Samstag, 8. Juni 2024

Quasseltrip

 Als solcher gestaltete sich meine gestrige Einkaufsrunde und los ging es schon kurz nach dem Start.

Einen Rock könnte ich eigentlich mal brauchen, überlegte ich, irgendetwas luftig Flatterndes vielleicht?

Warum nicht mal im Second Hand vorbeischauen? Ich selbst bringe auch gerne mal was hin und freue mich natürlich, wenn ich im Gegenzug dort ebenfalls ein Schnäppchen machen kann, so wie im Herbst mit den beiden Winterjacken für zusammen nur 6 Euro, die mir schon wertvolle Dienste leisteten.

Ganz so locker wie früher läuft es dort nimmer. Weil so viel geklaut wird, hat man die Umkleidekabinen entfernt und wer den Laden betritt, muss einen Einkaufskorb nehmen.

Röcke gab es gar keine, dafür ergatterte ich aber eine samtige Haushose und zwei Blusen, die eine davon vielleicht etwas zu konventionell für mich, dafür aber von Ulla Popken und so neu aussehend, dass sie vermutlich nie getragen wurde.

An der Kasse berechnete mir die alte Dame (die Mitarbeiterinnen sind alle ehrenamtlich) pro Teil 2 Euro und während wir noch angeregt plauderten, drängte sich auf einmal eine Frau vor mich.

Eine mechanische Küchenwaage, wie auch ich sie habe, wollte sie zurückgeben - ihren heftigen Wortschwall konnten wir beide nicht verstehen, nur das Wort Tochter wusste sie auf Deutsch, auf jeden Fall rollte die alte Dame mit den Augen, gab ihr einen Euro und nahm das Gerät zurück.

"Sie glauben gar nicht, was ich hier alles erlebe", sagte sie dann zu mir, "ich mache das nun seit sechs Jahren, aber es wird immer wüster ..."

Ich packte meine Neuerrungenschaften im Trolley neben den Beutel mit dem restlichen Leergut, das noch aus meinem gefundenen "Schatz" stammte, und machte mich wieder auf die Socken, um auf dem Marktplatz gleich einer meiner Nachbarinnen in die Arme zu laufen.

Sie habe gehört, dass F. im Krankenhaus gewesen sei, wie es ihm denn nun ginge?

Dann erzählte sie von ihren eigenen Krankheiten und nachdem ich mich von ihr losgerissen hatte, sah ich ca. 20 Meter entfernt einen Wahlstand der Grünen.

Autsch, ich hätte eine Brille aufsetzen sollen, dann hätte ich nicht so gründlich hinschauen müssen, denn nun fühlte sich einer von ihnen bemüßigt, auf mich zuzukommen, natürlich die unvermeidlichen Prospekte in der Hand.

"Lohnt sich bei mir nicht", rief ich ihm schon von Weitem zu, "Ihre Partei hat mich gerade siebeneinhalbtausend Euro gekostet ..."

Wie das???

Das wollte er aber nun genauer wissen, ein hemdsärmeliger Mann, etwa in meinem Alter, und schon war er heran.

Also erzählte ich ihm vom Heizungsdrama und dass sein Chef mich mehr oder weniger gezwungen hatte, ein Gerät lange vor seiner Zeit auszutauschen.

Meinen Ärger über diesen Unsinn konnte er sogar nachvollziehen, denn auch er bewohne mit seiner Lebensgefährtin ein altes Haus, in dem an Wärmepumpe oder Fernwärme gar nicht zu denken sei, und dann landeten wir beim Thema Migration, wo ich ja die Positionen der Grünen beim besten Willen nicht mehr nachvollziehen kann.

Es wird zu viel, erklärte ich ihm und sogleich verwies er darauf, dass man Flüchtlingen aber doch helfen müsse.

"Ja, sofern es wirklich welche sind, sehe ich das auch so", sagte ich, verwies aber auch darauf, dass sehr viele eben ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen kommen - nachvollziehbar, aber kaum noch zu packen, zumal unser Asylrecht dafür auch nie gedacht war.

Zum Glück konnte ich ihm ein paar Fakten dazu aus dem Ärmel schütteln, denen er nichts entgegenzusetzen hatte, und schon waren wir bei den Parallelgesellschaften, die auch er nicht in Abrede stellen konnte.

Ich erzählte, dass meine türkischen Freunde auch nach über fünf Jahren im Lande mit Ausnahme von mir keine deutschen Kontakte haben, selbst ihren Bedarf an Ärzten, Fahrschulen, Anwälten usw. ja von Landsleuten bedient bekommen und nun wusste auch er etwas zu berichten, nämlich von seinen Nachbarn, die aus Rumänien stammten - Sinti und Roma würde man sie wohl auch nennen.

"Lassen Sie mich raten - Müll aus dem Fenter geworfen?"

Er nickte, wurde dann aber zögerlich ...: "Ja, genau das, was Sie sagen ..."

Selbst das scheut man sich also auszusprechen, wenn man politisch besonders korrekt und woke sein will? *grübel*

Es wäre falsch, meinte er, darüber nur zu schimpfen, man müsse es den Leuten halt sagen.

Dass das zu Ungungsten der eigenen Gesundheit ausgehen könnte, kam ihm zumindest ansatzweise, als er dann einen der Männer darauf ansprach, denn das sei ein wahrer Bär von Mann gewesen, der recht bedrohlich wirke.

Er habe aber das Glück gehabt, den Clanchef persönlich zu erwischen, der am Ende sogar friedlich blieb und versprach, das beim nächsten Familientreffen kunzutun und seine Leute anzuweisen, sich künftig anders zu verhalten. 

Vielleicht sollte er das auch mal bei den jungen Männern versuchen, die stets Messer mit sich führen. Ihnen einfach erklären, dass es besser ist, sie nicht zu benutzen, weil sich das hier nicht gehört? 😁

Ich merkte, wie er hin und her gerissen war zwischen unserem Gespräch, das auch ihm offenbar viel Spaß machte, und seiner eigentlichen Aufgabe am Wahlstand, und irgendwann meinte er, ja, er würde sich meine Worte, besonders auch in Bezug auf Geld und kleine Renten, über die wir in diesem Zusammenhang auch geredet hatten, gut merken und sie auf jeden Fall im Stadtrat zur Sprache bringen. Außerdem würde er morgen sowieso auch Habeck treffen und wolle ihm ebenfalls berichten, denn er habe das Gefühl, Politiker bzw. die seiner Partei hätten viel zu wenig Kontakt zu "normalen" Leuten.

Was ich nur bestätigen konnte, während ich insgeheim staunte, dass ich mich von seinem karierten Hemd ein wenig hatte täuschen lassen und offenbar doch an ein "höheres Tier" der Partei gestoßen war. 

Später googelte ich ihn und dann fiel es mir auch endlich wie Schuppen von den Augen, denn inzwischen bin ich ziemlich sicher, dass ich ihn von früher kenne, zumindest schon mit ihm zu tun hatte.

Fast eine Stunde hatten wir uns unterhalten, er bedankte sich am Ende herzlich für das tolle und vor allem konstruktive Gespräch und nun wünsche ich mir, dass er mir bald wieder einmal über den Weg läuft, denn gerade das ist es, was meiner Meinung nach hierzulande sehr fehlt und was er ja auch selber ansprach.

Oftmals bleiben Parteien oder was für Gruppierungen auch immer hauptsächlich unter sich und trifft man auf "die anderen", werden sofort die Krallen ausgefahren.

Da fehlt das "neutrale, normale Element", dass allen Seiten mal aufzeigt, wo sie sich vielleicht festgefahren haben, weil sie sich alle gegenseitig immer nur in ihren Ansichten bestätigen und dann gemeinsam gegen "die anderen" vorgehen, die es ihrerseits genauso halten.

Dann ... endlich ... ging es weiter zu meinem Freitagseinkauf und auch dort wurde es an der Kasse noch mal nett.

Bergeweise schweres Zeugs packte ich vom Band in meinen Einkaufswagen und als endlich alles drin war und es ans Bezahlen ging, fragte ich die Kassierin, ob sie nicht zufällig auch junge Männer im Angebot hätten, die einem das ganze Gedödele nach Hause schleppen.

Sie lachte laut auf, eine alte Dame in der Warteschlange rief sofort: "Das wäre toll, ich würde dann auch einen nehmen", und mit Blick auf den grinsenden älteren Mann, der direkt hinter mit gestanden hatte, fügte ich noch hinzu, "also ich würde auch einen Älteren nehmen."

"Genau", sagte nun die Mitarbeiterin, "das Alter ist egal, Hauptsache, er kann schleppen." 😁

Wir alle hatten unseren Spaß und als ich meinen Trolley belud, sah ich aus dem Augenwinkel, wie der ältere Herr immer noch amüsiert schmunzelnd den Laden verließ. 

Meinen Trolley zu ziehen, hatte er mir allerdings nicht angeboten ... 😥🤣

 

Abends hatte ich mich schon auf Fußball eingestellt, doch dann pampte F. mich aus einem eigentlich nichtigen Grund an, so dass ich beschloss dankend auf weiteres Beisammensein zu verzichten, mich ins Bett abzusetzen und dort was G'scheits anzuschauen.

Kein Wort hörte ich seitdem von ihm und so unterließ ich es dann, ihm sein Frühstück zu machen, wie ich es mir angewöhnt habe, seit er aus dem Krankenhaus zurück ist.

Er weiß ja, wo alles ist, hätte sich also durchaus selber was holen können, was er aber nicht tat.

Nicht mal eine Tasse Kaffee schenkte er sich ein, hockt nun am Schreibtisch und spielt Mahjong, ohne einen Krümel oder einen Tropfen im Bauch. 🙄

Tja, wer nicht will, der hat schon, und nun bin ich gespannt, was er am Mittag machen wird.

Die Hühnersuppe werde ich erst morgen kochen, heute steht erst mal ein Blech Pizza auf dem Programm, allerdings erst am Nachmittag.

Normalerweise würde ich ihm dann zu seiner üblichen Essenszeit ein Brot belegen, selbst wird er das wohl kaum tun, also hungert er vermutlich weiter bis 17 Uhr.

Selber schuld, mein Mitleid hält sich in Grenzen. 😁


Habt einen schönen Tag und ... bleibt bitte gesund! 😉

 

 

 




6 Kommentare:

  1. Hallo, Liebe "Rex-Mama!"

    Das mit "F" erschreckt mich etwas, wenn er dich ohne einen bestimmten Grund einfach anpampt, was soll denn das? - Ich finde es total richtig wie du gehandelt hast.

    Bleibt zu hoffen, dass er sich wieder einkriegt und seinen Fehler einsieht!

    Dein Gespräch mit dem Politiker lädt zum nachdenken ein.
    Wie sehr sich manche überhaupt in uns "normalos" hineinversetzen können, wenn sie doch überdurchschnittlich viel verdienen. - Wobei, wenn eine Berufssparte insgesamt zu wenig bekommt, dann die Berufspolitiker - wenn man das mit anderen Berufssparten vergleicht - die doch auch viel aushalten und Verantwortung übernehmen müssen.

    Einmal mehr haste einen Menschen in deinen Bann geschlagen, wenn er eine Stunde mit dir am Reden war, hat ihn das auch interessiert. Gespannt, ob ihr nochmals aufeinandertrefft und er sich dann an dich und euer Gespräch erinnern wird?

    Im Zeitraum um Weihnachten gibts immer so eine Aktion bei uns im "Kaufland", wo Kinder und Jugendliche aus einem Fußballverein den Menschen helfen, die eingekauften Waren einzupacken.

    Das wäre schon ein Service, so eine Pack- und Bring-Station für ältere Menschen. - Wen sie nicht zu teuer wäre oder kostenfrei auch ein riesiger Werbeeffekt für den Markt des Vertrauens.

    So viel Leben in einem Blog, sensationell! :)




    Liebe - Quassel - Grüße
    Vom lifeminder

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    1. Jo, lieber lifeminder, er hat es wohl eingesehen, dass das ziemlich Käse war, auf jeden Fall bemühte er sich gestern dann redlich.
      Dass man sich ums finanzielle Auskommen unserer Politiker Sorgen machen müsste, sehe ich eher nicht, denn die haben fast alle fette Nebeneinkünfte und beweisen, lernen bzw. ein Studium abschließen muss man im Grunde nicht wirklich, geh in die Politik, dann hast du ausgesorgt, denn man sollte ja auch die fetten Pensionen nicht vergessen.
      Sie würden sich halt fast nur unter ihresgleichen bewegen, das war für mich der springende Satz, der übrigens nicht nur auf Politiker zutrifft, aber bei ihnen besonders zum Tragen kommt.
      Ich habe mich z.B. mein Leben lang in den unterschiedlichsten Milieus aufgehalten, von ganz unten bis ganz weit oben mit vielen Abstechern in die verschiedensten Richtungen und diese differenzierten Blickwinkel gehen denen, die für unser aller Wohl verantwortlich sind, oftmals ab.
      Was nützt es, wenn z.B. eine Frau Merkel nach Marxloh fährt, dort frisch gewienerte Ecken und einige Vorzeigeprojekte zu sehen bekommt, aber keine Ahnung hat, wie es sich anfühlt, als Normalo-Frau dort abends allein über die Straße zu gehen?
      Diese Einpackaktion, kicher, ich hatte eigentlich nicht an Kinder gedacht, die einer "alten Frau" beim Einpacken helfen, sondern eher an meine weiblichen Reize, die den ein oder anderen vielleicht dazu verführen könnten, meine tonnenschweren Einkäufe nach Hause zu schleppen. 😂🤣😂

      Liebe Quassel-Grüße zurück! :-))

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    2. Hallo, Liebe "Rex-Mama!"

      Ich muss gerade sehr lachen über meine Falschinterpretation, aber nun ja, Fakt ist, die Aktion gibt es, wobei, wenn mir eine Frau die Einkäufe nachhause tragen würde, das würde ich auch sehr charmant finden.

      Ob ich das allerdings wirklich wollte und zulassen könnte?




      Liebe - deine weiblichen Reize sind nicht zu überlesen - Grüße
      Vom lifeminder

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    3. Hihi, so weit ich noch gar nicht gedacht, aber grundsätzlich dürften mir natürlich auch Frauen beim Schleppen helfen.
      Nur das mit den weiblichen Reizen vergessen wir in diesem Falle mal lieber ganz schnell ... 🤣

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  2. Nun ja, Fußballverrückt war ich früher auch mal. Heute interessiert mich das nur am Rande. Auch die HEIM- EM kann mich nicht hinter dem Ofen vorlocken. Den Schlagzeieln kann man nicht ausweichen. Da wird vermittelt, daß die deutsche Mannschaft ein Torwart-Problem habe. Ja, warum nicht Second Hand kaufen? Ich habe ein paar sehr gute Hosen von mir, die mir auch in 100 kalte Winter nicht passen zur AWO - Schatztruhe gebracht. Dazu ein paar sehr gut erhaltene Schuhe. So können sich andere Menschen Klamotten günstig kaufen und das ist gut so. Meine EX-Frau hat verschiedene Lebensmittel auch in afrikanischen Läden eingekauft z.B. die heiß geliebten Kochbananen. Und, wenn es hier vor Ort nichts zugesagt hat, dann wurde mal am Nachmittag nach Strasbourg gefahren.
    Wie pflege in solchen Fällen zu sagen: wer trutzt mit der Schüssel, dem Schad's am Rüssel. Dir wünsche ich einen Guten Appetit mit der selbst gemachten Pizza,.

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    1. Für mich bedeutet die EM in erster Linie wieder ständig ausfallende TV-Programme und die Angst vor Anschlägen überschattet alles, wobei ich mir von der deutschen Mannschaft eh nicht viel erwarte.
      ... mich aber natürlich gern eines Besseren belehren lasse. 😁
      Second Hand ist eine gute Sache, nicht mal nur aus finanziellen Gründen, denn es kommt eindeutig auch der Umwelt zugute, wenn Dinge nicht einfach weggeworfen, sondern weiterverwertet werden.
      Die Pizza war wirklich gut geworden mit selbstgemachter Tomatensoße, Zwiebeln, Ingwer, Knobi, Tomaten, Salami, Pilzen, Thunfisch und Käse.
      Für heute Abend hab ich sogar noch ein Stückl. :-)

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