... wird's eng mit meinem Intervallfasten bzw. ich muss es wohl flexibler auslegen, denn obwohl ich M. per WhatsApp gebeten hatte, dass sich seine Frau wegen mir doch bitte keine Mühe machen möge, pfiff man munter darauf und wieder wurde ich über die Maßen verwöhnt.
Pünktlich um eins war ich dort, betrat den Gang, in den man von der Treppe aus geradeaus hineinsteuert und wieder fiel mir der Unterschied auf, der vermutlich in der Schuheauszieh-Mentalität begründet ist.
Wäre es meine Wohnung und jemand käme zu Besuch, würde ich mindesten beim ersten Mal ganz sicher zwei Schritte in den Gang hinaustreten, weil der Gast sonst von der Treppe aus gar nicht sehen kann, welche der seitlichen Türen geöffnet ist, und nicht einmal weiß, ob er in der richtigen Etage ist.
Nicht so M., er bleibt im Inneren der Wohnung stehen und letztes Mal schloss ich nur aus den Geräuschen des kleinen Sohnes, dass ich nicht weiter hinaufgehen müsste.
Gut, ich kannte das nun ja schon, also näherte ich mich dem Eingang, stieg gleich aus den Crocs, warf einen Blick hinein, sah im Hintergrund M. und seine Frau und an der Schwelle die schon bereitstehenden Schlappen.
Seufz, also wieder hinein in die Dinger - wirklich gewöhnen werde ich mich daran nie und ich frage mich, was ich machen soll, zwingt mich das Wetter einmal zu festerem Schuhwerk.
Ehrlich, meine Schnürboots schaffe ich kaum im Stehen anzuziehen, weil das doch recht mühsam ist. Zu Hause setze ich mich dafür in der Regel auf die Treppe, was aber sollte ich dort tun?
Auf Socken bis zur einige Meter entfernten Treppe schleichen, um mich dort niederzulassen und um meine Jeans dann hinterher gleich in die Wäsche geben zu müssen?
Oder soll ich mich stattdessen direkt vor der Tür auf den Gangboden fallen lassen, um dort mein Werk zu verrichten?
Angenehm finde ich das alles nicht, aber dank der leichten Crocs hatte ich die Schuhe nun immerhin schnell gewechselt.
Leider kränkelte der kleine Akin ein wenig, die Ursache ist noch nicht bekannt, soll noch von einem Kinderarzt geklärt werden, aber für den Moment diagnostizierte M. erst einmal "Jabber".
Jabber? 😮 *stutz und grübel*
Nach einigem Hin und Her kam ich dahinter, dass er Jammer meinte und tatsächlich beschrieb es die Situation sehr gut, denn der Kleine war quengelig und jammerte immer wieder leise vor sich hin, während seine Mutter ihn mit sich herumtrug.
Alsbald waren wir wieder mitten in einem munteren Gespräch über Politik, über Krieg, die Weltsicherheitslage, über Aserbaidschan, über die DDR und die BRD, in der er den Sozialstaat als wichtigste Errungenschaft bezeichnete.
Das sei er sicherlich, gab ich ihm recht, gab allerdings auch zu bedenken, dass dieser nun deutlich an seine Grenzen stoße, eine Krise nach der anderen, dazu ein Asylsystem, das ursprünglich nur für Menschen wie ihn, also politisch Verfolgte, eingerichtet worden war, nun aber in immer größerer Zahl missbraucht wird, zumal auch noch so viele aus Kriegsgebieten ins Land kommen, die man aus humanitären Gründen aufnimmt, also weit über das eigentliche Asyl hinaus.
(Von Lörrach las ich erst später und dass man dort nun sogar schon langjährigen Mietern ihre Wohnungen kündigt, um Platz für Migranten zu schaffen, weil der Wohnungsmarkt nun einmal leergefegt ist und man den Neuankömmlingen keinesfalls Container zumuten will.)
Wie schon letzte Woche hatten wir auf den beiden Sofas begonnen und wechselten dann an den Esstisch mit der Spitzendecke und nun tauchte seine Frau wieder auf - der Kleine war offenbar eingeschlafen, und ... ihr ahnt es schon? ... wieder war sie beladen mit kulinarischen Köstlichkeiten.
Was mich richtig entzückte, war ihr Anblick, denn hatte sie beim Kennenlernen ihren Kopf noch streng verhüllt, trug sie nun mehr ein Tüchlein als ein Kopftuch.
Farbig, frisch und zipfelig nach hinten gebunden, so dass ich einen Teil ihrer Haare und auch mehr vom Gesicht sah, wirklich schön fand ich das und auch die weite Hose und der senffarbene Pullover standen ihr gut.
Tee in kleinen Gläsern gab es und dazu für M. und mich jeweils einen quadratischen weißen Teller mit einem noch warmen Hörnchen mit Schokofüllung und etliche Plätzchen.
Die sind aber nicht selbstgebacken, oder, wollte ich nach dem ersten Bissen wissen, sahen sie doch absolut perfekt aus und erst der Geschmack ... boah!
Ich war hin und weg, so lecker schmeckten sie und als ich dann fast bedauernd murmelte, dass das Rezept dafür ja vermutlich nur auf Türkisch existieren würde, lachten sie mir beide zu und meinten, das würde sich schon hinkriegen lassen, doch dazu gleich noch mehr.
Wieder setzte sich Ayse nicht zu uns und diesmal war ich so frech, mich danach zu erkundigen, wollte eigentlich wissen, ob es bei ihnen nicht üblich sei, dass Frauen und Männer gemeinsam essen, doch es lief dann auf das Kind hinaus und dass sie eh schon in der Küche gegessen habe.
Mit seinen gewünschten Themen "Mieten einer Wohnung" und "Kleiderkauf" waren wir recht schnell durch, zumal es auch ihm schon aufgefallen war, dass es in Deutschland in Klamottenläden kaum noch Bedienung gibt, also überhaupt keine Koversation stattfindet.
Das sei in seiner Heimat noch anders, erzählte er, mit Betonung auf noch, denn auch dort verändere es sich allmählich, aber noch würden eben die kleinen Geschäfte mit Bedienung überwiegen.
Womit wir dann wieder beim Thema Sozialstaat anlangten, denn nun führte ich aus, dass der Einsatz von Personal hierzulande derartig teuer ist wegen der irrsinnig hohen Abgaben auf alles.
Besonders dramatisch bei Handwerkerstunden, die sich kaum noch jemand leisten kann, sehr zu Lasten von Umwelt und Ressourcen, für die es eine Katastrophe ist, wenn Neukauf günstiger kommt als Reparieren.
Und über diesen Umweg kamen wir dann auch wieder bei den Wohnungen an, die zu seiner Betrübnis in Deutschland oftmals ohne Einbauküche angeboten würden.
Womit er dann mehr wusste als ich, denn bei mir ist es doch sehr lange her, dass ich mich mit so etwas befassen musste.
Im Nu waren anderthalb Stunden herum, ich befand, dass es an der Zeit wäre, mich zu verabschieden, schaute bedauernd auf die zwei Kekse auf meinem Teller, die ich beim besten Willen nicht mehr hatte schaffen können, und fragte einfach, ob ich die womöglich meinem Mann mitnehmen dürfe?
Ohhhh, gut dass du erinnerst ...
Beide begannen zu lachen und berichteten, dass sie es bei meinem letzten Besuch ganz vergessen hätten, denn auch da habe schon etwas für mich bereitgestanden.
Und nun huschte Ayse in die Küche und kam mit diesem Tütchen zurück:
"Made with love", dazu ganz viele Herzchen, ich war so gerührt, dass ich Gänsehaut bekam, bedankte mich auf Türkisch mit "tesekkürler" (leider kann meine Tastatur dieses S nicht, dass sich wie sch spricht), wünschte den beiden ein herzliches "Afiyet olsun" (guten Appetit), was sich ja zwischen uns nun schon zum geflügelten Wort entwickelt hat, und dann zog ich meiner Wege.
Zutiefst befriedigt, muss ich sagen, denn wieder hat das Beisammensein viel Spaß gemacht und dieser Austausch der Kulturen ist ganz sicher für beide Seiten bereichernd.
Schon lange hatte ich mir vorgenommen, mich mal wieder mehr um meine Fremdsprachenkenntnisse zu bemühen, warum also nicht Türkisch?
Zumindest ein paar Brocken kann man ja echt mal lernen ... 😊
F. war aufs Höchste überrascht von der Gabe, die ich ihm mitbrachte, und nach dem ersten Probieren genauso hin und weg vom Geschmack der Kekse wie ich.
Bedanke dich bitte ganz herlich in meinem Namen, was ich natürlich umgehend über WhatsApp erledigte, sogar ein Foto von ihm hänge ich an, damit die beiden sehen, wer sich so sehr gefreut hatte.
Nur zwei Stunden später piepste mein Handy erneut und tatsächlich kam da schon das Rezept.
Ich hatte den Geschmack gar nicht so genau definieren können, hatte irgendwie auf Erdnüsse getippt, sah nun aber, dass es sich um Kokos handelte.
Das Rezept hatte er sicher ganz mühsam ins Deutsche übersetzt, ich musste ein wenig daran heruminterpretieren, kam dann aber zu dem Schluss, dass die Zutaten die folgenden sind:
200 g Schokolade, gern hell und dunkel gemischt
100 g Zucker
1 Ei
200 g Mehl
70 g weiche Butter
100 g Kokosflocken
1/2 Päckchen Backpulver
1 Vanilleschote
Für den Ablauf schickte er den Link zu diesem Video mit und eigentlich erklärt sich damit alles von selbst, besonders den Trick mit dem Glas am Ende finde ich klasse und werde es sicherlich ausprobieren.
160°, vermutlich bei Umluft, sonst 180, denke ich und zur Backzeit war leider nur angegeben, bis sich die Ränder leicht bräunen.
Ich tippe auf etwa 10 Minuten, dürfte sich hinkriegen lassen, oder? 😉
Tja, das waren sie also, meine gestrigen Erlebnisse, für nächste Woche haben wir noch keinen festen Termin ausgemacht, weil sein Deutschkurs dann weitergehen soll und er noch nichts Genaueres wusste.
Dafür haben wir ja WhatsApp, also alles fein und nun muss ich mich wohl oder übel in den Regen stürzen, um ein paar Einkäufe zu erledigen.
Habt einen schönen Tag und ... bleibt bitte gesund! 😀
Hier gibt es sogenannte Repair Cafe's. Dort kann man seinem Gerät welches defekt ist auftauchen und das mitgebrachte Teil wird kostenfrei oder gegen eine kleine Spende instandgestzt. Das finde ich sehr lobenswert. Das ist besser als das Teil weg zu werfen. Regen, ist hier keiner in Sicht. Heute Nachmittag werde ich wieder eine Runde drehen.
AntwortenLöschenJa, von diesen Läden habe ich auch gehört, leider gibts hier keinen und - hihi, ich stelle es mir auch recht mühsam vor, wenn man dann die Spülmaschine nach dort schleppt.
LöschenAber ansonsten eine wirklich gute Sache!
Gehst eine neue Tour fürs Wandern erkunden?
Wünsche dir auf jeden Fall viel Spaß und gutes Wetter, hier regnet es nämlich.
Liebe Rex-Mama, heuer brauche ich nix zu erkunden. Ich nehme eine mir bekannte Strecke. Ich denke auch, dass es sehr mühevoll ist die spülmaschine dort hin zu schleppen. Hier bei uns gibt es so eine Einrichtung und 5 Kilometer weiter die nächste.
LöschenWieder ein sehr, sehr schöner Eintrag, liebe Rex-Mama!
AntwortenLöschenDu weißt ja, dass ich nicht so lieb wäre und kostenlos Nachhilfestunden geben würde, aber inzwischen denke ich, dass die Zeit mit M. zwar nicht die Haushaltskasse aufbessert, aber anderweitig sehr bereichernd ist :-)
Ich war nie in einer türkischen Familie zu Besuch, habe "nur" im Fernsehen gesehen, dass sie ihre Wohnung auch nicht mit den eigenen Straßenschuhen betreten oder mit den Hausschuhen vor die Tür gehen. In Mietshäuser gibt es immer Ärger, wenn die Schuhe vor der Tür stehen (Brandschutz oder so).
Hier ist es immerhin so, dass man schon im Flur seine Schuhe auszieht und auch immer eine Sitzgelegenheit da ist, um das Wechseln leichter zu machen.
Schön, dass die Frau schon nach dem ersten Kennenlernen freier ist! Kann nachvollziehen, dass sie sich zurückzieht, wenn der Mann seinen Gast da hat.
Gerade überlege ich, ob ich mal von meinen Erlebnissen in der norddeutschen Provinz erzählen soll.... da ist das Verständnis für Geschlechtermix teilweise auch noch nicht so recht angekommen - obwohl es dort in der Kirche immerhin keine Männer- und Weiberseite gab :-)))
Da habe ich schon mal ein wenig gelästert: https://nichtnuroma.wordpress.com/2018/05/24/norddeutsche-maenner/
Über die Kekse wäre ich auch entzückt gewesen.
Wie ist das eigentlich bei Türken? Bei Griechen und Italienern darf man nicht aufessen, sonst kriegt man die nächste Ladung auf den Teller, und wenn man nicht aufisst, muss man erklären, dass es himmlisch schmeckt, man aber leider nicht ganz pässlich ist :-)
Appetit braucht man sich zum Glück nicht ständig wünschen....
Lieben Gruß :-)
Genau, liebe Hermine, zwar hätte ich auch nichts gegen eine kleine Aufbesserung der Haushaltskasse, andererseits finde ich es aber nicht gut, wenn jeder nur noch bereit ist sich zu bewegen, wenn es Geld dafür gibt, aber vor allem macht es mich so auch absolut druckfrei, d.h. ich habe nie das Gefühl, nun musst du unbedingt und bring ja was fürs Geld, sondern es ist sehr viel lockerer.
AntwortenLöschenUnd Spaß macht es ganz nebenher auch noch, wie du es sagst, es ist wirklich bereichernd. 😊
Über deine Spülmaschinengeschichte habe ich laut gelacht, habe aber ganz ähnliche Erfahrungen auch im Süden gemacht.
Beim Schränkeaufbauen waren die Männer ziemlich verblüfft, dass ich es war, die die Rettende Idee hatte, und ganz toll wurde es, als im gemeinsamen Skiurlaub ein vierter Mann fürs Skatspielen gesucht wurde.
Als ich mich anbot, guckten sie fast ratlos und kratzten sich die Köppe, das konnte doch wohl nicht angehen, dass eine Frau meinte, mit ihnen mithalten zu können?
Was sie nicht ahnten, war, dass wir während der Schulzeit, die ja noch gar nicht lange vorüber war, ungeheuer viel und richtig harten Skat gedroschen hatten.
Ich hätte locker bei jedem Turnier mitmachen können und nun staunten sie Bauklötze, als ich sie, zunächst völlig unbemerkt von ihnen, mit einem Durchmarsch regelrecht abzockte.
Von da an kam nie wieder ein Zweifel auf, ob ich mitspielen dürfte, kicher, heutzutage bräuchte man dafür vermutlich eine Skat-Frauenquote. 😁
Mit der Kiche hast du mich ans Dörfli erinnert. Dort gab es eine uralte mit wunderschöner hölzerner Empore und tatsächlich gingen die Männer dort hinauf, während die Frauen mit den Kindern unten blieben.
Emanzipatorisch sicher nicht sehr fortschrittlich, aber beim Gesang machte es sich dann schon bemerkbar, wenn die Stimmen aus verschiedenen Richtungen kamen.
Wie das hier mit Sitzgelegenheiten in Treppenhäusern liefe, weiß ich gar nicht, nur dass ständig und überall geklaut wird.
Und wie es sich bei Türken gehört, also aufessen oder Rest übriglassen, weiß ich auch nicht, ist mir aber ehrlich gesagt auch wurscht, ich werd es ihnen schon unterjubeln, wie es gemeint ist. .😉
Lieben Gruß zurück! 😊
Das ist auch so eine Unsitte, liebe Rex-Mama, dass man nicht aufessen soll. Ich kenne das aus den USA ("to leave a little something for Mr. Manners") - das muss dann weggeworfen werden?
AntwortenLöschenFreut mich, dass deine anfängliche Skepsis verflogen ist und auch Gül kein Thema ist.
Bei uns ist eine solche Begleitung von Geflüchteten oder Migrant:innen immer ehrenamtlich. Wie gesagt, ich kenne einige, die das machen oder gemacht haben. Ist als Beitrag zur Gesellschaftsarbeit zu sehen, finde ich.
Bei den Keksen mache ich es manchmal so, dass ich beim Backen zwischendurch drauftupfe und so probiere, ob sie schon fertig sind (Wenn sie sich nimmer eindepschen lassen, nämlich).
Klingt insgesamt nach gelingender Völkerverständigung :)
Lieben Gruß
Ja, liebe Sparköchin, genau diese Unsitte hat mein amerikanischer Schwager auch an sich und ich koche jedes Mal innerlich, weil es schlicht eine Schande ist ums Essen.
AntwortenLöschenEhrenamtliche Arbeit wird bei uns, glaube ich, oft mit einer kleinen Aufwandsentschädigung belohnt, was ich auch sinnvoll finde, denn viele haben jeden Zusatzcent bitter nötig und so ist der Anreiz auch bissl größer.
Das setzt aber natürlich irgendeine offizielle Stelle voraus und mir ist es auch so recht, wie es im Moment läuft.
Beim Keksebacken verlasse ich mich eigentlich immer auf Uhr und vor allem Auge, aber raffiniert fand ich in dem Video den Trick mit dem Weinglas, den ich sicher ausprobieren werde.
Lieben Gruß zurück! 😀
Natürlich hat alles mindestens zwei Seiten... :-)
AntwortenLöschenGrundsätzlich richte ich mich schon nach der Devise "was nichts kostet, ist nichts wert". Ich glaube, wenn mein Vater immer nur lieb gewesen wäre und schnell mal was repariert hätte, wäre er ganz schnell pleite gewesen. Ich hab auch schon mit 10 Jahren Geld fürs Aufpassen von zwei Nachbarskindern bekommen, zwar nur 1 DM am Nachmittag, aber für mich war das Reichtum pur. Taschengeld gab es nicht bei uns.
Aber natürlich gibt es auch Fälle, wo ich denke, ach, da kann ich doch einspringen, ist ja kein Aufwand. Oder es ist was, das ich sowieso gern mache.
So lange ich mir das leisten kann, was ich möchte....
Muss aber jeder selbst wissen.
Davon kann ich immer mehr nur noch träumen, mir das leisten zu können, was ich möchte, statt dessen heißt es ja nun den Gürtel immer enger zu schnallen.
AntwortenLöschenDass nichts wert ist, was nichts kostet, sehe ich eigentlich genau andersherum, denn für mich sind die Dinge am kostbarsten, für die keine Gegenleistung erwartet wird. Wäre eine Gesellschaft ganz ohne uneigennützige Hilfsbereitschaft nicht eine entsetzlich kalte?
Beim kindlichen Schaffen können wir uns dafür aber die Hand reichen.
Ich war neuneinhalb, als ich noch eine kleine Schwester bekam, und fortan hatte ich sie an der Backe, musste sie viele Jahre lang hüten, ständig mit mir herumschleppen, allerdings ohne jede Bezahlung, genau wie ich fürs viele Malochen im Haushalt nie etwas bekam.
Zwar hatte ich Taschengeld, aber nur ein sehr kleines, und so begann ich mit 12 Jahren Nachhilfe zu geben - bei fremden Kindern und das dann natürlich gegen Bezahlung, außerdem trug ich wöchentlich Zeitungen aus, bergeweise schwere Illustrierte, nur leider durfte ich das verdiente Geld nicht einfach so ausgeben, sondern musste es genau mit Muttern abrechnen und in ein Töpfchen packen für größere Dinge.
Die Liste lag immer dabei, etwas mopsen ging also nicht, aber immerhin konnte ich mir so ein großes gelbes Schlauchboot finanzieren (das dann leider geklaut wurde) und vor allem meine Tanzschulkurse, die ich ohne Arbeiten gar nicht hätte machen können.
Ach ja, und an der Ostsee arbeitete ich mitunter auch, hing immer von dem Ort ab, in dem wir die Sommerferien verbrachten, denn in dem einen hatten meine Eltern Freunde, die eine Bäckerei mit angeschlossenem Lokal und Pension besaßen und auf der Strandpromenade noch einen Laden.
Dort wurde ich dann morgens als Zimmermädchen tätig und nachmittags stand ich im Laden, wurde mit kleinem Geld dafür bezahlt und wenn ich Feierabend hatte, freute sich die Familie ein Loch in den Bauch, weil mir Tante Antje immer eine große Tüte mit Teilchen einpackte, die abends eh nicht mehr verkauft worden wären. 😀