Freitag, 9. Juni 2023

35 Jahre

 So lange dürfte es etwa her sein, dass ich den "Steppenwolf" von Hermann Hesse zuletzt in die Hand nahm, um das Buch auch bei diesem dritten Versuch irgendwann entnervt und in höchstem Maße gelangweilt wieder zurück ins Regal zu packen.

Meist muss ich grinsen, wenn ich den Spruch "... du hast vielleicht nicht den richtigen Zugang ..." höre, aber in diesem Falle passt er perfekt, zumindest auf mein damaliges Ich, wobei ich noch nicht sicher bin, inwieweit er auch noch fürs heutige gelten könnte, denn noch bin ich erst bei Seite 30 angelangt, nachdem ich durch Hermines Blog endlich den dafür nötigen Anschub erhielt. 

35 Jahre, in denen ich mich intensiv auseinandersetzte, nicht nur mit mir selbst und meiner Familie, sondern mit der Geschichte der ganzen Menschheit, mit dem, woran in unterschiedlichsten Varianten so viele von uns glauben, wo heraus sich dies überhaupt entwickeln konnte, natürlich in erheblichem Maße auch mit Literatur - im Grunde sog ich alles, was mir begegnete und auch nur ansatzweise nachdenkenswert erschien, wie ein Schwamm in mich auf, sah Verbindungen, verknüpfte, zog meine Schlüsse und allmählich bildet sich ein riesiges Mosaik heraus, das diese Welt von ihrem Anbeginn an abbildet und bei dem mir, je runder es wird, immer klarer wird, wie lückenhaft es ist und immer noch lückenhafter wird, desto mehr ich nach den einelnen Teilchen suche.

Habe ich ein vermeintlich fehlendes gefunden, stelle ich nämlich fest, dass es mit diesem einen gar nicht getan ist, sondern das dies wiederum in viele winzige Einzelstückchen zu unterteilen ist, die es dann wiederum zu suchen gilt ...

So rattert es fortlaufend und ununterbrochen in meinem viel zu kleinen Gehirn, auch wenn ich vordergründig damit beschäftigt bin, die Hecke zu schneiden, Zwiebeln zu hacken oder ... entgegen meinen Vorlieben einen Film mit anzuschauen, und gerade deshalb fällt mir es wohl auch zunehmend schwerer, mich auf so ein Machwerk zu konzentrieren, weil mich das, worüber ich gerade nachdenke, wesentlich mehr interessiert als das, was sich irgendwer erdachte, um andere zu unterhalten und selber Geld damit zu verdienen.

Auch als mittzwanzigjährigem Küken war mir dieses Rattern schon zu eigen, eigentlich ist es das, seit ich anfing zu denken, doch damals war es mir überhaupt nicht bewusst, wie so vieles nicht, weil mir schlicht die Erfahrung fehlte.

(Übrigens mit ein Grund, warum ich so skeptisch auf die jungen Politiker schaue, die oft für unser aller Zukunft die Weichen stellen und doch viel zu wenig Erfahrung dafür haben.)

Und nun also der neue Anlauf zum Steppenwolf.

Bei den vergangenen begann die Zahl meiner Bücher zwar bereits zu wachsen, überall in der Wohnung mussten bereits Regale "angeflickt" werden, doch vom heutigen Stand war ich noch weit entfernt und selbst wenn - so einfach wie jetzt war es noch nie, sich "mal eben schlauzumachen".

Also überflog ich vor dem Start seine Kurzbiographie und stolperte nur einige Minuten später über das Wort "fremd", mit dem unter anderem den Harry Haller skizziert wird, der ganz offenbar Hesses Alter Ego ist, was mir sogleich auffiel - im Gegensatz zu früher.

Und nachdem ich von der Migrationsgeschichte seiner Familie gelesen hatte und dass einige ihrer Mitglieder sich wohl ihr Leben lang fremd in der neuen Heimat fühlten, also niemals wirklich ankamen, lag es für mich auf der Hand, dass er nicht nur sich selbst, sondern auch gleich den Vater und andere mit in den Harry einfließen lässt - ein Aufwasch sozusagen, gesammelte und auch vom einen auf den anderen übertragene Erfahrungen. 😀

Kam mir die Sprache damals antiquiert und umständlich vor, wusste ich sie gestern auf einmal zu genießen, denn er verstand wirklich mit Worten umzugehen und ich bewundere es, wie keck er sich selbst im Harry unterbringt, denn indem er ihn durch einen jungen Mann betrachten lässt, kann er sowohl seine innere Zerrissenheit zum Audruck bringen, ohne selber zu jammern, als auch eine gewisse Selbstverliebtheit bzw. wohl eher die Bewunderung für die eigene Fähigkeit des Denkens, ... ohne sich selbst irgendwie loben zu müssen, denn das tut ja der junge Mann für ihn, der seine (zweifelnde) Bewunderung durchaus zum Ausdruck bringen darf.

Wenn das nicht raffiniert ist, weiß ich es ja auch nicht ... 😁

Wie gesagt bin ich noch ziemlich am Anfang, aber ich könnte wetten, dass diese Stelle bezeichnend ist für Harry Haller alias Hesse, für das ganze Dilemma seines Lebens, weil einen zu viel Denken nämlich schnell jede Bodenhaftung verlieren lassen und in Depressionen oder noch Ärgeres treiben kann:


Zitat aus dem Steppenwolf, Seite 24: 

"Auch das ist gut, sehr gut", sagte er, "hören Sie einmal den Satz: 'Man sollte stolz auf den Schmerz sein - jeder Schmerz ist eine Erinnerung unseres hohen Ranges.' 

Fein! Achtzig Jahre vor Nietzsche! Aber das ist nicht der Spruch, den ich meine - warten Sie - da habe ich ihn. Also: 'Die meisten Menshen wollen nicht schwimmen, als bis sie es können.'

Ist das nicht witzig? Natürlich wollen sie nicht schwimmen! Sie sind ja für den Boden geboren, nicht fürs Wasser. Und natürlich wollen sie nicht denken; sie sind ja fürs Leben geschaffen, nicht fürs Denken! Ja, und wer denkt, wer das Denken zur Hauptsache macht, der kann es darin zwar weit bringen, aber er hat doch eben den Boden mit dem Wasser vertauscht, und einmal wird er ersaufen." (Zitat-Ende)


Ich wüsste zu gern, was für einen IQ der gute Mann, also Hesse, wohl hatte, denn an sich würde er allein schon mit diesem Auszug perfekt in die Hochbegabten-Communitys passen, in denen ich hin und wieder unterwegs bin, auch dort erfreut man sich allzu gern an den eigenen Denkfähigkeiten, dem dadurch verursachten "Leiden" und mit dem Ersaufen ist das so eine Sache, wenn man im Wasser nur um sich selbst kreist, statt nach einer kleinen Insel oder gar Festland Ausschau zu halten. 


So viel zum ersten Eindruck, auf jeden Fall habe ich bis jetzt das Gefühl, dass ich diesmal dranbleiben werde, je nachdem, wie meine Zeit es zulässt, denn natürlich musste ich auch das Aufschreiben schon x-mal unterbrechen, weil bei mir der Boden eben immer sehr nah ist, und so habe ich zwischendurch den Freitagseinkauf erledigt und etliche Male versucht, den Bezirksschornsteinfeger zu erreichen, immer weiter vergeblich, außer einem Band scheint es bei ihm nichts Lebendiges zu geben.

Nun hoffe ich verzweifelt auf seinen Rückruf, denn die Sache brennt uns unter den Nägeln, weil es mit der defekten Therme eine Katastrophe ist,

Gestern Nachmittag wollte ich in die Wanne hüpfen - das Gerät steht ja nun dauerhaft offen und nach etlichen Schlägen - mal sachte, mal etwas derber - sprang es schließlich widerwillig an und lieferte heißes Wasser. 

Nur ein zweites Mal wollte es das nicht mehr tun, also nahm ich zum Abspülen meines Kopfes mit dem Rest vorlieb, der noch in der Leitung war, und schickte F. dann umgehend in mein noch immer sehr heißes, wenn nun auch gebrauchtes Wasser, denn anders hätten wir ihn nicht mehr sauber gekriegt.

Wobei er das Schampoo dann hinterher am Waschbecken kalt ausspülen musste ... 🙄


Von daher wäre es gut, wenn der Herr Bezirsschornsteinfeger sich endlich zurückmeldete, denn es wäre mir mehr als lieb, wenn wir Montag direkt zur Installationsfirma fahren könnten, was aber ohne die Genehmigung keinen Sinn ergibt.


Nun werde ich mich F.s Mittagessen widmen und mir dann noch ein Stündchen Ruhe gönnen, sofern nix dazwischenkommt, denn am Nachmittag werde ich um halb vier von M. und seiner Frau erwartet.


Habt einen schönen Tag und ... bleibt bitte gesund! 😊


6 Kommentare:

  1. Ist dasa wirklich schon so lange her, liebe REX-Mama? Tja, die Zeit vergeht? Heute ist die gute lte Zeit von Morgen meinte einst der Valentin Karl. Und ja, ich erinnere mich auch noch an den Film, den hast du sicher auch gesehen, Oder? Hast du gewußt, dass Hesse Schüler in der Klosterschule Maulbronn war? Allerdings nicht lange. Irgendwann verlies er in einer Nacht- und Nebel-Aktion die Schule. Er litt in dieser Zeit unter starken Stimmungsschwankungen. Ich werde für dich noch Artikel über die Klosteranlage bringen. Das dürfte dich doch interessieren.

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  2. Na klar interessiert mich so etwas, lieber Helmut, und Karl Valentin hat mit seinem Satz sicher ins Schwarze getroffen, auch wenn ich mich frage, an was sich die Kinder und Jugendlichen von heute wohl einst erinnern werden außer an Tiktok, Influencer, Computerspiele und (Internet-)Mobbing ...

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  3. Ich freue mich, dass dir der Einsteig zum Steppenwolf gelungen ist, liebe Rex-Mama! Immerhin eine kurze Auszeit von den Sorgen und Problemen, mit denen du dich rumschlagen musst.

    Mein Exemplar steht wieder im Regal, und mich würde im Moment mehr interessieren, von wem die Rede in der Widmung ist: Zur Erinnerung an einen Don Quijote. 9. Mai 1930

    Lieben Gruß :-)

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    1. Eigentlich fast schade, liebe Hermine, denn es hätte spannend werden können, wenn wir ihn gleichzeitig lesen und womöglich ganz anders interpretieren. ;-)
      Dein Exemplar stammt doch noch von Milla, oder?
      Vielleicht bekam sie es von jemandem geschenkt, der sich selbst oder den sie mit Don Quijote verglich - womöglich versuchte er sich auch zu erobern und es war ein Kampf gegen Windmühlen? ;-)

      Lieben Gruß zurück! 😀

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  4. Hallo, Liebe "Rex-Mama!"

    Ich war wohl übermüdet, ich dachte tatsächlich ich hätte diesen Eintrag schon einmal kommentiert. Wahrscheinlich habe ich vergessen, auf "Veröffentlichen" zu drücken?

    Der Steppenwolf ist bei mir mindestens zwei Jahrzehnte her, seit ich ihn gelesen habe. Ich weiß auch, dass das ein Kampf für mich war. Speziell auf den ersten Seiten, später ging es dann weitaus besser und ich fand in die Geschichte hinein.
    Wobei ich gestehen muss, ich musste erst nochmal nun eine Zusammenfassung aus dem Netz lesen, um mich zu erinnern, worum es beim "Steppenwolf" genau ging.

    Mal sehen, ob der Herr Schornsteinfeger sich meldet.
    Wobei ja Wochenende anstehe, zuvor ein Feiertag? - Ich drücke dir die Daumen ... aber daran glauben kann ich nur bedingt. Größere Chancen rechne ich dir ab Montag aus.

    Die verrückte Therme ist auch weiter ein Geheimnis für sich.
    Ob du wohl zum Schläfchen gekommen bist?

    Liebe - so ein Schläfchen ist schon was - Grüße
    Vom lifeminder

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    1. Umso bewundernswerter, lieber lifeminder, wenn du es in so jungen Jahren schafftest, den Steppenwolf komplett durchzulesen, denn ich selber gab ja drei Mal entnervt auf. 😅
      Mit dem Schornsteinfeger sehe ich es wie du und hoffe händeringend darauf, dass er am Montag wieder zum Leben erwachen wird, denn es ist höchst ärgerlich, wenn nun alles wegen ihm nicht vorangehen kann.

      Liebe "Schläfchen sind fein, wenn man sie denn kriegt"-Grüße zurück! 😀

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