Montag, 10. Juni 2024

Weg isse

Meine Gartenschere meine ich, so ein kleines Zwickding, was an sich seinen festen Platz hat und ständig in Benutzung ist.

Immer wieder passiert es mir, dass ich gerade irgendwo am Herumschnipseln bin und mir dann irgendetwas in die Quere kommt, sei es, dass F. ruft, dass Rex mich braucht oder dass mir einfach etwas einfällt, das ich schnell dazwischenschieben sollte, doch bisher fand sie sich immer wieder.

Nun ist das anders, sie ist verschwunden und scheint es bleiben zu wollen, obwohl ich den ganzen Garten und natürlich auch das Haus x-mal nach ihr absuchte.

Nicht nur, was die Essensvorräte angeht, neige ich zur Vorratshaltung, sondern sorge auch bei solchen Gebrauchsgegenständen in der Regel immer für Ersatz, weil ich einfach weiß, wie schnell die Dinge kaputtgehen können, und so hatte ich auch eine zweite liegen, die aber leider nicht viel taugt.

Also muss eine neue her und ich könnte mich in den Allerwertesten beißen, dass ich vor zwei oder drei Wochen bei Aldi welche liegen sah und sogar einen Moment über den Erwerb nachdachte.

Hätte ich sie doch nur mitgenommen, denn ansonsten habe ich hier vor Ort ja keine Chance, so etwas bekommen zu können.

Abwarten, wie sich F. weiterentwickelt. Die Getränkekisten neigen sich auch dem Ende zu, also wäre es schon gut, mal wieder das Auto anzuwerfen, vorausgesetzt, er fühlt sich fit genug dazu.

Gestern überraschte er mich immerhin mit einem ungewohnten Energieschub.

Schon um neune in der Früh schaltete er seinen PC ab und ich setzte schon zu der sorgenvollen Frage an, ob er sich für gar nichts anderes mehr begeistern könne als den Fernsehsessel, als er kundtat, im Gegenteil, er wolle mal in die Garage gehen und schauen, ob der Wagen überhaupt noch anspringe.

Was er tat und wieder im Haus teilte F. mir dann mit, nun wolle er noch eine Runde mit seinem Auto fahren.

Nanu ...?

Nein, er meinte nicht das motorisierte, sondern seinen Rollator. 😂

Zwar musste ich ihn ihm die Stufen hinabheben, aber dann zog er los damit, erstmalig so weit, dass er meinen Blicken sogar komplett entschwand. 

Darüber habe ich mich richtig gefreut, nun bin ich allerdings unsicher, ob selbst dieses bisschen an Bewegung womöglich schon zu viel für ihn war, denn benötigt er sonst nur nachts Sauerstoff, hat er den Schlauch unter der Nase heute noch gar nicht abgelegt, meinte, schon in der Nacht sei ihm nicht besonders wohl gewesen. 

Zum Thema Gesundheit wurde es auch mit meinem Bruder gestern interessant, na ja, irgendwie zumindest.

Er erzählte per WhatsApp vom geplanten großen Urlaub und dass er erst eine Woche nach dem Rest der Familie losfliegen wird, da seine Arbeit dies erfordere. Dafür würde er dann aber eine Woche länger bleiben ... 😁

Damit könne er doch sicherlich leben, antwortete ich und immerhin seien das durchaus erfreulichere Aussichten als bei uns. 

Darauf er: "Ist es nicht gut? Jetzt kommt doch der Sommer ..."

Er hat tatsächlich keine Vorstellung davon, was bei uns los ist und dass F. ein schwerkranker Mann ist, hatte sich ja auch fürs Krankenhaus in keinster Weise interessiert.

Ich teilte ihm damals mit, dass F. auf der Intensivstation sei, irgendwann, ich glaube, es war an seinem Geburtstag, fragte er nebenher, ob er nun wieder daheim wäre, das war's zu dem Thema.

Was sollte ich darauf nun also antworten?

Das weitere Gespräch sah so aus:

"- Ist es nicht gut ? Jetzt kommt doch der Sommer


- Das nützt wenig, wenn man einen Sauerstofftank braucht.


-Gibt es das nicht auch mobil?


- Ja, ist aber sehr schwer und hält auch nur fünf Stunden.


-Immerhin


- Nützt eh nix, wenn jeder Schritt zur Qual wird.
 ... ich will mal froh sein, dass er das überlebt hat, war knapp genug, Alles andere wären nun    Sonderboni."


Das war's, mehr kam nicht, nicht mal ein ... oh, ich wusste ja nicht, dass es so schlimm war ... oder etwas in der Art.

Und nun fällt es mir auch auf, dass solche Themen zwischen uns, aber auch im Rest der Familie eigentlich immer schon weitgehend nicht stattfanden.

Ob jemand schwer krank war oder starb, es wurde so hingenommen, fertig, und schon gar nicht sprach man über Gefühle, obwohl sie ja auch die anderen haben mussten.

Auch als mein Papa starb, lief es so. Meine Schwester mit Familie waren schon bei Muttern, wir stießen dann, vom Krankenhaus kommend, wo ich mich von ihm verabschiedet hatte, dazu und zwei Stunden später trudelte auch mein Bruder mit Anhang ein.

Gefühle oder gar Weinen, Trauern?

Fehlanzeige, mein Schwager machte sich sogleich über Papas Schreibtisch her, um die Papiere zu ordnen, ich selbst begab mich in die Küche, um für die ganze Mannschaft zu kochen, ansonsten wurde nur Organisatorisches besprochen. 

Einzige Ausnahme war die 14-jährige Tochter meiner Schwester, die einmal kaufschluchzte, von ihrer Mutter kurz in den Arm genommen, dann kam wieder die Tagesordnung.

Als ... Wochen später ... dann Papas Urne im ungeliebten Schwarzwald beigesetzt wurde, lief es ähnlich. Zunächst der obligate "Leichenschmaus" (brrr, was für ein scheußliches Wort) und dann beschloss die Familie zur Normalität überzugehen und gemeinsam den nahegelegenen Berg bis hoch zur Burgruine zu besteigen.

Nee, für mich war das nichts, so hatte ich mir das nicht vorgestellt und die Kinder meiner Schwester (damals 9 und 14) offenbar auch nicht, sie zogen es vor, bei mir zu bleiben.

Gemeinsam mit ihnen suchte ich die wunderschöne barocke katholische Kirche auf, die ich wegen ihrer Atmosphäre so liebte, wir zündeten Kerzen für den Opa an, setzten uns auf eine Bank, redeten leise miteinander und ich glaube, dieser Moment war für uns alle drei sehr viel intensiver als all das, was vorangegangen war, denn nun fühlten wir uns ihm sehr nahe und auch uns gegenseitig in unseren Gefühlen.

Als dann auch noch meine Mutter gestorben war, lief es mit den Mädels meines Bruders ganz ähnlich, denn in der Folge war ich es, die sie immer wieder mit ihren Fragen bestürmten, mit ihrer ganzen Unsicherheit gegenüber dem Tod.

Ein großer Vorteil von kleinen Kindern, dass sie sich noch getrauen, ihre Ängste, ihre Unsicherheiten auszusprechen, die ja auch die Erwachsenen noch haben, nur dass sie sie eben oftmals beiseite schieben, damit am liebsten gar nichts zu tun haben wollen.

So als würden diese Dinge damit aus ihrem Leben verschwinden, was mich nun an frühere Zeiten erinnert.

Daheim durften wir ja keine Krimis gucken, aber bei Oma war das erlaubt und ... was machte mein Bruder?

Wenn es ihm zu gefährlich erschien, begab er sich zur Flurtür hinaus, öffnete diese einen Spalt, steckte den Kopf herein, um weiterschauen zu können, aber ... sobald es dann "noch gefährlicher" wurde, hielt er sich die Augen zu und ... meinte, damit alles Böse von sich fernhalten zu können.

Im Grunde hat sich nicht viel verändert, oder? 🤣

Nebenher schreibe ich mir gerade mit meiner lieben A., mit der ich für morgen eigentlich den Museumsbesuch geplant hatte.

Auch ihre Freundin, die türkische Ärztin, die ich ja schon recht gut kenne, wollte gern mitkommen, nun aber regnet es und ist auch für morgen nicht besser angesagt.

Wollen wir spontan entscheiden, fragte sie mich und das halte ich für eine gute Idee.

Um 10 Uhr werde ich bei ihr sein und dann sehen wir, was wir mit dem Vormittag anfangen, Hauptsache, etwas Gemeinsames, denn das macht uns beiden Freude. 😊

Und nun will ich mal schauen, ob F. es auch ohne Hocker mit dem Baden packt ... 


Habt einen schönen Tag und ... bleibt bitte gesund! 😉

6 Kommentare:

  1. Hallo, Liebe "Rex-Mama!"

    Mir gehts da nicht anders, hin und wieder - obwohl auch bei mir die meisten Dinge einen festen Platz haben, verlege ich sie und finde sie nicht wieder. Es scheint wirklich so als bekämen die manchmal Füße.

    Das mit dem Gefühle zeigen öffentlich fällt nicht jedem leicht. Bei uns ist so, dass die Frauen das weitaus besser machen wie wir Männer in der Familie. - Wir versuchen uns größtenteils am Riemen zu halten, anstatt einfach mal Tränen und Trauer fließen zu lassen.
    Wobei ich es doch etwas merkwürdig finde, dass es bei euch einige schafften, nach so einem Vorfall sofort zur Tagesordnung überzugehen. - Die sind einfach abgebrühter?!

    Toll, wie du dich um den 9-Jährigen und die 14-Jährige gekümmert hast.

    Eure Oma scheint ja auch eine herzensgute Frau gewesen zu sein?

    Hoffen wir, dass "F" weitere Energieschübe bekommt, er sich Stück für Stück auch zu einer erträglichen Fitness zurückkämpfen kann, das wäre toll und wichtig für euch?

    Nutze jede Sekunde mit "A" und lasst es euch gut gehen, sicher ziehst du daraus auch Kraft für die nächste Woche und Wochen. - Viel Spaß!




    Liebe - in kleinen Schritten gehts vorwärts - Grüße
    Vom lifeminder

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    1. Ich glaube, lieber lifeminder, es geht dabei nicht nur um die eigenen Gefühle, sondern auch ums Mitfühlen, darum, sich in andere hineinversetzen zu können, statt nur die coolen Dinge miteinander zu teilen bzw. sich mitzuteilen.
      Oberflächlichkeit, dein Name sei Gesellschaft ...
      Meine Oma, hihi, nicht einer, der sie kannte, wäre auf die Idee gekommen, sie als "herzensgute Frau" zu bezeichnen, denn das war sie wirklich nicht. 🤣
      Dort auf dem Land hatten wir halt nur mehr Freiheit, genau wie es ja auch nebenan beim Onkel im Dörfli war. Tür auf und wir konnten springen ... ;-)

      Liebe Kleine-Schritte-sind-besser-als-keine-Grüße zurück! :-)

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  2. Liebe, wie gut funktioniert dein Memorier-Gedächtnis? Ich konzentriere mich, und rufe meine Handlungen mit z.B. der Gartenschere ab. In der Regel weiß ich dann, dass ich sie in den Grüngut-Sack eingepackt habe. Diesen habe ich schon abgeliefert - von da an verliert sich meine Denkfähigkeit. 😀
    So kann es sich bei den Gedächtnissen an unsere lieben Verstorbenen auch zutragen. ups!
    Schön zu lesen, dass sich bei F. der Selbsterhaltungstrieb zeigt. Laufen, laufen, laufen --- Lob ihn auch.

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    1. Gerade das funktioniert bei mir meist ziemlich gut, lieber Faradei, ich kann ja sogar Szenen, die sich vor Jahrzehnten oder sogar in meiner Kindheit abspielten, wie auf Knopfdruck vor meinem inneren Auge wiederaufleben lassen.
      Bezüglich der Schere versuchte ich es x-mal, aber meine Tage sind oft zu zerhäckselt, zu viel Kleinkram, zwischendurch schneidet man hier mal ein Ästchen, dort kurz ein paar Weinstrippen, die schon wieder über die Mauer kriechen wollen, und dann verliert sich irgendwann die Spur.
      An sich lege ich sie bewusst nie oben auf Sack oder in der Tonne ab und meine auch, dass ich beim letzten Gebrauch nichts davon öffnete.
      Vermutlich kommt sie irgendwann irgendwo zum Vorschein, wo ich gar nicht damit rechne. Die Frage ist dann nur, in welchem Zustand.
      Und klar lobe ich F., dessen neuem Bewegungstrieb heute leider der Regen einen Riegel vorschob.

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  3. Danke für deine guten Wünsche über die ich mich sehr gefreut habe. Und ja, manchmal gibt es auch bei mir Szenen in denen ich zurück in meine Kindheit gelange. Als ich kürzlich meinen Cousin besuchte hatten wir beide schöne Momente beim Erinnern. Ich freue mich über die Fortschritte von F. Schade, daß er vom Regen eingebremst wurde,

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    1. Du weißt ja, auf Regen folgt auch wieder Sonne und das gilt hoffentlich auch für deine Augen.
      Gehts denn schon wieder etwas besser?

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