Allmählich frage ich mich, wo ich sie immer wieder hernehme, denn mitunter bin ich wirklich nahe an der Panik und muss mich erheblich dazu zwingen. nicht wirklich in sie zu verfallen, sondern mich zusammenzureißen.
Letzte Nacht blieb es ruhig auf WhatsApp, also ging ich davon aus, dass F. friedlich schlafen würde, und um fünfe schickte ich ihm dann ein fröhliches "Guten Morgen".
Nix, okay, also pennte er sicher noch, wobei ich aber davon ausging, dass es vermutlich bald rummeliger werden würde auf der Station.
Ich arbeitete an meinen Umfragen, behielt dabei WhatsApp im Auge und um sechse noch einmal: "Guuuuten Mohorgeeen..."
Wieder nix und um sieben Uhr noch einmal das gleiche Spiel.
Als sich auch bis halb acht nichts rührte und ich nicht das kleinste Lebenszeichen bekommen hatte, versuchte ich ihn anzurufen, zumindest das musste er doch hören?
Nichts, er nahm weder ab noch kam er online und nun sank mir das Herz vollends in die Hose, denn er ist ja nicht mehr auf Intensiv, wird also nicht mehr überwacht und allzu präsent ist es noch in mir, wie mein Papa nachts in seinem Einzelzimmer versucht hatte, aufs Klo zu gehen, dabei stürzte, alleine liegen blieb und dann dank Marcumar so schwere innere Blutungen erlitt, dass er sich davon nicht mehr erholte.
Zwei, drei Minuten brauchte ich, bis ich mich traute im KH anzurufen, dann überwand ich mich, ließ mich mit der Station verbinden und erfuhr, dass die Schwester gar nix wusste.
Die Kollegen seien grad auf Weck-, Wasch- und Betten-mach-Runde, sie würde Bescheid geben, dass man nach ihm gucke.
Und siehe da, nur zwei Minuten später sah ich ihn online kommen ... unbeschreiblich, wie dick der Felsen war, der mir in dem Moment von der Seele purzelte. 😊
Wenige Stunden später war ich vor Ort und fand meinen Mann endlich in seinen eigenen Klamotten wieder - wie herrlich lebendig doch so ein orangefarbenes T-Shirt wirken kann. 😀
Dann tauchte eine junge Frau von vielleicht 30 Jahren auf, etwas kühl wirkte sie und sehr geschäftig, als sie sich als Therapeutin vorstellte, sie habe eine Pfeife für F. dabei, mit der er Atemübungen machen solle.
Das Beantworten ihrer Fragen übernahm ich, denn sie tat sich schwer, F.s Schwäbisch zu verstehen, das er im Liegen tatsächlich etwas schwer verständlich herausquetschte, und so kamen wir in ein immer netteres Gespräch, während ich ihr ein wenig assistierte.
"Wie ist das, mögen Sie etwas Kaltes auf dem Rücken?", fragte sie F., ich sah, wie er erschrocken zusammenzuckte, denn wenn er eines nicht mag, ist das Kaltes, aber da ich erkannte, was sie vorhatte, nämlich ihn mit einem Gel (so in Richtung Wick) einstreichen, mischte ich mich ein und sagte: "Doch, das mag er, legen Sie ruhig los."
"Ui, Sie kennen ihn aber gut?"
"Wäre ja komisch, wenn das nach fast 40 Jahren nicht so wäre", sagte ich lachend und nun schaute sie fast andächtig:
"40 Jahre? Ich bin gerade mal ein Jahr verheiratet und frage mich immer, wie man das sooo lange schafft. Haben Sie da Tipps für mich?"
"Den einen Tipp gibt es ganz sicher nicht", antwortete ich, "aber was bei uns ganz wichtig ist, ist der Humor! Außerdem gehört gegenseitige Toleranz dazu, man sollte nicht erwarten, dass der andere sich immer so verhält, wie man es selber gerne hätte. Verbiegen Sie ihn nicht, suchen Sie lieber nach Kompromissen, mit denen beide leben können. Kein gegenseitiges Piesacken mit Erwartungshaltung, Launen oder gar Eifersuchtsdramen und ... pflegen Sie eine gesunde Streitkultur.
Ich selbst bekam es zu Hause anders vorgelebt und musste es von meinem Mann erst lernen, dass man sich auch mal richtig offen zoffen kann, vorausgesetzt, das wird kein Dauerzustand und man versteht die Wogen danach auch wieder zu glätten ..."
Und so weiter und so fort, bei manchen Punkten wurde sie sehr nachdenklich, zumal als ich dann auch noch sagte: "Und man muss es natürlich wirklich wollen, also an der Beziehung arbeiten, statt beim kleinsten Widerstand alles hinzuschmeißen. Glauben Sie mir, wir zwei waren mehr als einmal nahe dran, aber wir wollten es beide und haben die Sache dann auch wieder hingekriegt. Also nicht gleich aufgeben ..."
Inzwischen hatte F. brav mit der neuen Pfeife trainiert, ich versprach, weiter ein Auge darauf zu haben, dass er es richtig mache, und sie kündigte an, morgen wiederzukommen.
Den größten Teil seines Mittagessens bekam ich dann auch noch in ihn hinein und war mit allem recht zufrieden, bis auf den Umstand, dass ich keinen Arzt zu fassen bekam, aber trotzdem irgendwann abhauen musste, weil ich mich noch mit der Sauerstofffirma in Verbindung setzen wollte und auch noch ein paar Kleinigkeiten einkaufen musste.
Später schrieb mir F., dass sie ihn mitsamt seinem Bett zum Ultraschall gefahren hatten, Lunge, Herz, Blase, Galle - offenbar waren sie mit allem sehr zufrieden, was ich sehr, sehr gerne las.
Und nun muss ich mich hurtig auf meine Umfragen stürzen, bevor ich mir irgendwann ein kleines Frühstück servieren werde.
Habt einen schönen Abend und ... bleibt bitte gesund! 😉
Hallo, Liebe "Rex-Mama!"
AntwortenLöschenDein Beitrag hat mich einmal mehr tief berührt. Vielleicht liegts derzeit besonders an dem was dir so wiederfährt und an der Vorweihnachtszeit.
Es ist beeindruckend, wie du diesen ständigen Balanceakt zwischen Sorge und Hoffnung meisterst.
Ich konnte förmlich den Stein hören, der dir vom Herzen fiel, als F. endlich online war.
Ihr seid wirklich über diese 40 Jahre gewachsen. Alles andere wäre auch seltsam? - Gerade gestern hatte ich den Podcast "Alles gesagt" mit "Stefanie Stahl" gehört. Der bekanntesten Psychologin Deutschlands. Die ähnliches dort thematisiert.
Ob deine Zuversicht wohl dein größter Antrieb ist?
Alles Gute auch weiterhin für euch beide.
Liebe - Wochenteiler - Grüße
lifeminder
Das ist eine interessante Frage, lieber lifeminder, aber ich glaube, Zuversicht ist der falsche Ausdruck, denn tatsächlich geht es wohl mehr ums Wollen.
LöschenWILL ich aus der verbleibenden Zeit das Beste machen oder will ich mich lieber durchhängen lassen?
Gerade habe ich mal die Suchmaschine nach Stefanie Stahl befragt, von der ich noch nie gehört hatte.
Wer mag sie denn wohl zu "Deutschlands bekanntester Psychologin" erklärt haben?
Liebe Mitte-der-Woche-Grüße zurück! :-)
Überall wo man sie hört, wird sie als "Deutschlands bekannteste Psychologin" vorgestellt. Sie hat wohl auch schon etliche Bücher geschrieben. - Sie wirkt sehr menschlich. Ich war erstaunt über ihre Unsicherheit und das sie sich wohl auch selbst hinterfragt, selbst offen über Fehler spricht - und das nicht belehrend.
AntwortenLöschenLiebe - Donnerstag ohne Donner - Grüße
Vom lifeminder