Es ist wirklich schade, dass all die vielen alten Einträge verschwunden sind, in denen ich die Erlebnisse mit ihm jeden Tag festhielt, angefangen bei der Aufregung, bevor er überhaupt erst mal per Flieger hier eintraf, denn das zog sich über einige Wochen hin, weil er auf Gran Canaria erst noch kastriert wurde und dann auch noch eine Flugpatin gefunden werden musste.
Das hier war das Erste, was wir von ihm sahen und als wir ihn vor dem Parkhaus aus seiner Box befreiten und ich ihn zum ersten Mal an der Leine spürte, dachte ich: Mein Gott, das ist ja gar kein Hund, das ist ein Panzer ... 😲
So starr wirkte er, so unnachgiebig, so hart und dann musste er auch noch gleich mit uns in einen kleinen Aufzug und anschließend mit mir auf den Rücksitz unseres Autos.
Zum Glück wirkte da noch das Beruhigungsmittel ein wenig nach, das man ihm vor dem Flug verpasst hatte, aber kaum startete ich dann direkt vom Aussteigen aus mit ihm zum ersten gemeinsamen Gassigang, war es damit vorbei.
Ganz offensichtlich hatte er keinerlei Leinenerfahrung, er zerrte und zog, dass ich meine liebe Mühe hatte, und dann kam ein Hund auf uns zu und er drehte völlig durch.
Wütendes, aggressives Bellen und mit seinen heftigen Sprüngen riss er mir fast den Arm aus, selbst mit beiden Händen war es ungeheuer schwer, ihn halten zu können, zumal er mir mit seinem Gespringe auch rücksichtslos immer wieder an die Beine rammelte und auf die Füße trat.
Erst nach und nach merkte ich, dass er auf fast alles so reagierte: Artgenossen, Katzen, Fahrräder, Mopeds, orangefarbene Wagen der Stadt bzw. Müllabfuhr und ganz schlimm wurde es bei LKWs.
Das Gassigehen war die reinste Hölle für mich und daheim war es auch nicht besser.
Ein halbes Jahr lang fütterte ich ihn ausschließlich mit der Hand, immer in Form von Trainigsrunden, so wie ich es hier einmal mitfilmte.
Im Garten hatte ich einen Parcours aus Stangen gebaut, übte dort immer wieder das Bei-Fuß-Gehen usw., aber es nützte alles nichts, war kein Futter im Spiel, weigerte er sich, mich überhaupt wahrzunehmen und beim Gassi war dann eh wieder alles weg, wimmelte seine Welt doch förmlich vor lauter bösen Feinden.
Eine Zeitlang nahm ich immer eine Wasserflasche mit, bespritzte ihn, was zunächst auch half, aber bald schon trat der Gewöhnungseffekt ein und die bösen Feinde waren viel wichtiger.
Tabus jeglicher Art war er nicht bereit zu akzeptieren und meine vermeintliche Hundeerfahrung nach 15 Jahren Püppi konnte ich getrost abschreiben, nichts, absolut nichts funktionierte bei ihm wie zuvor bei ihr.
Wir selber etwas essen?
Im Leben nicht, der Tisch war doch dazu gedacht, dass Hunde mit einem Satz draufspringen und sich über die Teller hermachen, und ein Mann, der selber im Sessel sitzen will?
Nicht mit Rex, da schmeißt man sich derart heftig in voller Länge drauf, bis das arme Herrchen das Weite sucht, und natürlich sind auch auf dem Schreibtisch stehende Tastaturen dafür da, dass Hunde drauf herumturnen.
Nachdem Püppi in hohem Alter mal unsere hühnerleiterartige Treppe hinuntergestürzt war, wollte ich dafür sorgen, dass Rex von Anfang gar nicht nach oben darf.
Pustekuchen ...
Aus räumlichen Gründen ist ein Treppengitter hier nicht möglich, also schraubten wir eine Klappleiste an die Wand, von der ein Vorhang herunterhing. Für Rex kein Hindernis, so schnell, wie er das alles abgerissen hatte, konnten wir kaum gucken und natürlich war das Sofa der bevorzugte Platz, seine Geschäfte zu erledigen.
Nachts verbarrikadierten wir den Durchgang zum Wohnzimmer mit Brettern, deckten zusätzlich alles mit Plastikdecken ab und für die Türen oben mussten wir neue Schlösser besorgen, damit wir über Schlüssel verfügten, denn selbst nach oben gedrehte Türgriffe stellten für dieses Untier kein Hindernis dar und dann druff uff die Betten ..., um sie zu markieren. 🙄
Mehr als einmal war ich froh, dass sich der Couchtisch zwischen uns befand, wenn er wieder mal mit gefletschten Zähnen davor stand und sehr wütend auf mich war, weil ich nicht so mitspielte, wie er das wollte, und ständig hatte ich komplett zerkratzte Arme und Beine, weil er so wüst an mir herumsprang und mit seinen Krallen überall zulangte.
Nein, das machte keinen Spaß und einmal fehlte der Tisch zwischen uns, er wagte sich mich anzuknurren und die Zähne bedrohlich zu fletschen, da wurde ich so sauer, dass ich ihn einfach packte und auf den Boden drückte. Wenn ich mich recht entsinne, sogar auf den Rücken.
Keine Ahnung, wie mir das überhaupt gelang, aber immerhin beeindruckte ihn das. (Und mich auch ... 🤣)
Irgendwann fuhr ein Rettungswagen mit Martinshorn am Garten vorbei, Rex begann mitzuheulen und nun tat ich endlich das, was schon bei Püppi so tolle Wirkung zeigte, ich stimmte mit ein.
Das verblüffte ihn und ... auf einmal schien er mich so richtig bewusst wahrzunehmen, schaute mich an, wir ahmten gegenseitig das Hochrecken des Kopfes nach und bestärkten uns immer wieder gegenseitig in der Heulerei.
Aha, das war es also, ich musste viel mehr auf seine Art der Kommunikation eingehen.
Eigentlich hatte ich das auch mit Püppi schon so gehalten, wir hatten uns irgendwo auf der Mitte getroffen, doch bei Rex musste ich noch weiter weg von meiner menschlichen Postition, also begann ich nun ebenfalls die Zähne zu fletschen, wenn er meinte, dies tun zu müssen, tat es dann auch, wenn er einfach nur bockig war, wobei ich mir natürlich genau angeschaut hatte, wie er das macht, erst mal leichtes Zucken der Mundwinkel, wenn das nicht reicht, weiter nach hinten damit und nach und nach die Zähne zeigen.
Jo, das kam an, wie ich deutlich an seiner Reaktion sehen konnte, denn zunehmend war er es, der dann nachgab und den Kopf wegdrehte, Desinteresse vortäuschte, ein Zeichen für Deeskalation.
Das waren natürlich nur zwei der vielen Bausteine, die ich mir zusammensetzen musste, bis es mir gelang, endlich ein Band zwischen Rex und mir zu knüpfen, bis er bereit war, wirklich mit mir zusammenzuarbeiten.
Dazu gehörte z.B. auch, dass er lernen musste hinzunehmen, dass ich ihm etwas aus dem Maul nehme, dass ich ihn jederzeit beim Fressen unterbrechen darf, denn er ist ein Straßenhund und wird sich nie abgewöhnen lassen, draußen alles aufzunehmen, also auch möglicherweise Vergiftetes, von dem man in unserer Gegend immer wieder liest.
Fürs Gassigehen nahm ich mir unendlich viel Zeit, sobald er wieder das Zerren anfing, blieb ich unvermittelt stehen und es ging erst weiter, wenn keine Spannung mehr auf der Leine war. Oftmals exerzierten wir dieses Spielchen alle fünf Schritte, aber auf Dauer zeigte es Wirkung, er ging immer manierlicher und sogar das mit den anderen Hunden bekam ich besser in den Griff.
Nach Möglichkeit musste ich sie vor ihm entdecken - vorbei wars also damit, untwegs so wie zu Püppis Zeiten ganze Kurzgeschichten im Kopf zu formulieren, denn nun musste ich stets höchst wachsam sein, aber es kam tatsächlich der Moment, wo ich begann mich auf unsere Ausflüge zu freuen, wurden sie doch zusehends entspannter.
Tja, und dann ging F. in Rente, übernahm ganz selbstverständlich das Gassigehen, gut für mich, dachte ich, war ich doch nicht böse über die zeitliche Entlastung, bis dann die Krankheit kam, ich wieder selber übernehmen musste und zu meinem Entsetzen feststellte, dass F. meine ganzen Erfolge zunichte gemacht hatte.
Rex' ganze Unarten waren wieder da, vielleicht noch stärker als zuvor ... 😢
Vermutlich hätte ich das schnell wieder in den Griff bekommen, wenn ich weiter zu nachtschlafender Zeit bei ausgiebigen Gängen hätte üben können, aber seit hier so viel Gruppen junger Männer unterwegs sind, ist mir das nicht mehr geheuer und wenn es erst mal hell ist, wimmelt es von Hunden.
Seitdem kriege ich das mehr schlecht als recht über die Bühne. Mal sehen, jetzt ist es ja wieder früher hell, vielleicht starte ich den nächsten intensiven Anlauf, wobei ich dann allerdings immer am Gelände der ehemaligen Schule vorbeimuss, von der keiner so genau weiß, welche Gruppen inzwischen im Innern ihr Unwesen treiben.
Ansonsten gab es nichts Neues gestern, bis auf den Großbrand, vor dem uns Nina warnte.
Bei Facebook wurden in örtlichen Gruppen sogleich Videos und Bilder davon gezeigt, mal wieder ein seit Langem leerstehendes Werk, vermutlich eine "warme Sanierung" ...
Nicht weit weg von uns, aber doch so weit, dass bis auf den Rauch keine Gefahr für uns bestand.
So, unnu sollte ich hurig los in Richtung Aldi.
Habt einen schönen Tag und ... bleibt bitte gesund! 😉
PS: Hier hatte ich mal gefilmt, wie es aussah, wenn F. mit Rex unterwegs war. 🤣
Danke für deine Erlebnisse mit Rex die du uns hier schilderst. Ich fand es sehr interessant. Ich erinnere mich noch genau als eine Frau aus dem Tierheim vorbei schaute und das Umfeld inspitzierte wohin der schöne Hund kommen wird. Es dauerte dann eine Weile bis er sich eingewöhnt hat. Die zeit mit ihm möchte ich nicht missen. Beim Gewitter suchte er meistens Schutz im Keller. Allerdings mit er selbstständige Ausflüge und war mal weg oder er saß in der Nacht vor der Haustüre.
AntwortenLöschenBei Püppi war es damals auch so, dass zwei Frauen des Tierheimes kamen, um zu schauen, ob sie es hier schön hatte.
LöschenBei Rex war es nicht nötig, weil die auf Gran Canaria vom ersten Tag an in meinem Blog mitlasen und so immer sahen, dass es ihm gut ging - lange Zeit sogar besser als mir. 😂
Hallo, Liebe „Rex-Mama!“
AntwortenLöschenDer erste Eindruck – ein „Panzer“ an der Leine, lässt erahnen, dass euer gemeinsamer Weg alles andere als einfach war.
Ich kenn ja deinen schwierigen Weg mit „Rex“ - Teilweise aus Berichten - aus unserem alten Blog-Zuhause!
Unglaublich, wie viel Geduld, Beobachtungsgabe und auch Kreativität du aufgebracht hast, um sein Verhalten zu verstehen und eine echte Verbindung zu ihm aufzubauen.
Ob es das auch ist, was Menschen dazu treibt Hunde auszusetzen, man schafft sich ein Tier an, findet jedoch oder sucht überhaupt keine Verbindung?
„Rex“ ist mittlerweile vom Alter schon ein älterer Herr?
Hat den Rex noch Lust und drang zu lernen?
Das Video wie er „F“ zerrt und durch und in die Büsche springt find ich sehr unterhaltsam. „Jumptime!“ 😉
Liebe – welches Tier macht wohl am meisten Pausen? Ich würde auf das KänguRU(H) tippen! - Grüße
Vom lifeminder
Leider, lieber lifeminder, lernten wir uns ja erst kennen, nachdem diese ersten ganz heftigen Jahre schon vorbei waren.
LöschenHihi, hättest du damals schon mitgelesen, wären dir mit Sicherheit die Haare zu Berge gestanden. 🤣
Tatsächlich bin ich davon überzeugt, dass Rex in 95% aller Fälle umgehend im nächsten Tierheim gelandet wäre, sogar U., selbst Schäferhundhalterin, hatte Angst vor ihm.
Warum Hunde im Tierheim leiden, seufz, mitunter liegt es sicher an Tod oder Krankheit, aber oftmals sind die Leute wohl einfach nicht in der Lage, der Verantwortung nachzukommen, die man nun einmal übernimmt, wenn man sich für ein Tier entscheidet.
Und jo, an sich ist Rex nun schon ein älterer Herr, doch merken tut man nix davon, er ist neugierig und immer zu neuen Schandtaten bereit.
Gott sei Dank ... -))
Liebe Känguunruh-Grüße zurück! :-))