Samstag, 23. November 2024

Leider kam es anders ...

 F. gefiel mir den ganzen Tag über nicht, aber er wollte auch nichts davon hören, dass ich einen Arzt rufe, und so schlingerte ich mit meinen Gefühlen auf und ab und klammerte mich daran, wenn der Sauerstoffgehalt immerhin wieder die 90% überschritt.

Gefallen wollte mir das alles aber ganz und gar nicht - diese verdammte riesige Unsicherheit, konnte ich es verantworten, seinem Wunsch nachzugeben, oder wurde das zu riskant und ich müsste den Notarzt kommen lassen?

Hatte ich eben noch Ersteres gedacht, schwang das Pendel zehn Minuten später in die Gegenrichtung aus, so ging das immer hin und her und zwischendurch kam ich schon ins Grübeln, wie lange meine Nerven das noch aushalten würden.

Hundemüde war ich nach den letzten schon sehr aufreibenden Nächten, aber in dieser musste ich ihn noch engmaschiger überwachen, also verbot sich das Bett für mich von selbst.

Als F. aus dem Krankenhaus gekommen war, hatten wir ja die ersten Tage auf dem ausgezogenen Sofa übernachtet, ohnehin viel Möbelrücken für mich, weil das Wohnzimmer sehr eng und vollgepackt ist, aber nun undenkbar, weil der Tannenbaum auch noch im Wege steht. 

Ihn wieder wegzupacken, erschien mir als kein gutes Omen und nun überlegte F. , dass sich oben im Gästezimmer doch noch ein Feldbett befinden müsse, eingepackt in einen Sack.

Hm, und das sollte ich nicht kennen? 

Ich ging suchen und fand zwar kein Feldbett, dafür aber einen Liegestuhl, von dem ich geglaubt hatte, wir hätten ihn gemeinsam mit seinem Geschwisterchen entsorgt, weil da irgendwas mit den Scharnieren nicht mehr gestimmt hatte.

Keuchend schleppte ich das schwere Ding nach unten und versuchte mein Glück, doch leider bekam ich ihn nicht aufgebaut, meine Erinnerung hatte mich nicht getrogen.

F. lag inzwischen auf dem Sofa und für mich blieb nun nur noch der Fernsehsessel, bei dem ich jetzt ausprobierte, wie weit man ihn eigentlich nach hinten ausfahren kann.

Relativ weit, stellte ich fest, ich konnte mich also zurücklehnen und die Beine auf den dazugehörigen Lederhocker packen, zum Fernsehen prima, doch zum Übernachten nicht die komfortabelste Lösung, zumal ich an sich nur auf der Seite schlafen kann, was auf diesem Sessel aber gar nicht geht.

So gut wie möglich kuschelte ich mich ein, hatte den Fernseher leise laufen und kleine Lämpchen so geschaltet, dass ich F. gut im Blick hatte, ohne mich bewegen zu müssen, und knappe zwei Stunden lang ging alles gut, zwar döste ich zwischendurch leicht ein, blieb aber so an der Oberfläche, dass ich jede Veränderung seines Atems mitbekam.

Auf einmal stimmte da gar nichts mehr ...

"Schätzle, das geht so nicht, ich rufe jetzt den Arzt, die können dir besser helfen als ich."

"Nein, lass das, ich will net weg von dir, i will koi Arzt ..."

Weitere fünf Minuten später war der Punkt überschritten, das konnte ich nicht mehr verantworten, da musste F. sich fügen, der nun selbst auch anfing die Notwendigkeit einzusehen.

112 gewählt, mein Sprüchlein aufgesagt, gleich mit dem neuesten Stand an Sauerstoff- und Blutdruckwerten, keine zehn Minuten brauchten sie, gerade genug Zeit für mich, das Sofa irgendwie zugänglich zu machen und Rex in den Garten zu sperren.

Zwei Notärzte waren es und drei Rettungssanitäter inkl. einer -täterin, die sich kurz darauf sehr lieb und zum Glück auch relativ unaufgeregt um ihn kümmerten.

Sofort drückten sie ihm die wohl dringend notwendige Sauerstoffmaske aufs Gesicht, woraufhin der Wert dann gleich auf 96 anstieg, und auch der Blutdruck war einigermaßen in Ordnung.

Irgendwelche Spritzen bekam er - ich hatte hinterher jede Menge Verpackungszeug wegzuräumen - und dann ging die Telefoniererei los, welches Krankenhaus ihn aufnehmen würde.

Wie schon beim letzten Mal weigerte sich die Klinik hier vor Ort - es ist eine Frechheit, denn der Anrufende erzählte seinen Kollegen dann, die Stimme, die sich dort gemeldet hätte, habe ziemlich verschlafen geklungen, offenbar habe man dort schlicht keinen Bock.

So wurde es dann das Krankenhaus im Nachbarstadtteil, per Luftlinie werden es nicht mehr als 7 oder 8 Kilometer sein, mit dem Bus ist es etwas umständlicher und ich werde umsteigen müssen, aber immerhin muss ich diesmal nicht auf die andere Rheinseite.

Um 1:05 sind sie abgefahren mit F., ich gab ihm gute Worte mit und vor allem diesmal auch gleich sein Handy inkl. Ladekabel und dann stand ich auf einmal allein vor dem Haus und fühlte mich so einsam, dass ich hätte schreien mögen.

Habe ich nicht getan, stattdessen ging ich das Chaos beseitigen, die Möbel wieder zurechtrücken und machte mich im Internet auf die Suche nach diesem KH und den Busverbindungen nach dort.

Seitdem starre ich alle paar Minuten auf WhatsApp in der Hoffnung, dass sich an F.s Online-Status etwas verändert haben könnte, was aber bis jetzt nicht der Fall ist.

Denke, eine halbe Stunde warte ich noch, dann werde ich mal anrufen, schätze, er wird von der Notaufnahme direkt auf die Intensivstation gelegt werden, abwarten was ich erfahre.

... und hoffen, aus mehr besteht mein Leben gerade eigentlich nicht mehr. 


Habt einen schönen Tag und ... bleibt bitte gesund!

 

PS: Als ich den Leuten nach dem ganzen Gerenne schwer keuchend die Tür öffnete, fragten sie gleich, ob ich der Patient sei, was ich verneinte.

Das hätte och noch gefehlt, dass die mich einpacken und F. hier vergessen hätten. 🙄


PPS um 4:28: Hoffentlich war es nicht der größte Fehler meines Lebens, den Notarzt gerufen zu haben, denn nun erfuhr ich, dass sie ihn im KH sofort ins Koma gelegt haben, er wird inturbiert und beatmet. 

Während Corona hatte man ausführlich Gelenheit zu lesen, dass diese Methode längst überholt ist und mehr Schaden als Nutzen anrichten kann, d.h. ICH WILL DAS NICHT!!! (... und hoffe inständigst, dass ich das richtig sehe ...)

Nachdem ich das durchdacht hatte, verweigerte mir die Ärztin auf der Station jedes weitere Gespräch und verwies mich darauf, dass ich dann ja während der Besuchszeit mit dem Stationsarzt reden könne.

Wie hilflos kann man sich eigentlich fühlen???

Ausgerechnet zu einer Uhrzeit muss das alles geschehen, wo alle schlafen und man niemanden erreichen kann.

F.s Schwester, die notgedrungen sehr Intensivstation-erfahren ist, habe ich alles geschrieben und hoffe, dass sie sich beizeiten zurückmeldet, denn ich brauche dringend eine zweite Meinung, aber ich werde auf jeden Fall gleich um neune mit dem Bus losfahren - auch wenn die Besuchszeit auf Intensiv wohl erst um 16 Uhr beginnt -, die Vorsorgevollmacht nehme ich mit, außerdem die CD mit den Befunden des letzten Krankenhausaufenthaltes und dann sehe ich weiter, notfalls werde ich die Verlegung in ein anderes KH verlangen.

2 Kommentare:

  1. Hallo, Liebe „Rex-Mama!“

    Meiner Meinung hast du absolut richtig gehandelt!
    Auch wenn es dir jetzt vielleicht anders vorkommen mag.
    Deine Entscheidung, den Notarzt zu rufen, war notwendig und aus Liebe und Fürsorge getroffen das hat ja auch „F“ eingesehen und erkannt.
    Diese ständige Unsicherheit, diese Gratwanderung zwischen Abwarten und Handeln, ist ein unglaublicher Druck, den du so lange ausgehalten hast.
    Du hast das einfach nur auf Bewundernswerte Weise gemeistert.

    Was aber wirklich eine Frechheit ist das Verhalten der Ärztin.
    Dass sie sich geweigert hat, in dieser ohnehin schweren Nacht mit dir zu sprechen, ist unprofessionell und unmenschlich.
    Dich auf die Besuchszeit und ein Gespräch mit dem Stationsarzt zu vertrösten, während du mit der Sorge um F. fast zerbrichst, zeigt leider keine sichtbare Empathie.
    So sollte niemand behandelt werden, der gerade so eine Nacht hinter sich hat und durch solch eine Hölle geht.


    Bei all dem darfst du aber bitte, bitte nicht dich selbst vergessen.
    Du hast wirklich unglaubliches geleistet. Physisch wie auch emotional, irgendwann musst du auch an dich denken. Deine Kraft ist unerschöpflich, das sieht man daran, wie du dich für F. einsetzt, aber auch du brauchst – ob du das hören magst oder nicht - Momente der Erholung, um weiter für ihn stark zu sein.

    Ich hoffe so sehr, sehr dass du bald gute Nachrichten bekommst. Du „F“ besuchen kannst und sich alles zum Besseren wendet. Bis dahin schicke ich dir ganz viel Kraft und fühle mit dir.



    Alles Liebe für „F“, Dich und „Rex-Bubi“
    lifeminder

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  2. Sie hat ja mit mir geredet, lieber lifeminder, aber eben nur bei meinem ersten Anruf.
    Danach musste ich erst mal verdauen, was sie mir gesagt hatte, nämlich das mit der Beatmung, die ungeheuer quälend sein muss und während Corona wohl für viele zusätzliche Tote verantwortlich war.
    Ich recherchierte kurz und rief dann noch einmal an, denn das halte ich nicht für den richtigen Weg, zumal die im anderen Krankenhaus ja deutlich gezeigt haben, dass es auch ohne geht.
    Die Dame spricht nur gebrochenes Deutsch und vermutlich kommt ärztlicher Dünkel hinzu, so nach dem Motto, das sei nun so und fertig.
    Womit ich mich nicht zufrieden geben werde.
    Um 9:33 fahre ich los und hoffe, dass ich mehr erfahre bzw. erreichen kann.

    Danke dir fürs Mitfühlen und lieben Gruß!

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