Als ich gestern an der Haltestelle auf den Bus wartete, kam gegenüber meine Nachbarin A. aus dem Haus und überquerte direkt die Straße, als sie mich sah.
"Alles gut bei euch?", rief ich ihr zu, doch noch bevor sie hochkam auf den Bürgersteig, kam ein Nein und ich hakte sofort nach: "Oh, was ist denn passiert?"
"Ich habe letzte Woche meine einzige Tochter verloren ..."
Du liebe Zeit, wie entsetzlich war das denn?
Spontan nahm ich sie in den Arm, drückte sie und schon begann sie zu erzählen.
Vormittags rief die Tochter sie an: "Mama, mir geht es schlecht, ich bekomme keine Luft."
Der Notarzt war bereits verständigt, A. fuhr sofort hin, doch trotz aller Bemühungen der Ärzte war die 42-Jährige zwei Stunden später tot - eine Lungenembolie und nicht einmal ein Tubus hatte sich noch legen lassen.
Da stehst du morgens auf und ahnst nicht, dass du kurz darauf kein Kind mehr haben wirst.
Noch schlimmer geht es kaum noch, zumal A. selber auch herzkrank und nicht sehr belastbar ist.
Was für eine Hölle ... und blöderweise näherte sich nun auch noch ein Bus.
"Ist das deiner, musst du den nehmen?", fragte A., ich sagte, das sei zwar meiner, aber ich könne genauso gut auch auf den nächsten warten, doch sie meinte, nein, fahr mal, zumal sie selbst auch einen Termin hatte.
Natürlich ging mir das nun nicht mehr aus dem Kopf und es war gut, dass ich einen Einkaufszettel dabei hatte, denn so konnte ich meine Erledigungen fast mechanisch abarbeiten - unter anderem besorgte ich für das Fotobuch einen Luftpolsterumschlag, nur um daheim dann festzustellen, dass ich noch einen gehabt hätte. Zwar hatte ich gesucht, aber hinter dem Sauerstofftank nicht gut genug, denn genau dort hatte sich das Biest versteckt gehabt. 🙄
Wie schon am Samstag war ich so schnell, dass die App nicht bereit war, mich ein zweites Handyticket aktivieren zu lassen, also fuhr ich mit dem von der Hinfahrt zurück und überlegte die ganze Zeit, ob und wie ich weiter auf A.s heftigen Verlust reagieren könnte.
Man will sich niemandem aufdrängen, andererseits weiß ich selber, wie jämmerlich allein ich mich fühlte, als F. so auf der Kippe lag, und wie dankbar ich für jedes liebe Wort gewesen wäre, also schrieb ich ihr einfach über WhatsApp, dass es mir sehr leid tat, als der Bus so früh kam, schickte ihr noch mal eine virtuelle Umarmung und bot an, jederzeit da zu sein, falls sie das Bedürfnis zum Reden haben sollte.
Sie bedankte sich so lieb, dass ich ihr heute früh erneut ein festes Drückerchen schickte, einfach nur ein kleines Zeichen, dass da jemand ist, der an sie denkt ...
Dann nahm der Tag mich wieder in Anspruch und als ich mich später auf meine Umfragen konzentrieren wollte, fühlte ich mich auf einmal um fast fuffzich Jahre zurückversetzt.
Damals brütete ich über irgendwelchen Referaten am Sekretär in meinem Kinderzimmer und wurde von oben durch die Decke von meinem Bruder volles Rohr mit ACDC beschallt, und nun war es F., der das gleiche vom Wohnzimmer aus mit mir machte.
Kurz wollte ein gewisser Widerwille gegen die "Höllenglocken" in mir aufwallen, die mir das Konzentrieren erschwerten, aber dann besann ich mich und war stattdessen froh, dass F. hier bei mir ist und wieder die Energie hat, sich so etwas reinknallen zu wollen. 🤗
Später bewies mir Rex, dass sein Gehör immer noch sehr gut funktioniert, genau wie der Draht zwischen uns, denn als ich hochging, um die Betten zu machen, und er mir dabei an den Fersen klebte, ahnte ich schon, dass ein Gewitter im Anzug sein müsste.
Was dann auch kam, wenn auch nur mit einem einzigen Rumpler, dafür aber mit einem heftigen Guss.
Heute Morgen schrieb mich schon sehr früh mein Brüderlein an, ein wenig mulmig war ihm wohl, weil er sich auf den Weg machen musste für ein Langzeit-EKG.
Hatte F. auch schon, also konnte ich ihn beruhigen, dass es zwar nicht angenehm ist, sich aber durchaus aushalten lässt, und dann erfuhr ich, dass er sich zum ersten Mal seit Jahrzehnten durchchecken ließ.
Blutdruck zu hoch und einige Blutwerte ebenfalls etwas, nun bin ich gespannt, was da weiter herauskommt und inwieweit er bereit sein wird, sich auch mal selber mit dem Thema zu befassen, statt blind nur auf die Ärzte zu vertrauen.
Langweilig wirds nicht hier und nun gehe ich mich erst mal eine Runde mit Herrn Hoover vergnügen ...
Habt einen schönen Tag und ... bleibt bitte gesund! 😉
Oh je ! Die gleiche Diagnose wie bei mir und meinem Bekannten. Ich bin daher immer sehr dankbar, daß ich überlebt habe.! Tja, das mit der Gleichstrom / Wechselstromband gefällt mir auch. Und ich an liebsten auf Youtube unterwegs. Da gibt es ein ganz tolles Life Konzert.
AntwortenLöschenJep, dafür kannst du wirklich dankbar sein und ACDC, na ja, früher in der wildesten Kellerdisco aller Zeiten, jo, da passte das, aber daheim als Untermalung bei der PC-Arbeit brauche ich sie eher nicht.
LöschenMein Bruder ist aber auch glühender Fan.
Hallo, Liebe „Rex-Mama!“
AntwortenLöschenEinfach unfassbar traurig, was deiner Nachbarin da widerfahren ist. Diese plötzlichen, unvorstellbaren, unerwarteten Verluste lassen einen selbst beim Lesen sprachlos zurück.
Du hast so ein feines Gespür für Menschen und zeigst immer, dass du einfach da bist, ohne dich aufzudrängen, das ist unbezahlbar.
Ich bin sicher, dass deine warmen Worte ein kleiner Trost für sie sind.
Zu „F“ und wie er auf der Kippe stand, fällt mir nur ein, dass da sicher auch hin und wieder Zuspruch von dieser Seite kam – der vielleicht nicht immer der lauteste war – möglicherweise lauter hätte ausfallen sollen und können - aber dennoch nachlesbar im Blog da. - Das nächste Mal macht man es in ähnlichen Situationen bestimmt besser.
Bleib du und deine Lieben auch gesund, das ist wirklich das einzige was zählt!
Lieben Gruß
Vom lifeminder
Aber ja, lieber lifeminder, dieser Zuspruch kam und ich war auch sehr froh darüber, überhaupt, mir alles von der Seele schreiben zu können.
LöschenWas ich schrieb, bezog sich auf mein persönliches Umfeld, denn aus der Nachbarschaft kam ja gar nix, obwohl sie alle Bescheid wussten.
Da merkt man dann halt, wer sich für bissken Blabla und Partymachen eignet und wer da ist, wenn es eng wird, was aber sicher ein allgemein gesellschaftliches Problem ist.
Tod und Krankheit, sogar Armut werden nach Möglichkeit ausgegrenzt, darüber spricht man nicht, wo uns doch die Werbung und Influencer vorgaukeln, wie herrlich unbeschwert alles ist.
Liebe "Sorry, wenn ich das nicht klar genug ausgedrück hatte"-Grüße zurück! ;-)
Hallo, Liebe "Rex-Mama!"
AntwortenLöschenVor allem ging es mir darum, nochmals mitzuteilen, dass du in diesem Punkt recht hattest. - ... und ich sehe das auch nach wie vor so, da hätte auch noch ein wenig mehr aus meiner Richtung kommen können! - Ich finde es schön, dass du überhaupt dich traust, dass so klar zu schreiben. - Warten wir mal ab, ob ich in ähnlicher Situation den gleichen Mut aufbringen werde?