Sonntag, 26. Mai 2024

"Fresssäcke werden nicht geboren, ...

 ... sie werden erzogen!"

Das war ein Spruch, den wir als Kinder ständig von unserer Mutter zu hören bekamen, weil sie damit nämlich begründete, dass bei uns Süßes unter Verschluss war, wenn denn überhaupt im Hause.

Sprich, wir durften uns nicht einfach bedienen, sondern bekamen Schokolade etc. zugeteilt, und das auch nur auf Anfrage.

Im Grunde war das gar nicht so verkehrt, denn wir waren alle gertenschlank, zumal wir ja auch immer Sport trieben und uns reichlich bewegten, nur ... besser erklären hätte sie es sollen, denn so empfand zumindest ich es als puren Zwang, wie bei so vielen anderen Dingen ohne scheinbare Notwendigkeit.

Beizeiten stand ich auf eigenen Füßen und es funktionierte weiter. Ich war gar nicht zum Schlemmen erzogen worden, auch die Lust auf Süßkram hielt sich bei mir in Grenzen und überhaupt war Essen für mich Nebensache. Ich tat es, um satt zu werden, betrieb aber kaum Aufwand darum - die Figur dankte es mir.

Dann änderte sich alles, als F. zu mir zog. Seine Mutter hatte ungeheure Angst, dass es "ihrem Jungen", der sich bis dahin ja im Hotel Mama eingerichtet hatte, nun nicht gut genug ergehen könnte, und ich dumme Nuss wollte sowohl ihr wie auch meiner eigenen Mutter beweisen, dass ich allem gewachsen war.

Also kochte ich, was das Zeug hielt, und fing auch mit dem Backen an. 

In der Firma wollte ich nichts aufs Beisammensein mit den Kollegen in der Mittagspause verzichten, ich aß in der Kantine und dann abends noch einmal mit F.

Viel zu viel, zudem übersah ich, dass F. als Mann einen anderen Kalorienumsatz hat und bei der Arbeit körperlich mehr gefordert war als ich.

Ruckzuck war das Kind in den Brunnen gefallen und als ich endlich kapierte, dass meine Sprüche wie "das ist Veranlagung" oder "bei mir hat das andere Ursachen als das Essen" wirklich nur Ausreden waren, schleppte ich bereits 40 kg zu viel mit mir herum.

Schon vor Jahrzehnten begann ich mit dem Intervallfasten, was mir immerhin half, den Status quo zu halten, nur abnehmen tat ich dadurch nicht, dafür war dann 2008 eine drastischere Maßnahme nötig. Mit großem Erfolg und seitdem bewege ich mich gewichtsmäßig im Normalbereich und damit bin ich auch endlich wieder beim Thema, denn eigentlich hatte ich es daheim ja gelernt, wie es geht.

Das kann dabei herauskommen, wenn man nur erzieht, ohne dabei auch für Verstehen, für die nötige Einsicht zu sorgen, und dementsprechend gingen Mutterns "Schüsse" ja auch in mancherlei anderer Hinsicht nach hinten los.

Wie sehr uns - neben anderen Einflüssen - das Elternhaus prägt, darüber denke ich seit meinem gestrigen Eintrag viel nach, denn es ist nicht zu übersehen, wie das Ergebnis aussieht, wenn in sich selbst ruhende Menschen wie Angelo Kelly und seine Frau Kinder erziehen.

Sind dagegen Narzissten wie meine Mutter am Werke, läuft es ganz anders, denn sie stellen sich selbst auf einen derartigen Sockel, fast einem Gott gleich, dass es zumindest mir lange fast unmöglich war, Zweifel zu entwickeln, denn ein solch herrliches Wesen kritisiert man nicht, sondern bemüht sich eher, genauso zu werden.

Ich erzählte es im alten Blog schon einmal, wie ich ihre Morgenmuffeligkeit abkupferte. Zum Glück kam ich ganz auf Muttern, dachte ich, und diese unfreudliche Art gehörte dazu, das war naturgegeben.

Bis mir dann auffiel, was für einen Quatsch ich mir eingeredet hatte, ohne es zu merken.

Schon vor sieben Uhr lief mir auf dem Gang in der Firma eine Kollegin über den Weg und wie es ihre Art war, begrüßte sie mich mit überschwänglicher Fröhlichkeit.

Für so etwas sei es doch wahrlich noch zu früh, fuhr ich sie an und während ich weiterging, überkam mich ein tiefer Schreck.

War das wirklich nötig gewesen?

Nein, natürlich nicht! Das war die Art meiner Mutter, aber wo stand geschrieben, dass ich das so übernehmen musste?

Richtig, nirgendwo, und wenn ich es recht überlegte, gab es auch nicht den kleinsten Grud dafür, morgens besonders muffelig zu sein. Warum denn auch?

Ich ging zum Schreibtisch der Kollegin, entschuldigte mich und das war's dann auch mit der scheinbar angeborenen und unabänderlichen Morgenmuffeligkeit, vor allem aber mit dem Satz: "Ich bin eben so."

Wenn ich bereit bin mich zu hinterfragen, dann kann ich jede Menge ändern an mir, vorausgesetzt, ich will es ... 

Bei meinem Bruder lief es anders, bis heute darf man ihn die erste halbe Stunde nach dem Aufstehen nicht ansprechen, genau wie es bei Muttern war, und so setzen sich viele Dinge leider über die Generationen fort (auch bei Oma war das schon so), wenn keiner da ist, der sich das bewusst macht und den Kreis endlich durchbricht.

Bin gespannt, wie sich das auf meine Nichten auswirken wird ... 

Und damit auch genug davon, denn gestern schaffte ich es, F. mit meinem Heringsstipp zu überraschen.

An der Zubereitung dieses Gerichtes scheiden sich die Geister. Bei der Schlagsahne waren wir uns immer einig, aber Muttern machte es mit Bismarckhering und da neben Äpfeln und Zwiebeln auch noch jede Menge saure Gürkchen hineingehobelt werden und ein Teil des Einlegesuds hinzukommt, fand ich es bei ihr immer etwas zu sauer.

Deshalb nehme ich Matjesfilets und genauso kennt F. es seit Urzeiten von mir.

Bis mir kürzlich mal der Gedanke an Kapern kam.

Würden die nicht hervorragend dazu passen?

Sicherheitshalber befragte ich mal die Suchmaschine und fand tatsächlich Rezepte, in denen sie enthalten waren, die ich aber ansonsten nicht beachtete.

Ich machte mein Stipp wie immer, fügte ein Gläschen Kapern mitsamt der Brühe hinzu und F. begann beim ersten Bissen ganz intensiv herumzuschmatzen: 

"Hmm, .... hmmmmmhmmmm, des schmeckt anders als sonst, irgendwie feiner, gaaaanz lecker, was hasch do denn anders gemacht? Irgendebbes isch doch anders?"

Wieder was dazugelernt und mit meinen Frikadellen stieß ich auf nicht weniger Begeisterung. Außen schön knusprig, innen ganz locker und butterzart und seit ich neben dem Üblichen noch türkischen Hackfleischwürzer nehme, etwas Senf und dann noch Knoblauch durch die Presse drücke, sind sie geschmacklich wirklich kaum noch zu überbieten.

Sagt F. und ... ich selber denke es auch. 😁


Habt einen schönen Tag und ... bleibt bitte gesund! 😉


2 Kommentare:

  1. Hallo, Liebe "Rex-Mama!"

    Manchmal machen wir eben Fehler. Dafür sind wir Menschen. Das Gute daran, du hast offensichtlich daraus gelernt. - Ich lerne auch mittlerweile mehr und mehr begangene Fehler nicht mehr zu wiederholen und abzustellen. - Du bist ein gutes Vorbild.


    Ob der Angelo so gut seine Kinder erzogen hat?
    Ich möchte es mal glauben, dass es da nie Unstimmigkeiten gab, wie der seine Kinder zur Musik trieb und außerhalb zum Singen.


    Nochmals zurück zu dir.
    Du bist doch soweit ich das sehe, eigentlich immer konsequent deinen Weg gegangen?


    Deine Frikadellen wirken sogar aus der Ferne sehr lecker und schmackhaft!


    Bleib zu hoffen, das Rex auch weiterhin stabil frisst?


    Liebe Grüße vom Blognachbar

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    1. Ich glaube, in diesem Fall ging es um mehr als nur einen kleinen Fehler, lieber lifeminder, ausschlaggebend für mich war damals die Erkenntnis, dass überhaupt nichts von dem, wie wir meinen zu sein, unabänderlich ist. In unserer Familie (wie vermutlich in den meisten) wurden bestimmte Verhaltensweisen von Generation zu Generation weitergegeben und im Gegensatz zu meinem Bruder machte ich mir das bewusst und durchbrach diesen unguten Kreis, was sich natürlich dann nicht nur auf diese Morgenmuffeligkeit bezog.
      Warum sollte es bei Angelo nicht zu Unstimmigkeiten gekommen sein? Das wage ich zu bezweifeln, im Gegenteil, die lebten lange auf engstem Raum in einem Wohnmobil und ernährten sich von Straßenmusik. Da ist es vorprogrammiert, dass es auch mal scheppert, aber das gehört zum Leben absolut dazu - wichtig ist nur, wie man es auflöst und erklärt, oder?
      Ich weiß nicht, ob es bei den Kellys mit dem tiefen Glauben zusammenhängt, in dem sie offenbar aufwuchsen, aber die Grundstimmung besonders bei Angelo und seiner Familie beeindruckt mich immer wieder, dieses In-sich-selbst-Ruhen und die Fähigkeit, sich an den einfachen Dingen des Lebens zu erfreuen und nicht viel zu benötigen.
      Ich glaube auch nicht, dass er seine Kinder zur Musik trieb, sondern sie wuchsen da einfach hinein, wobei ich es mir toll vorstelle, als Fuzzi dabei zu sein, wenn die Eltern mit Freunden spontane Sessions abhalten, also einfach drauflosmusizieren.
      (Übrigens genau das, was die "Fairings" von Irland erzählten - man sitzt im Pub oder irgendwo zu Hause und legt einfach los.
      Das ist doch ganz etwas anderes, als sich nur von den Medien berieseln zu lassen, oder? ;-)
      Und nun denke ich über deinen Satz mit dem konsequenten Weg nach.
      Wäre dazu nicht so etwas wie ein Plan nötig?
      Den hatte ich ja nie und das Einzige, was mich seit frühester Kindheit konsequent begleitet, ist diese Neugier, dieses unbändige Bedürfnis, Dinge verstehen, aus ihrer Vergangenheit heraus entschlüsseln zu können, und natürlich die Freude am Schreiben.
      Alles andere ergab sich mehr oder wenig zufällig, ob mich nun mein Weg nach Stuttgart führte, ich auf den Hund kam, in der Literaturszene landete oder seit einiger Zeit mitten im Islam.
      Immer waren es pure Zufälle, die meinem Leben eine völlig neue Wendung gaben, und immer wieder war ich bereit, mich darauf einzulassen, mich ganz Neuem zu öffnen.
      Mit oft erstaunlicher Wirkung, denn wer hätte z.B. damals gedacht, dass aus einer solchen Hundeschisserin eine Liebhaberin werden könnte? 😊

      Liebe Nachbarschafts-Grüße zurück! :-))

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