Freitag, 13. September 2024

Russe, Rasen, Regen

So lauten die Stichwörter auf dem Schmierzettel neben dem Läppi, auf dem ich immer kurz notiere, was der Tag so brachte und was ich eventuell in den nächsten Eintrag packen könnte, und tatsächlich stand alles drei in direktem Zusammenhang, denn nur wenn Ersterer rechtzeitig käme, würde ich Zweiteres schaffen, bevor Dritteres wie angekündigt einträfe.

Wobei ich zunächst aber noch gar nichts davon wusste, dass es sich bei Ersterem um einen Russen handeln würde, denn es ging ja um den Gasmann, der mir am Vorabend ein Zeitfenster zwischen 8 und 12 Uhr angekündigt hatte.

Noch war es trocken draußen, ich lud sicherheitshalber mal den Akku des Rasentrimmers auf und schaute dann immer wieder sorgenvoll zum Himmel, während ich beide Telefone bewachte, weiß man doch nie, ob die nun über Festnetz oder Handy anrufen.

Um viertel nach zehn war es dann endlich so weit, es bimmelte und ein sehr nett klingender Mann teilte mir mit, dass er in ca. 20 bis 30 Minuten da sein würde. 

Immer wieder staunen wir, wie viele Mitarbeiter diese Firma haben muss, denn fast immer kommt ein neues Gesicht und meist sind es Ausländer, was für mich bedeutet, Vorsicht wegen Rex, denn im Islam sind Hunde teilweise nicht gerne gesehen bzw. man hat Angst vor ihnen.

Allen ist gemein, dass sie anrufen, bevor sie hier aufschlagen, die meisten tun es etwa fünf Minuten vorher, ideal für mich, denn dann kann ich Rex suchen und entweder in den Garten aussperren oder ihn anleinen und F. übergeben, der sich dann mit ihm ins Wohnzimmer verzieht.

Die schlechtere Variante ist ein so früher Anruf wie jetzt, denn das sind Zeitangaben, die deren Navy ausspuckt, und ich weiß nie, inzwieweit sie zuverässig sind.

Tue ich Rex zu früh weg, wird er unruhig und kann richtig unangenehm werden, bin ich aber zu spät dran und finde ihn nicht gleich, steht der Mitarbeiter womöglich blöd vor der Haustür.

Deshalb warnte ich ihn nun vor, dass es einen kurzen Moment dauern könnte, bis ich öffne, er solle sich bitte nicht wundern darüber, ich sei auf jeden Fall zu Hause.

Zu meiner Überraschung sagte er: "Was ist das denn für ein Hund? Wenn er nicht beißt, können Sie ihn ruhig laufen lassen, ich habe keine Angst."

Oha, das hatten wir erst ein Mal, aber es nützte ja eh nichts, denn während des Füllvorganges steht die Haustür offen und sollte draußen ein Hund vorbeilaufen, versteht Rex das als Einladung.

Dann lief es etwas überstürzt ab, der Bub hatte sich grad entschlossen, vom Garten ins Haus zu kommen, ich stand in der Küche am Fenster, er direkt hinter mir, als ich den Wagen vorfahren sah, also musste ich ihn mir gleich schnappen, ihn anleinen und ... zu seinem Leidwesen dann in Richtung Wohnzimmer zerren, statt mit ihm Gassi zu gehen.

Fand er gar nicht geil und so lieferte er F. ein derartiges Theater, dass der kaum damit fertigzuwerden wusste.

Was natürlich auch der Monteur mitbekam, den ich inzwischen ins Haus gelassen hatte.

Ob er ihm mal guten Tag sagen dürfe?

Natürlich, und er wurde sogar spielend damit fertig, dass Rex gleich mal an ihm hochsprang, so außer Rand und Band, wie er ja eh schon war.

Er sei mit Dobermännern aufgewachsen, erzählte er und habe auch jetzt einen, wenn auch nur eine Miniversion, weil er wegen seiner Arbeit für einen großen einfach nicht genug Zeit habe.

Während er seine Schläuche anschloss, musste ich ihn kurz alleine lassen und mich um meine beiden Männer kümmern, denn F. kam gar nicht klar, keifte Rex in seiner Not an, der dadurch aber noch unbändiger wurde. 🙄

Als der Tank voll war und ich unterschrieben hatte, wollte der Monteur dem Büble noch auf Wiedersehen sagen und verabschiedete sich von ihm mit dem Satz: "Pass du immer gut auf hier!"

"Das ist inzwischen mehr als nötig", sagte ich, er nickte heftig und dadurch kamen wir noch einmal ins Gespräch.

Er sei seit 1996 im Lande erzählte er und das sei nicht mehr das Deutschland, in das er damals einwanderte, es sei nicht mehr schön hier.

Der zeitliche Zusammenhang und sein leichter slawischer Akzent ließen mich fragen, ob er damals aus dem ehemaligen Jugoslawien gekommen sei, er verneinte, denn er sei Russe, genauer gesagt eine Mischung aus Russland und Polen, aber gelebt hätten seine Eltern in der Ukraine.

"Zu wem soll ich mich hier noch zugehörig fühlen?", fragte er mich und ich konnte nur ratlos mit den Schultern zucken und musste an diesen Artikel des Sozialforschers Andreas Herteux denken, den ich vor zwei Tagen las: "Es gibt gar keine deutsche Gesellschaft mehr"

Im Grund hatte der Monteur es mit seiner Frage perfekt auf den Punkt gebracht und genau das ist es ja auch, was ich bei A. und M. immer erlebe - da ist überhaupt nichts mehr, in das sie sich "integrieren" könnten, nur eben die eigene türkische Community.

Mir scheint, dass es in der Türkei - auch abgesehen von der Religion - viel mehr als hier gibt, mit dem sich alle mehr oder weniger verbunden fühlen.

"Türken sind immer krank, laufen ständig zum Arzt", sagte M. beispielsweise mal augenzwinkernd zu mir und beide stellen mir oftmals Fragen, wie Deutsche denn dies oder jenes handhaben, die ich so nie beantworten konnte, scheiterte ich doch sogar schon an einer Antwort, als sie wissen wollten, wo man hier so richtig deutsch essen gehen könnte. 🙄

Im Grunde kann man ja noch nicht einmal eindeutig sagen, seit wann es Deutschland überhaupt gibt, geht man vom "Deutschen Reich" als erstem deutschen Nationalstaat aus, wäre es das Jahr 1871, aber seitdem haben sich die Grenzen ja immer wieder verschoben und irgendwie bleibt es ein mutwillig zusammengesetztes Konstrukt aus ganz unterschiedlichen Volksgruppen.

Dazu dann noch die immense Einwanderung, tja, wo hinein soll man sich also integrieren?

Von den paar Häusern in unserer Querstraße wurden in den letzten Jahren zwei verkauft, beide wurden von streng religiös lebenden muslimischen Familien übernommen. Von der einen ahne ich nicht mal das Herkunftsland, weiß nur, dass der Mann als Installateur arbeitet, weil er seinen Arbeitsbus gerne mal übers Wochenende vor mein Küchenfenster stellt, und die andere lebt nun direkt neben U.

Bis vor Kurzem gab es zwischen den Höfen einen nachbarschaftsfreundlichen Zaun, ab und zu sahen wir nebenan eine Frau mit Kopftuch herumhuschen, wenn wir bei U. im Freien saßen, doch nun hat man diesen Zaun durch einen höheren und völlig blickdichten ersetzt, weil die Dame des Hauses Angst hat, von Männern gesehen zu werden.

Schade, so bekommt unsere einst so schöne Nachbarschaft allmählich einen Hochhauscharakter, jeder kocht sein eignes Süppchen und keiner schaut mehr nach rechts oder links.

Wenn ich in ein anderes Land auswandere, kann man mich dann als integriert bezeichnen, nur weil ich - wenn überhaupt - die Sprache spreche und mich - wenn überhaupt - selbst ernähren kann?

Eigentlich sollte Integration mehr beinhalten, nämlich auch einen sozialen Aspekt, nur - wohin integrieren, wenn eh alles zerfasert und gespalten ist?


Der Rest ist schnell erzählt, denn kurz nachdem ich mit dem Rasentrimmen fertig war, begann es zu regnen. Der Moneur war gerade noch rechtzeitig gekommen, sonst hätte ich das nicht mehr geschafft und hätte nun noch ein Teil mehr, was ich vor mir herschieben müsste. 


Unnu muss ich hurtig los zum Einkaufen ...


Habt einen schönen Tag und ... bleibt bitte gesund! 😉



 

4 Kommentare:

  1. Hallo, Liebe "Rex-Mama!"

    So nun aber! - Gestern Abend saß ich hier schon einmal vor deinem Blog, konnte jedoch keinen klaren Gedanken mehr fassen.

    Da wird mir im Magen ganz flau, wenn ich mir vorstelle ein Schäferhund oder ein Dobermann würden an mir hochspringen.
    Zumal ich Dobermänner seit Magnum aus meiner Kind- und Jugendzeit schon nicht mochte. - Da ist mir "Rex" viel lieber. :)

    Das mit dieser nur in der eigenen Blase leben ist auch hier ausgeprägter als ich dachte. - Zumal im Adenauerring man zurzeit selten mal einen Nationalitäten-Mix sieht. - Wenn, dann noch am ehesten unter Jugendlichen. Denen scheint es wohl noch am "egalsten" zu sein, wer mit wem da unterwegs ist.

    Bei uns in der Straße wurde jetzt auch zwei frühere einsehbare Höfe, in die mir hineinschauen konnte, sich zugewunken hat, praktisch von heute auf morgen zugebaut. - Die zwei Höfe wirken jetzt mehr wie eine Festung, wie ein Häuschen mit Zaun.

    Das nach rechts und links schauen dürfen wir nicht verlieren. Das ist die Basis fürs Zusammenleben.

    Genau das ist es, der soziale Aspekt, der muss in den Vordergrund gerückt werden. Damit würde man auch Spaltung verhindern!

    Ob ich jede wieder die Fantasie loswerde, dich hinter einer Hotelrezeption zu sehen?



    Liebe - auf meinem Schmierzettel standen heute die Begriffe: Blog von Rex-Mama kommentieren, Silber Hochzeit und Menschsein - Grüße
    Vom lifeminder

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    1. Kicher, lieber lifeminder, die beiden hätten bei mir sicher auch für ne nasse Büx gesorgt, wäre ich ihnen begegnet, vor allem dem Umstand geschuldet, dass sie so gefährlich aussahen, weil man ihnen damals noch Schwanz und Ohren abschneiden durfte. 😡
      Inzwischen ist diese Quälerei zum Glück verboten, nun wirken sie wie ganz normale Hunde und können tatsächlich auch richtig lieb sein.
      U. war ja beim Gassigehen mal ein Dobermann zugelaufen, auch sie hatte erst mal Muffe, rief ihren Mann zur Hilfe und schließlich nahmen sie das Tier mit nach Hause.
      Auf einen Anruf hin ging ich rüber, setzte mich auf den Boden und ließ ihn erst mal kommen.
      Meine Güte, war das ein toller Hund. Schade, dass sich der Besitzer fand, ich hätte ihn sonst glatt behalten. :-))
      Deinen Satz mit "... viel ausgeprägter, als ich dachte ..." finde ich sehr, sehr wichtig, denn leider leben auch viele aus dem links-grünen Spektrum in ihrer eigenen sozialromantischen Blase, bauen einen mächtigen moralischen Druck auf und fordern nach immer noch mehr Zuzug von Migranten, was natürlich leicht ist, wenn man in seinem Elfenbeinturm sitzt und gar nicht mitbekommt, was besonders in den Großstädten los ist.
      Als wir damals unser Freibad retteten, arbeiteten wir eng mit der örtlichen Linken zusammen, wo ich übrigens auch öfter mal auf Sitzungen war und überlegte in die Partei einzutreten.
      Einer von ihnen war Rettungssanitäter und nie werde ich vergessen, wie er uns vor einem Baggersee hier in unmittelbarer Nähe warnte.
      Es sei wegen der Jugendbanden viel zu gefährlich, dort noch hinzugehen, sagte er, denn es würden alle aufeinander losgehen, Türken gegen Araber, Kurden noch mal für sich, Russen gegen alle und dann seien da ja auch noch die Afrikaner usw.
      Das war einige Jahre vor der so genannten Flüchtlingskrise und verbessert hat sich seitdem ganz sicher nichts.
      Und was die Älteren angeht, hm, im Gegensatz zu uns Deutschen verfügen sie in der Regel über gehörigen Nationalstolz in Bezug auf ihr Herkunftsland, auch von A. bekomme ich beispielsweise immer wieder mit, wie sie über Läden die Nase rümpft, weil die "ja arabisch seien" ...
      Hinzu kommt die Religion als oftmals ungeheuer trennendes Element. Wenn jemand so sozialisiert und dazu erzogen wird, Andersgläubige zu verachten, dann kann man da nicht mal eben ein paar Worte sagen und damit einen Schalter umlegen - sehr schwierig alles, zumal ich es auch mitbekomme, wie muslimische Jungs in den Schulen mächtig Druck auf die Mädels ausüben, sie sollen gefälligst Kopftücher tragen usw.
      Spaltung "verhindern" kann man nicht mehr, denn sie ist ja längst da. Noch funktionieren "Brot und Spiele" einigermaßen, aber wehe uns, wenn die Rezession fortschreitet und die Sozialgelder nicht mehr so üppig fließen, dann kann uns der ganze Laden gewaltig um die Ohren fliegen.

      Liebe Menschsein-ist-eine-gute-Idee-Grüße zurück! :-)

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  2. Herzlichen Dank für diese sehr ausführlich und großartige Antwort auf meinen Kommentar.

    Ich weiß, dass du schon eins, zweimal über die Schwimmbadrettung in den vergangenen Jahren berichtet hast. - Gab es dazu auch mal einen Blog?

    Ob ich mir die "Rex-Mama" bei den Linken vorstellen kann? - Da muss ich nochmals drüber nachdenken. Hinter Hotelrezeptionen kann ich das ja bekanntlich sehr gut. ;)

    Ich finde es echt schön, was für ein Puzzle sich danach und nach von der "Rex-Mama" beim Lesen zusammensetzt.



    Liebe - Wohlgefühl - Grüße
    Vom lifeminder

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    1. Die Rettung zumindest unseres Freibades war damals eine riesige Aktion, weil wir ja Zehntausende Menschen aktivieren mussten, um gegen die Stadt zu siegen.
      Mein Part war es, die Leute über FB auf dem Laufenden zu halten und immer wieder zum Mitmachen zu bewegen - hihi, eigentlich hatte ich nur mal bei der allerersten Veranstaltung zu hören wollen, schon hing ich mittendrin.
      Das war allerdings 2013, ein Jahr bevor Rex zu uns kam und da ich erst wegen ihm mit dem Bloggen anfing, hielt ich da also noch nichts fest, außer auf der entsprechenden FB-Seite natürlich. ;-)
      Das mit der Linken hatte ich etwas verkürzt dargestellt, denn tatsächlich war es die WASG, die mich gereizt hatte, weil mein Herz schon immer für die Benachteiligteren und eine etwas gerechtere Aufteilung schlug.
      Die Sitzungen irritierten mich dann aber erheblich, weil, selbst wenn nur 15 Leute da saßen, zuvor eine Redeliste erstellt wurde. d.h. sagen durfte man nur was, wenn man das zuvor angemeldet hatte.
      Das ist nicht meine Art, weiterführende Diskussionen zu führen, und als sich dann die WASG mit der PDS, also der direkten Nachfolgepartei der SED zusammenschloss, war ich raus aus der Nummer, zumal man dann ja auch gemeinsam mit den Grünen begann, das, was die deutschen Steuerzahler erwirtschaften, nicht nur unter den eigenen Bedürftigen, sondern am liebsten unter immer noch mehr Menschen aus aller Welt verteilen zu wollen.
      Was nach meinem logischen Empfinden nicht gutgehen konnte und es ja auch nicht tut, wie man nun mit scheinbar großer Verblüffung feststellt.
      Statt Hotel-Rezeption hatte ich also Politik ins Auge gefasst, aber das sollte wohl nicht sein ... ;-)))

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