Dieses fröhliche Liedchen trällerte ich im Stil eines Stadiongesanges F. entgegen, als mir dieser nach meinem Besuch bei A. die Türe öffnete.
Doch von Anfang an: Der Umtausch der Schuhe verlief problemlos und ich fand auch gleich einen hübschen Chrysanthemenstrauß in leuchtendem Gelb - so schön sommerlich, den wollte ich A. mitnehmen.
Da ich etwas zu früh dran war, gönnte ich mir in der Grünanlage, die ich durchqueren musste, noch ein gemütliches Zigarettenpäuschen auf einer schattigen Bank und beobachtete zwei Frauen auf dem Spielplatz, die einen Viererkinderwagen mit sich führten; die dazugehörigen Winzlinge tollten auf den Geräten herum, ein wahrlich vergnüglicher Anblick und nach einem kurzen Pläuschchen im Vorbeigehen mit der mittleren Generation wanderte ich dann weiter und klingelte pünktlich an der Tür.
Eine über alle Backen strahlende A. begrüßte mich, freute sich über die Blumen und begann sogleich von der Führerscheinprüfung zu erzählen.
Der Prüfer, der sie beim ersten Versuch durchfallen ließ, war Tunesier gewesen, diesmal war es ein älterer Deutscher, der nach jahrelanger Krankheit seinen ersten Arbeitstag hatte und sie wirklich hart rangenommen habe, obwohl sie ihn gebeten hatte, auf ihre Sprachschwierigkeiten Rücksicht zu nehmen - offenbar möge er keine Ausländer?
Dass es vielleicht weniger an ihrer Nationalität als vielmehr am Kopftuch gelegen haben könnte, wollte ich eigentlich erwähnen, kam aber gar nicht dazu, weil es so viel zu berichten gab.
Sage und schreibe eineinviertel Stunden ließ er sie herumfahren, darunter sogar gleich zweimal auf die Autobahn, was ich so auch noch nicht gehört habe, aber egal, sie bewältigte das alles und auch die ihr völlig unbekannten Stadtteile, durch die sie kutschieren musste, fehlerfrei und kann nun heute ihren "Lappen" bei der Führerscheinstelle abholen, mit Termin natürlich. 🙄
Inzwischen hatte sie schon den Tisch gedeckt, wieder gab es Köfte, die ich so liebe, und erstmalig hatte sie sie selbergemacht:
Hinten sieht man noch die Chrysanthemen liegen und nun fragte ich, ob diese Herzschalen für den Salat bestimmt seien?
Sie nickte, ich schob meine einfach weg und sagte: "Dann brauche ich die gar nicht, ich mag es viel lieber, wenn er mit den anderen Dingen auf dem Teller ist.
Dann lachte ich laut auf, als sie nämlich prompt grinsend ihre eigene Schale ebenfalls wegschob - offenbar halten sie es also auch etwas weniger formell, wenn sie unter sich sind, und genau das mag ich ja, also eher das Gefühl zu haben, dazuzugehören, statt "Besuch" zu sein, für den man Extra-Bohei macht.
So ging es fröhlich weiter, bis sie auf einmal etwas ernster wurde und von einer Freundin zu erzählen begann. (Bei Gelegenheit muss ich mal erkunden, ob man in der Türkei eigentlich einen Unterschied macht zwischen Freunden und Bekannten, denn ich habe das Gefühl, dass sie dieses Wort für ziemlich viele Menschen benutzt.)
Ärztin sei sie und im letzten Jahr mit einem Touristenvisum eingereist. Dann habe sie beschlossen, hierbleiben zu wollen - offenbar geht das recht einfach, wobei ich noch nicht klären konnte, ob da das Zauberwort "Asyl" im Spiel war.
Jedenfalls sei sie nun hier und würde mich so gern einmal kennen lernen, ob mir das recht sei?
Na sicher, warum denn auch nicht?
Gut, sie überlegte, ihr eine Nachricht zu schreiben, wenn wir beim Nachtisch (Kuchen) angelangt wären, aber plötzlich schellte es und schon war sie da, diese Freundin.
Wie schon M. und A. ganz am Anfang benahm auch sie sich stocksteif, blieb in der Tür stehen, deutete fast so etwas wie ein kleine Verbeugung an und sagte mit sehr starkem Akzent:
"Gutten Tag, ich möchte mich vorstellen, ich heiße xxx xxx und begrüße Sie ..."
Papperlapp ... diesen Zahn wollte ich ihr gleich ziehen, von dem ich gar nicht weiß, ob es der türkischen Tradition entspricht oder ob sie das in den Deutschkursen so beigebracht bekommen, auf jeden Fall benutzte sie genau die gleichen Worte, wie sie M. gegenüber F. tat, und so stand ich nun auf, ging ihr entgegen, streckte die Hand aus und sagte ganz locker:
"Hallo, ich bin die xxx, und wir können gerne "du" sagen ..."
Fragend und äußerst scheu sah sie mich an, aber nun mischte sich auch A. ein, die ich ja längst erfolgreich "aufgeknackt" habe, bat sie an den Tisch, auf den sie inzwischen einen weiteren Teller gestellt hatte, den sie in weiser Voraussicht schon mit vorbereitete.
Und nun ging es ganz flott, dass auch die junge Frau (sie ist erst 26), die ich im Moment nur XY.nennen kann, da ich mir ihren sehr langen Namen nicht merken konnte, auftaute, ruckzuck steckten wir zu dritt in einem munteren Gespräch.
Nicht nur, aber doch sehr viel ging es um die deutsche Sprache, ich erklärte z.B., dass beim Verb "verwenden" im Präteritum beide Formen zulässig sind, also "verwendete" wie auch "verwandte", führte dann gleich noch weiter aus, dass "verwandt" auch das Verhältnis von Familienangehörigen ausdrückt, und das nicht nur bei Menschen usw. ...
Nun saß ich da mit einer Apothekerin und einer Ärztin, also war es nicht weiter verwunderlich, dass wir auch beim Thema Pflanzen und Kräuter landeten, doch was auffällig war, ist, dass ich die einzige von uns dreien bin, die über immer noch ganz brauchbare Lateinkenntnisse verfügt, obwohl man es aufgrund ihrer Studienbereiche vielleicht andersherum vermuten sollte.
Dann kam ich auf meine Freundin und Nachbarin U. zu sprechen, erzählte von ihrem Fernstudium, das ja auch im medizinischen Bereich angesiedelt ist und nachdem ich erst einmal das Wort "fern" erklärt hatte, fragte XY. einigermaßen perplex, warum um alles in der Welt sie das denn nicht direkt an der Uni mache, wie es doch normal sei?
"Weil sie Kinder hat, die Hunger haben, also muss sie den ganzen Tag arbeiten und Geld verdienen und kann nur abends, nachts und am Wochenende studieren ...!"
Rumms, nun sah ich, wie den beiden regelrecht die Kinnladen nach unten klappten, denn offenbar war ihr Eindruck vom Schlaraffenland Deutschland bisher ein deutlich anderer. 😁
Dann stutzte XY., warum A. denn ständig nebenher in ihrem Deutschkurs-Buch blättere?
Grinsend sagte ich: "Sie sucht meinen Namen", woraufhin A. ihr dann erklärte, dass sie den an allen Stellen hineinschreibt, die sie noch mit mir abklären möchte, womit ich dann bei der Qualität dieser Deutsch-Kurse bin, die ich selbst ganz anders aufbauen würde.
"Warum steht da 'du' eigentlich immer groß?", wollte A. auf einmal wissen, mehrere Kursteilnehmer seien darüber schon gestolpert, aber die Lehrerin hätte keine Erklärung dafür gehabt - es sei auch ihr ein Rätsel.
Das ich nun natürlich lösen konnte, zumindest für A., die noch nie von der Rechtschreib-"Reform" gehört hatte, über die ich mich bis heute noch schwarzärgere. 😁
Dann wurde es Zeit für mich zu gehen, weil A. nachmittags zum Kurs muss, aber später ging es über WhatsApp weiter, u.a. wegen der Köfte, die ich unbedingt einmal selber machen möchte.
Sie schickte mir ihr Rezept, auf Türkisch und fügte gleich die Übersetzung an, die ihre App geliefert hatte.
Wo ich dann Angaben fand wie "ein Glas Bulgur mit Fleischbällchen" 🤣 oder "eine Kaffeetasse Öl", was mir doch arg viel vorkam.
Damit seien türkische Minitässchen gemeint, beruhigte mich A., aber wie viel Bulgur es sein soll, das muss ich noch mit ihr abklären, wobei ich aber eh inzwischen dieses Rezept entdeckt habe, nach dem ich mich im großen Ganzen richten will dabei.
Interessant fand ich übrigens, was ich zu Cig Köfte (Cig für roh) bei Wikipedia dazu fand, dass nämlich die Zubereitung mit rohem Hackfleisch seit 2008 in der Türkei verboten ist und sich infolgedessen wohl erst die veganen Varianten entwickelten, die wirklich richtig lecker sind.
Grad habe ich das Schreiben lange unterbrochen, um mich dem "Rasen" zu widmen, bevor es zu heiß fürs Mähen bzw. Trimmen wird, und mal gucken, wie schnell sich meine Arme davon erholen, denn eigentlich habe ich Lust, gleich mal noch loszulaufen zum "Internationalen Market", um zu sehen, ob ich dort Isot bekommen kann, auch wenn es A. für ziemlich ausgeschlossen hielt, denn die Betreiber seien doch Araber.
Ziemlich empört wirkte sie, dass ich das überhaupt in Erwägung ziehe - so viel zum "Rassismus" der Migranten untereinander, obwohl man ihn doch eigentlich in erster Linie immer nur uns Deutschen vorwirft. 😅
Ich werde es sehen und falls ich nix bekomme, will A. es mir dann vom "richtigen Laden" mitbringen. 😊
Das war's also zu gestern, zumindest zu diesem Teil des Tages und nun will ich mal hurtig losspringen.
Habt einen schönen Tag und .... bleibt bitte gesund! 😀
Frag die Ärztin doch einmal, ob Lateinkenntnisse in der Türkei fürs Medizinstudium überhaupt notwendig sind.
AntwortenLöschenWenn ich mich richtig erinnere, ist das z. B. in China nicht so, oder war es zumindest früher nicht so. Deshalb war die Kommunikation international auf dem Gebiet der Medizin zumindest früher auch so schwierig, weil eben Latein als Referenzsystem fehlte (und für den Westen die asiatischen Namen der Bestandteile und Wirkstoffe nicht zu knacken waren).
Lieben Gruß
Doch, doch, meine Liebe, beide brauchten Latein, aber genau wie hier leider inzwischen genügte dafür ein Crashkurs an der Uni, der aber natürlich eine gymnasiale humanistische Bildung nicht ersetzen kann, die, wenn sie gut war und "die Richtigen" sie erfuhren, ja sehr viel mehr beinhaltet als "nur" den denkbar besten grammatikalischen und sprachlichen Grundstock für alles Weitere, z.B. die Fähigkeit zu kritischem und differenziertem Denken und auch eine gewisse moralisch/ethische Grundhaltung.
LöschenLeider in unserer schnelllebigen und immer oberflächlicheren Zeit gar nicht angesagt, wie mir auch bei dem langen Gespräch auffiel, das ich kürzlich mit der Lehrerin meiner ehemaligen Schule führte.
Ein Unterschied wie Tag und Nacht - wir interpretierten und diskutierten uns damals die Seele aus dem Leib und es gab selbst auf einer bistümlichen Schule keinerlei Tabus dabei, die beste Voraussetzung, um ideologiefreies Denken in größeren Zusammenhängen zu schärfen.
Heute müssen die Schüler stattdessen täglich vor dem Unterricht beten und bekommen eingeimpft, was man noch sagen darf und was nicht ... 🙄
Also, liebe Rex-Mama, ich habe auch das Gefühl, dass man ein Bild von Deutschland hat, als flögen nur gebratene Tauben umher man muß nur seien Mund auf machen und schon geht es einem gut. Woher dieser Glaube kommt ? Ich weis es nicht. Übrigens auch aus dem Land aus dem meine Ex-Frau kommt, aus Kamerun, denkt man so.Klar istr das bei 30 % Arbeitslosen ist das nicht verwunderlich. Heute Abend bekam ich noch einmal einen Einblick zum Thema Tabakanbau ais erster Hand. Es war schon eine sehr mühsehliche Arbeit.
AntwortenLöschenSelbstverständlich denkt man sich das im Ausland so, denn nicht nur die Schleuser wecken bei vielen Menschen ja überhaupt erst den Bedarf zur Migration, indem sie vom Schlaraffenland erzählen, sondern die auch bereits Angekommenden berichten natürlich nach Hause, das es sich wirklich lohnt.
LöschenWas ja auch durchaus der Fall ist, denn M. und A. geht es z.B. finanziell deutlich besser als uns, ohne dass sie selber dafür etwas tun müssten. Wenn es sie fröstelt, stellen sie die Heizung an, selbst im Sommer, und sie können es gar nicht nachvollziehen, dass jemand wie F. nach einem Leben voller Arbeit heutzutage frierend in seiner Bude sitzt, genau wie sie ja über U.s Studium fassungslos waren, das sie NEBEN ihrer Arbeit absolviert, um ihre Kinder ernähren zu können.
Hallo, Liebe "Rex-Mama!"
AntwortenLöschenIch habe mit größtmöglichen Vergnügen diesen wohlfühle Blog gelesen.
Ist es nicht toll, wie auch durch M. und A. sich auch dein eigener "Bekanntenkreis" immer mehr erweitert?
Die Freundin von "A" scheint ja auch eine nette Person zu sein, wollen wir wetten, sofern du regelmäßiger auf sie triffst, dass du auch sie knackst?
Dass Apothekerin und Ärztin kein Latein sprechen oder zumindest wenig, sollte mir das zu denken geben?
Ob das wohl International auch so ist?
Ich staune (noch immer) darüber, wie "A" von Woche zu Woche mehr aufweicht.
Man freut sich mit euch mit. - Man wünscht sich für euch, dass es ewig so weiter geht und als Leser deines Blogs, dass man auch noch hiervon "viel mehr" zu lesen bekommt.
So, du musst mich entschuldige ich gröle nämlich gerade den diesjährigen Sommerhit vor mich her in der Stadionversion, vielleicht kennst du ihn auch?
Er geht ungefähr so: ""Eulääähhh für alle ..." ... wenn ich nur noch wüsste, woher ich dieses "fröhliche Liedchen" kenne?
Liebe - lass uns weiterhin froh und munter sein - Grüße
Vom lifeminder
Kicher, lieber lifeminder, dieses Lied drängte sich mir einfach auf, nachdem A. mich ja letzte Woche auch schon fragte, ob ich mir die Examensarbeit ihres türkischen Freundes mal ansehen könnte.
LöschenOffenbar bin ich zum Gesprächsthema in ihrer Community geworden ... 🤣
Diese junge Ärztin, hm, sie war ein etwas "teigiger Typ" und hatte einen extrem schlaffen Händedruck - nicht gerade die besten Voraussetzungen für mich, um irgendwelche Gefühle für jemanden zu entwickeln.
Aber abwarten, ob sie nun öfter dabei sein wird, im Grunde finde ich es spannender und halt auch viel persönlicher, wenn ich mit A. alleine bin, denn das machte mir in den letzten Wochen richtig Spaß.
Liebe Munter-Grüße zurück! 😀
Hast du das Gewürz bekommen, liebe Rex-Mama? Ohne im "richtigen" Laden gewesen zu sein?
AntwortenLöschenWo ist der Mann eigentlich abgeblieben? Wurde ihm das zuviel Frauenpower? Ursprünglich wollte ER doch sein Deutsch verbessern, und jetzt tut ihr Frauen euch zusammen??? ;-)
Iiiii, so "teigigen" Händedruck finde ich auch schrecklich. Obwohl, früher begrüßte man sich ja noch öfter mit Händedruck und seltener mit Bussi-Bussi (mag ich auch nicht, hihi), da habe ich festgestellt, dass sich ein anfangs ganz schlaffer Händedruck irgendwann verändert hat.
Lieben Gruß :-)
Lach, liebe Hermine, das habe ich auch schon überlegt, dass sich so ein Händedruck womöglich noch verändern kann, wenn man die Leute erst mal bissl "auf Spur" gebracht hat.
LöschenM., ja, das hat sich irgendwie so ergeben, weil A. in ihrem Deutschkurs Sommerferien hatte, daher war sie zu Hause und hatte schön Zeit zum Deutschpauken. Außerdem kam dann der Kleine in den Kindergarten, sie genoss die neue Freiheit sehr und wohl auch die Treffen mit mir, genau wie es mir ja auch erging.
M. hat Freitag und Samstag Prüfungen in seinem aktuellen Kurs und als ich A. fragte, ob er mich da vorher noch benötige, meinte sie, nein, er würde ich dieser letzten Woche ganz intensiv gemeinsam mit Mitschülern pauken, aber dann wohl gerne hinterher mit mir drüber reden.
Ich lass mich überraschen, spannend bleibts jedenfalls und ... weißt du eigentlich, dass du gar nicht so unbeteiligt warst an dem, was ich nun so erlebe?
Als ich nach dem ersten Treffen mit M. im Cafe so unschlüssig war, weil er die Gülenbewegung ja mehrfach erwähnt hatte, schriebst du mal in einem Kommentar, na, so wie es sich lese bei mir, sei die Entscheidung doch offensichtlich längst gefallen.
Das befeuerte mich tatsächlich, denn nun fragte ich mich, willste wirklich die Flinte so schnell ins Korn werfen, ohne es zumindest ausprobiert zu haben?
Von daher habe ich dir also einiges zu verdanken, wer weiß, wie ich mich sonst entschieden hätte? 😊