichtig, denn wir sollten das Verbindende suchen und damit das Trennende überwinden.

Wobei das aber gar nicht so einfach ist, denn dieser Dr. xxx berichtete z.B. von seinen vergeblichen Versuchen, Aleviten und Schiiten gemeinsam an einen Tisch zu bekommen.

Leider etwas, das von den Sozialromantikern, die für immer noch mehr Zuzug plädieren, gern übersehen wird, dass damit die unterschiedlichsten Gruppierungen rapide anwachsen, die sich gegenseitig teilweise spinnefeind sind.

Man denke an "Seyran Ates", die erste türkische Imamin, die in Berlin nur noch unter Polizeischutz leben kann, weil viele ihrer Landsleute sie wegen ihrer toleranten Glaubensauslegung hassen, Türken und Kurden stehen sich feindlich gegenüber, es sind Sunniten gegen Schiiten und Aleviten usw und sogar A. und M. müssen sich ja vor vielen fürchten, die die gleiche Sprache sprechen wie sie.

Was natürlich nicht nur für Muslime gilt.

Dieser Dr. xxx erzählte von Teilnemerinnen eines Kurses, den er leitete, u.a. eine Russin und eine Ukrainerin, die lange als beste Freundinnen auftraten.

Dies änderte sich schlagartig, als Putin begann auch in der Ukraine seine imperialen Gelüste auszuleben und dort Tod und Terror verbreitete, auf einmal mochten sich diese beiden Frauen nicht mehr und am Ende kamen sie nur noch wechselweise, d.h. wenn die eine da war, verschwand die andere und umgekehrt ...

Man sollte auch nicht unterschätzen, welchem Druck die Leute ausgesetzt sind, egal welcher der vielen Gruppierungen im Lande sie angehören.

So viele Dinge wurden berichtet, z.B. wie Damen einer Kirchengemeinde versuchten, Türkinnen für ihre Veranstaltungen einen Gemeinderaum zur Verfügung zu stellen. Beide Seiten waren dafür enormen Anfeindungen ausgesetzt, die einen hörten, wie könnt ihr denn Muslime hier hereinlassen wollen, die anderen, ihr dürft euch doch nicht mit den Gottlosen abgeben ... 🙄

Das gleiche Spiel, als sich einige Musliminnen nach einem Terroranschlag in eine Kirche begaben, um während einer Messe ihre Solidarität zu bekunden. Auf beiden Seiten wurde im Hintergrund vor Wut geschäumt ... 

Interessant fand ich auch, dass eine der Frauen auf der Bühne offenbar eine Nonne war, auch wenn sie in ganz normalen Zivilklamotten unterwegs war, während fast alle Türkinnen ein Kopftuch trugen.

Jetzt erst fällt mir ein TV-Beitrag ein, den ich vor einiger Zeit mal sah. Da ging es um eine Ordensfrau, die mit einem Handwägelchen auf Wochenmärkten in Marxloh unterwegs ist und kostenlosen Kaffee ausschenkt, um dabei mit hauptsächlich ausländischen Menschen ins Gespräch zu kommen.

Gut möglich, dass es sich dabei um genau diese Frau handelte ...

Noch ein Wort zu der tollen Atmospäre, die auf dieser Veranstaltung herrschte, denn gegen Ende bekam ich mit, wie jemand der Moderatorin, die ja im rechten Winkel zu mir in meiner unmittelbaren Nähe saß, einen Zehner in die Hand drückte und ihr etwas zumurmelte.

Kurz darauf betrat sie die Bühne, hielt den Schein hoch und vermeldete, der sei eben nebenan im Café-Raum gefunden worden. Wenn er jemandem fehle, solle er sich doch bitte melden.

Jeder hätte behaupten können, es sei seiner, aber keiner tat es, also wanderte er dann wohl wie angekündigt in die Spendenkasse, die neben dem Büffet gestanden hatte und in die ich natürlich auch etwas hineinwarf.

Sehr vertrauensvoll also, auch wenn es dank meiner vorherigen Recherchen nicht zu übersehen war, dass sämtliche auf dem Veranstaltungsschild aufgeführten teilnehmenden Vereine, auf die noch einmal stolz hingewiesen wurde, mit der Gülenbewegung zu tun haben.

Von der man auch in Deutschland nach anfänglicher Begeisterung wohl allmählich zu befürchten scheint, dass es ihr letztlich um nichts Geringeres als die Weltherrshaft des Islam gehe, auch wenn sich im Moment alles sehr weltoffen und auf Bildung ausgerichtet präsentiert.

Auf dem Rückweg sprach ich mit A. über die wunderbare Atmosphäre des Abends und wie warm ich das alles empfunden hatte.

"So warm ist in der Türkei immer", sagte sie traurig, sprach über das große Heimweh, das sie hat, und ich musste daran zurückdenken, wie ihre Augen etwa drei Stunden zuvor geleuchtet hatten.

Es war, als dieser ältere Herr sie mit seinen Türkischkenntnissen überraschte und ihr auch erzählte, welche Orte er kannte.

Sofort holte sie ihr Smartphone hervor und zeigte mir wunderschöne Fotos von Orten in ihrer Heimat.

"Wenn ich endlich wieder reindarf, dann machen wir zusammen Urlaub dort", hatte sie zu mir gesagt, "dann zeige ich dir alles und wir werden gemeinsam das Warme erleben."

Damit ist eigentlich alles über unsere Beziehung gesagt, oder? 🥰


Und nun muss ich mich dem ersten Rasenmähen widmen. Gift für mein angeschlagenes Kreuz, aber dann kann man endlich Rexibubis Hinterlassenschaften einfacher finden, die er allzu gerne unter dem zu hohen Gras versteckt. 😁


Habt einen schönen Tag und ... bleibt bitte gesund! 😊

6 Kommentare:

  1. Oje, ganz schön schizophren, das Getue der Menschheit.

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    1. Ja, das ist es, mit Religionen bzw. anderen Ideologien machen wir uns es nicht eben einfacher und dass wir uns so ungehemmt vermehren und dadurch immer enger zusammenrücken müssen, trägt auch nicht zu einem friedlicheren Miteinander bei.

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  2. Urlaub zu machen mit einer Insiderin ist doch das Beste was dir passieren kann. Ich wünsche dir, dass euer Vorhaben real wird. Ich kann nachvollziehen, dass deine Freundin heimweh hat. In Frankfurt man jetzt eine Beleuchtung zum Ramadan angebracht. Deutsche Idioten eben. Und irgendwann wird Weihnachten verboten oder in Winterzeit umbenannt. SOOOO viel Toleranz wird in einem anderen Land nicht erleben.

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    1. Hier ein Artikel zum "Happy Ramadan".
      https://www.nzz.ch/panorama/frankfurt-am-main-erstmals-beleuchtung-zu-ramadan-ld.1820700
      Das geht natürlich weit über "Toleranz" hinaus und ob es dem Frieden dient, so wie die grünen Initiatoren es sich vorstellen, wage ich zu bezweifeln.
      Im Gegenteil könnte es eher Wasser auf die Mühlen der AfD sein, befürchte ich.

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  3. Hallo, Liebe "Rex-Mama!"

    Glaubenskriege, Schutz zu brauchen, weil man an etwas glaubt, das ist beknackt, das Schlimme daran, wir lernen nicht daraus, das ist ja schon seit tausenden von Jahren so.

    Ob es in der Türkei wohl immer warm ist? ... kommt vielleicht darauf an, wo man leben?

    "F" meinte gerade am Mittwoch zu mir, der April ist in Deutschland ganz ähnlich wie in der Türkei.

    Ist denn das abzusehen, wenn "A" wieder in die Türkei einreisen darf? - Hoffentlich bald! - Ich freue mich bereits jetzt auf deine Blogs mit den Türkei-Erlebnissen! ;)



    Liebe - urlaubsartige - Grüße
    Vom lifeminder

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  4. Lach, lieber lifeminder, das "Warme" bezog sich auf die freundliche und einladende Atmosphäre des Abends, nicht auf die Temperaturen. ;-)
    Glaubenskriege gibt es, seit monotheistische Religionen den Glauben an viele Götter gleichzeitig ablösten.
    Bei Religion geht es immer vor allem um Macht, die auch vor Jahrtausenden die Schamanen oder wie immer man sie nannte, dadurch bekamen, dass sie vermeintlich über Geheimwissen und einen direkten Draht zu den Göttern verfügten.
    Im großen Ganzen funktionierte das aber trotzdem ganz gut, denn man war offen für weitere Götter, die durch Migration oder Eroberungen hinzukamen.
    Im alten Rom wurden dann eben weitere Tempel den vorhandenen hinzugefügt, so konnte jeder zu seinem speziellen Gott gehen, doch im Monotheismus wird das dann auf nur noch einen einzigen beschränkt, neben dem es natürlich keine weiteren geben darf, und schon hat man den Salat, wenn die Glaubenden meinen, den ihren notfalls auch mit Gewalt verteidigen und verbreiten zu müssen.
    Über die Jahrtausende gesehen schenkten sich dabei Christentum und Islam nicht wirklich etwas, nur das Ersteres die Zeit der Aufklärung verarbeiten musste, während sie an Letzterem fast spurlos vorüberging.
    Und deshalb ist es auch fraglich, ob A. jemals wieder ohne Gefahr in die Türkei wird einreisen können ...

    Liebe "Ich fürchte, das mit dem gemeinsamen Urlaub wird ein Traum bleiben"-Grüße zurück!

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