Gestern las ich im Internet, dass Martinsumzüge an einigen Schulen unserer Stadt ersatzlos gestrichen wurden.
Als Grund gab man an, diese Schulen seien so heillos überfüllt, dass es unmöglich sei, alle Kinder samt ihren Angehörigen auf die Schulhöfe zu bekommen, wo die Züge sich formieren.
Ob das wirklich der einzige Grund sein mag, grübelte ich und dachte an A., wie sie mich im letzten Jahr fast ängstlich dazu befragte, inwieweit diese Umzüge christlich seien.
Der ursprüngliche Hintergrund sei natürlich ein christlicher, hatte ich ihr damals erklärt, aber in erster Linie ginge es doch den meisten wohl nur um das Vergnügen, das die Kinder beim Herumtragen ihrer Laternen empfinden würden.
Damals ahnte ich noch nicht, dass wir irgendwann gemeinsam christliche Gottesdienste besuchen würden, hatte ganz im Gegenteil eher das Gefühl, dass sie sich sorgte, ihr Gott könne sich beleidigt fühlen, wenn sie dem Gott der anderen/der Ungläubigen zu nahe käme, womöglich sogar etwas täte, was diesem gefallen könnte, denn in ihrem Leben spielt die Religion ja nun einmal eine absolut übergeordnete Rolle und spielt bis in jede noch so eigentlich private Angelenheit hinein.
Es ist schade, dass wir uns im Moment so wenig sehen können, aber das wird sich bald vermutlich ändern, denn ihr Deutschkurs neigt sich dem Ende entgegen, besonders in der unterrichtsfreien Zeit vor der Prüfung wird sie mich brauchen und dann kann ich wieder mitverfolgen, ob und wie weit sie sich an die fremde Kultur heranzutasten bereit ist.
Immer noch mehr als fremd, denn nach wie vor findet ihr ganzes Leben in der türkischen Community statt und ich vermute, der einzige Beweggrund, diese Comfortzone überhaupt zu verlassen, wird eine mögliche Berufstätigkeit sein.
Und damit bin ich wieder bei den St.-Martinszügen, die nicht ohne Grund inzwischen vielfach nur noch Laternenfest genannt werden.
In Kindergarten und Schule von A.s Kindern halten sich christliche und muslimische Kinder offenbar wohl noch in etwa die Waage, in anderen Stadtteilen sieht das allerdings ganz anders aus, von daher frage ich mich, hat man wirklich Angst vor Überfüllung oder doch eher davor, dass kaum jemand kommen könnte, weil es eben nach Christentum "riecht"?
Zufällig postete dann jemand in einem sozialen Netzwerk ein Foto der Grundschule, die ich einst besuchte und die leider vor Kurzem abgerissen wurde.
Man tauschte Erinnerungen aus und auch ich konnte einiges beisteuern, unter anderem, wie man 1968 den nach Konfessionen getrennten Unterricht aufgab und beide Zweige zusammenlegte.
Wir Evangelischen bekamen im dritten Schuljahr 6 katholische Kinder in die Klasse und betrachteten diese zunächst recht skeptisch, kamen sie uns doch ungeheuer exotisch vor. 😅
Schnell merkten wir, dass sie sooo schrecklich anders nun auch nicht waren, dann wechselte ich ja eh auf ein bistümliches Gymnasium und war nun selbst die "Exotin" und heute staune ich, wie rasant und gravierend sich doch alles innerhalb nur weniger Jahrzehnte verändert hat ...
Möchte ich wissen, wie es heute in 50 Jahren hier sein wird?
Vermutlich lieber nicht, aber die Chancen stehen ja eh nicht sehr gut, dass ich es tatsächlich mitbekommen werde. 😂
Mehr Neues gab es nicht, außer dass mein Amselinchen nun schon zum dritten Mal auftauchte.
Weiter ängstlich, und nah heran traut sie sich noch nicht, trotzdem freue ich mich darüber, denn nachdem ich las, dass ein Virus in diesem Jahr schon viele Amseln hinwegraffte, steigt meine Sorge um den Guschtl natürlich und ich kann nur hoffen, dass er sich tatsächlich darauf besann dass er ja eigentlich ein Zugvogel ist, und sich gen Süden aufmachte.
Unnu ab in die Küche mit mir, muss noch Fleisch fürs Sauerkraut marinieren, das ich morgen vorkochen will.
Habt einen schönen Tag und ... bleibt bitte gesund! 😉
Mit deinemEintrag erinnerst du mich an meinen Aufenthalt im Kinderheim in Bad Dürrheim. Es war zur Zeit als man einen St. Martins Umzug gab. Wir vom Kinderheim reihten uns mit ein. Ein Mann mit Mantel auf einem Pferd begleitete den Umzug. Wir liefen hinter her und kamen irgendwann in der Kirche an.
AntwortenLöschenNach dem Gottesidenst gingen wir in Reihen mit Begleitung wieder zurück zum Kinderheim. Ob wir dabei Kerzen hatten kann ich dir nicht mehr sagen. Es ist eben schon so lange her.
Kerzen zu St. Martin kenne ich eigentlich gar nicht, es sei denn natürlich, sie befinden sich innerhalb einer bunten Laterne.
LöschenWas aber heute vermutlich aus Sicherheitsgründen eh nicht mehr so gehandhabt wird, das geheimnisvolle Flackern war einmal, weil heute nur noch Kunstlicht durch die Gegend getragen wird.
Warst du lange in diesem Kinderheim?
Ich war da etwa 4 Wochen. Eine für mich damals sehr lange Zeit.
LöschenHallo, Liebe "Rex-Mama!"
AntwortenLöschenErstaunlich, wie viel sich änderte in nur wenigen Jahrzehnten, das meiste wohl zum besseren, nicht alles!
Dennoch den St. Martinszug in Laternenfest umzubenennen, ob das sein muss? - Ich fand es als Kind toll, wenn man das mitverfolgen konnte, wie St. Martin seinen Mantel teilte und dann weiterritt. Ich frage mich gerade, ob es mehr Geschichten zu ihm gibt, wie die, die wir fast alle kennen?
Das ist doch Faulheit, oder? - Zu sagen, wir verbieten den St. Martinsumzug, weil wir so viele Angehörige nicht händeln können, es ging doch auch während Corona, das man sagte: "Eben nur die engste Familie".
Manchmal habe ich das Gefühl, manches wird auch nur aus Bequemlichkeit abgesagt? - Aber das ist nur ein Gefühl und keineswegs eine Wertung.
"A" bin ich sicher, sofern sie dich hin und wieder trifft, wird sicher alsbald noch ein wenig freier auftreten wie bisher. - Sie ist ja nicht mehr mit der "A" zu vergleichen, zumindest beim Lesen, wie noch vor rund einem Jahr.
Bei uns spielte das mit den katholischen und evangelischen Kindern nur noch eine untergeordnete Rolle, aber wir beneideten die katholischen ein bisschen, hatten die doch zwei, dreimal im Jahr 1-3 Schulstunden frei, weil sie noch an einem Gottesdienst teilnahmen.
Dem "Guschtl" geht es sicher gut, wahrscheinlich lässt der sich gerade die Sonne aufs Gefieder brennen und wartet schon darauf, wieder in deinen Garten zurückkehren zu können.
Liebe - auf zu neuen Abenteuern - Grüße
Vom lifeminder
Mit Bequemlichkeit hat das sicher nichts zu tun, lieber lifeminder, sondern ist eher eine Sinnfrage, denn wozu christliche Bräuche bzw. Feste feiern, wenn an vielen Schulen 95% der Schüler und auch immer mehr Lehrer Muslime sind?
LöschenDass sich im Laufe der Letzten Jahrzehnte wirklich viel zum Besseren verändert hätte, kann ich übrigens nicht erkennen.
Unsere Welt war damals deutlich freier und wesentlich weniger durchreglementiert und besonders für die Jugend gab es noch richtig viele Orte, an denen man zusammentraf.
Statt auf dem Smartphone herumzudaddeln, redeten wir noch miteinander, und zwar jeder mit jedem, da es ja noch keine Parallelgesellschaften oder gar No-go-Stadtteile gab.
Bei uns war das mit den Freistunden genau andersherum: Die Katholischen mussten zum Gottesdienst, während wir eine Stunde länger schlafen durften. 😁
Liebe Abenteuer-Grüße zurück! :-))