Dienstag, 27. Mai 2025

Jawoll!!! 😊

 Ein bisschen fĂŒhlte ich mich so, als habe ich selbst ein VorstellungsgesprĂ€ch, als ich mich mit A. um fĂŒnf vor halb zehn in der FußgĂ€ngerzone traf, und auch sie erzĂ€hlte mir spĂ€ter, dass sie ziemlich aufgeregt gewesen sein und gottfroh, dass sie nicht allein hingehen musste.

PĂŒnktlich betraten wir die Apotheke, ich erklĂ€rte einer Mitarbeiterin unser Ansinnen und erfreut meinte sie, ja, der Herr xxx (der Inhaber) sei sogar schon im Haus, einen Moment bitte, sie wĂŒrde ihn anrufen.

Kurz darauf erschien er, ein schlanker, großer Mann von vielleicht 50 Jahren, und bat uns beide mit nach oben - zwei Etagen erklommen wir in einem dieser wunderschönen Altbauten, wie ich sie so sehr mag.

Bevor wir sein BĂŒro betraten, gab er uns erst einmal die Hand, ich stellte mich vor und erklĂ€rte auf seinen fragenden Blick hin, dass A. mich gebeten hatte mitzukommen fĂŒr den Fall, dass sie etwas nicht ganz richtig verstehe, dass ich mich aber selbstverstĂ€ndlich auch zurĂŒckziehen könne, wenn er lieber allein mit ihr sprechen wolle.

Letzteres sagte ich mit leichtem Augenzwinkern und traf damit wohl gleich den richtigen Ton, denn er ging sofort darauf ein, nein, meine Anwesenheit sei ihm sehr recht und ... er mĂŒsse sich auch fĂŒr sein etwas derangiertes Aussehen entschuldigen, denn er habe in der Nacht Notdienst gehabt.

"Oh je", fragte ich nach, "war denn viel los?"

Nein, das nicht einmal, aber nun berichtete er von Deppen, die anrufen, ihn also aus dem Schlaf reißen, um sich zu erkundigen, ob er Notdienst habe. Wenn ja, dann kĂ€men sie so in zwei Stunden mal vorbei ... 🙄

Wir waren uns einig, dass manche Menschen einfach nur rĂŒcksichtslos und dĂ€mlich sind, und dann wandte er sich A. zu, sie solle doch einmal von sich erzĂ€hlen.

Sie berichtete von ihrem Studium und der Zeit in der Apotheke einer Privatklinik in Ankara, doch als er sich dann erkundigte, warum sie in Deutschland seien, wurde es etwas haarig, denn sie ließ das Wort "GĂŒlenisten" fallen.

Ich muss ihr morgen unbedingt sagen, dass das kein guter Ausdruck ist, weil er irgendwie den Eindruck von Extremismus vermittelt (GĂŒlen-AnhĂ€nger klingt milder, finde ich), entsprechend zuckte Herr xxx nun auch fast zusammen und ich merkte, dass ich mich einschalten musste, denn er wusste mit "GĂŒlen" zunĂ€chst nichts anzufangen, verwechselte den Namen sogar mit "Imamoglu", dem von Erdogan eingeknasteten BĂŒrgermeister von Istanbul.

Also klÀrte ich ihn auf, sagte auch ganz offen dazu, dass ich seit zweieinhalb Jahren versuche mir ein Bild zu machen, allerdings bestÀtigen könne, was auch A. sagte, dass man nÀmlich sehr viel Wert auf Bildung lege, und dass ich bei meinen Besuchen im Verein immer nur die allerbesten Erfahrungen machte.

Dann erkundigte er sich nach Mann und Kindern - bei Letzterem schaltete ich mich noch einmal ein und erzĂ€hlte ihm, dass die Tochter ihr erstes deutsches Wort im Kindergarten lernte, es nichtsdestotrotz aber schaffte, in der Grundschule als Klassenbeste abzuschließen und dass sie im Sommer aufs örtliche Gymnasium wechseln wĂŒrde.

Er schien wirklich beeindruckt und begann nun auch selbst zu erzĂ€hlen, dass er nĂ€mlich in einer seiner drei Filialen eine aus RumĂ€nien stammende Mitarbeiterin habe. Vor zwei Jahren war sie  bei ihm angekommen, konnte kaum Deutsch, bat um ein Praktikum und Ă€hnlich wie nun ja auch bei A. habe er zunĂ€chst abgewinkt, versprĂ€che sich nichts davon.

Dann habe er sich aber umbesonnen und inzwischen sei sie eine seiner besten Mitarbeiterinnen.

FĂŒr mich natĂŒrlich der perfekte Punkt einzuhaken, weil es ja nun auch um die Sprache ging, die er ĂŒbrigens bei A. schon gelobt hatte. Sie beherrsche die deutsche Grammatik inzwischen besser als vermutlich die meisten Deutschen, die man so auf der Straße treffen könne, sagte ich und dass ihr halt einfach die Übung fehle, weil die tĂŒrkische Community hier derart groß sei, dass sie paktisch ĂŒberhaupt keinen Kontakt zu Deutschen habe.

Mit Ausnahme von mir und ... gemeinsam wĂŒrden wir fleißig daran arbeiten. 

Zwischendurch bimmelte mal sein Handy, er ging dran und A. und ich nutzen die Zeit uns mal eben die HĂ€nde zu drĂŒcken und vielsagend anzuschauen, denn es klang alles sehr gut.

Nachdem er aufgelegt hatte, entschuldigte er sich, aber das sei seine Frau gewesen und es sei vorteilhaft fĂŒr ihn, sich mit ihr gutzustellen.

Hihi, lachte ich, davon könne mein Mann auch ein Liedchen singen und so hatten wir alle drei immer wieder auch Spaß wĂ€hrend des langen GesprĂ€ches, in dem ein wirklich guter Draht entstanden war.

Der damit endete, dass er, nachdem er ihre Unterlagen durchgesehen hatte, begann, den Bogen fĂŒrs Arbeitsamt auszufĂŒllen, das heißt, sie hat den Praktikumsplatz und am nĂ€chsten Montag geht es los.

Genau sechs Wochen lang und hier muss ich mir mal selber auf die Schulter klopfen, denn ich habe mit meiner Einmischung wahrlich den perfekten Zeitpunkt, sozusagen den allerletzten Termin erwischt, weil genau sechs Wochen spĂ€ter die Sommerferien beginnen und dann hat A. natĂŒrlich die Kinder den ganzen Tag an der Backe.

Dann war der Papierkram erledigt und er kĂŒndigte an uns jetzt noch durchs ganze Haus fĂŒhren zu wollen, sagte zu mir gewandt: "Dann lernen Sie das auch alles einmal kennen."

Wirklich ansprechend alles, in einem grĂ¶ĂŸeren BĂŒro saßen mehrere Damen vor PCs, Herr xxx stellte A. gleich vor, alle begrĂŒĂŸten sie richtig freundlich und was mir persönlich gut gefiel, ist, dass der Chef mit allen per du ist, also nicht den dicken Maxe herauskehrt, wirklich angenehm.

Den Pausenraum sahen wir und die TĂŒr zum "Allerheiligsten", nĂ€mlich der Maschine, die dafĂŒr sorgt, dass unten hinter der Theke die gewĂŒnschten Medikamente ausgespuckt werden, und am Ende lernte A. auch gleich noch die leitende Apothekerin kennen, ebenfalls eine sehr freundliche Frau und dann standen wir wieder in der FußgĂ€ngerzone und mussten das Erlebte erst einmal kurz sacken lassen. 

Ob wir noch im BĂ€ckereicafĂ© etwas trinken gehen wollten, frage A. und ... natĂŒrlich wollte ich.

Beide entschieden wir uns fĂŒr einen Kakao und sie ließ es sich nicht nehmen, mich einzuladen, was ich aber gar nicht wollte

Doch, gerade heute sei ihr das ein BedĂŒrfnis, meinte sie, also ließ ich sie gewĂ€hren und dann saßen wir an einem Tisch und hatten Raum, unsere Freude laufen zu lassen.

Nicht allen Einzelheiten hatte sie folgen können, weil Herr xxx sich weniger MĂŒhe machte als ich, besonders deutlich zu sprechen, aber rasch konnte ich ihr alles erklĂ€ren und alles Wichtige hatte sie ja sowieso mitbekommen.

Richtig vergnĂŒglich war unser Beisammensein und als wir aufbrachen und ich sagte, dass ich noch zu Aldi wollte, merkte ich, dass sie noch gar keine Lust hatte, sich von mir zu trennen. Kurzerhand begleitete sie mich und nun rĂ€chte es sich, dass ich mir ausnahmsweise keinen Einkaufszettel eingesteckt hatte, waren es doch nur wenige Teile, die ich holen wollte

Von denen ich dann natĂŒrlich vor lauter Plauderei die HĂ€lfte vergaß, wie ich hinterher feststellte. 🙄

Butter war in großen Mengen um 30% reduziert, ich selber kaufe nie welche, aber A. nahm ein PĂ€ckchen in die Hand, schreckte aber - ganz ein Kind der heutigen Wegwerfgesellschaft - zurĂŒck, als sie das Datum sah, das nur noch zwei Tage anzeigte.

Ja, sie wisse es ja selber, meinte sie, als ich sie darauf hinwies, was fĂŒr ein Quatsch das sei, und schließlich legte sie das PĂ€cken mit in meinen Einkaufwagen.

An der Kasse wollte sie es herausklauben, aber ich sagte, lass gut sein, leg es zu meinen Sachen, du hast ja eben den Kakao bezahlt.

Widerwillig fĂŒgte sie sich und dann schnappte sie sich meine TĂŒte, wĂ€hrend ich den Wagen zurĂŒck an seinen Platz stellte.

"Gib her", forderte ich sie auf, aber nein, sie wollte sie fĂŒr mich tragen und erstaunlicherweise auch ĂŒber das Ende des Parkplatzes hinaus, an dem sie eigentlich in die andere Richtung hĂ€tte abbiegen mĂŒssen.

Hihi, sie wollte sich wirklich noch nicht trennen, begleitete mich bis zu unserer HaustĂŒr und als ich sie dort dann fragte: "Traust du dich?", nickte sie tatsĂ€chlich und kam mit mir hinein.

Rex leinte ich sofort an, A. begrĂŒĂŸte kurz F., der am PC saß, dann ging ich mit ihr in den Garten, wo im Bereich der HintertĂŒr ja immer zwei StĂŒhle bereitstehen, wenn auch ohne Tisch.

Hier saßen wir dann noch einmal eine halbe Stunde beisammen, sie genoss das GrĂŒn und die vielen bunten Blumen, dann aber musste sie sich doch verabschieden, um den Kleinen vom Kindergarten abzuholen.

So lief es also gestern, ein voller Erfolg, und nachdem der Apotheker sich auch meine Daten noch notiert hatte, wĂŒnschte ich mir fast, er wĂŒrde sich aus irgendeinem Grunde mal melden, denn dieser Mann war mir ungeheuer sympathisch und ich habe das GefĂŒhl, wir könnten uns noch viel zu erzĂ€hlen haben, auch unabhĂ€ngig von A. 

Die mich ĂŒbrigens auch dringend mal einem weiteren Menschen aus ihrem Verein vorstellen möchte, offenbar ein Anwalt, ebenfalls geflĂŒchtet.

Schaun mer mal, was noch alles so kommt, auch wenn wir unsere Treffen nun in den nĂ€chsten sechs Wochen gewaltig werden einschrĂ€nken mĂŒssen.

DafĂŒr kĂŒndigte sie aber fĂŒr die Sommerferien allerhand Unternehmungen an, bei denen sie mich gern dabei hĂ€tte.

Sie hat fĂŒr sich und die beiden Kinder Karten gekauft, die sie in alle möglichen SehenswĂŒrdigkeiten oder ErlebnisstĂ€tten gratis oder zum stark ermĂ€ĂŸigten Preis hineinkommen lassen. Ob Zoo, Hafenrundfahrten, Museen, sehr viel Verschiedenes ist dabei und ich freue mich schon dolle darauf, auch aufs Freibad, wo sie mich sozusagen zur Sicherheit benötigt, denn weder sie noch die Kinder können bisher schwimmen.

Ist es nicht erstaunlich, was sich alles darauf entwickelte, dass ich ganz entgegen meiner sonstigen Gewohnheit vor nun schon zweieinhalb Jahren zufĂ€llig mal in die Nachbarschafts-App hieinschaute und M.s Anzeige entdeckte? 😊

 

Habt einen schönen Tag und ... bleibt bitte gesund! 😉

 

 

5 Kommentare:

  1. Das freut mich doch wirklich sehr, daß deine Bekannte den Praktikumsplatz in der Apotheke bekommen hat. Ich gestehe auch, daß wenn mir Jemanden von GĂŒlen erzĂ€hlt hĂ€tte ich große Probleme bekommen das richtig ein zu ordnen. Zu den "Helden" die beim Apotheker angefragt haben, ob er Nachtdienst hĂ€tte vermag ich nur sagen: dumm, dĂŒmmer, deutsch !

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    1. Ob dieser Anrufer Deutscher war, sagte er nicht, aber ich glaube, in Punkto RĂŒcksichtslosigkeit spielt die NationalitĂ€t keine Rolle.

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  2. Hallo, Liebe „Rex-Mama!“

    Beim Lesen versprĂŒhte diesen Blg so viel HerzenswĂ€rme und Miteinander (mal wieeder9 das es ein Fest war. - Ich hĂ€tte noch ein StĂŒckchen weiter gelesen. ;)


    Wie selbstverstĂ€ndlich ihr euch unterstĂŒtzt, fĂŒreinander da seid – sei es beim gemeinsamen GesprĂ€ch, beim Tragen der EinkaufstĂŒte oder mit einem Kakao, Solche Gesten machen Freundschaft spĂŒrbar. Auch das HĂ€ndedrĂŒcken zwischendurch großartig.

    So schön zu lesen, dass „A“. dir so sehr vertraut. Sogar so sehr dass sie sich bis hinein zu Rex traut! Wie reagiert den „Rex“ nach dem ersten Bellen und aufregen auf „A“ ?

    Ich hoffe sehr, dass du und „A“diesen Sommer viele besondere Momente erlebt. Generell wĂŒrde ich es schön finden wenn du im Sommer auch ein wenig „in die Welt kĂ€mst“.

    Dass A. das Praktikum bekommen hat, freut mich natĂŒrlich auch riesig! Der Apotheker hat da ganz sicher eine tolle Praktikantin gewonnen. – Auch wie ehrlich der Apotheker erzĂ€hlte von seiner RumĂ€nischen Angestellten fand ich gut.

    Noch besser gefiel mir nur mit wieviel TaktgefĂŒhl und Klarheit du dich fĂŒr „A“ eingesetzt hast.

    Ich frage mich, wenn du mit dem Apotheker zusammensitzen wĂŒrdest bei einem GesprĂ€ch, ob ich wohl da Inhaltlich einigermaßen folgen könnte? – Zumindest wĂ€re es sicher toll zu sehen, wie da SĂ€tze hin und herfliegen.

    Nachdem Apotheker folgt nun noch ein Anwalt, du sammelst ja Berufsgruppn und Menschen wie andere Briefmarke. Das aber durch Herz und nicht mit so einer kleinen Zange.
    Dass, du und „A“ schon zweieinhalb Jahre befreundet seid, kann ich kaum glauben, ich dachte an knapp etwas ĂŒber Jahr oder so.
    Man kann euch wirklich nur wĂŒnschen, dass ihr so stark miteinander verbunden bleibt. – Übrigens „A“ ist mir wirklich genauso als Charakter im Blog ans Herz gewachsen wie mittlerweile „F“ und „Rex“ aber lass die das ja nicht hören.



    Liebe – lebensfrohe – GrĂŒĂŸe
    Vom lifeminder

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    1. Lach, lieber lifeminder, diese GĂŒlen-AnhĂ€nger legen ja allergrĂ¶ĂŸten Wert auf Bildung und sehr viele von ihnen sind Akademiker, was allein aber natĂŒrlich noch nicht viel aussagen muss ĂŒber das Spektrum der GesprĂ€chsthemen, wenn so vieles in ihrem Leben sich um die Religion dreht.
      Es hĂ€ngt halt immer davon ab, wie weit jemand bereit und auch in der Lage ist, ĂŒber den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, und dieser Apotheker wirkte mir so, als tĂ€te er dies sehr gerne. Deshalb und auch wegen der Locker- und vor allem auch Offenheit war er mir so sympathisch.
      Solche Menschen mag ich einfach, die nicht lang herumdrucksen und in sich selbst alles Mögliche hineingeheimnissen, sondern frei von der Leber weg sind. :-))
      Rex hat nicht mal gebellt oder versucht hochzuspringen, ich nahm ihn an die Leine und als wir draußen saßen, saß er ganz brav neben mir, dass sogar A. ihn immer wieder ansah und leise SchnalzgerĂ€usche mit der Zunge machte.
      Doch wehe, er hat sich bewegt, dann kam sofort ein kleiner Aufschrei. đŸ€Ł
      Dieses Vertrauen zwischen A. und mir, ja, das hat sich wirklich wunderbar entwickelt, wobei ich denke, der erste ausschlaggebende Punkt war, als M. mich bei unserem ersten Treffen bei ihnen in der Wohnung fragte, ob ich von irgendwoher Geld bekĂ€me fĂŒrs DeutschĂŒben oder von ihnen welches erwarte.
      Nein, sagte ich, ich wolle einfach nur helfen und selbstverstĂ€ndlich kein Geld dafĂŒr haben, weil ich es einfach gut und unterstĂŒtzenswert finde, wenn jemand sich so aktiv bemĂŒht.
      Ich vermute, das hatten sie von einer "UnglĂ€ubigen" nicht erwartet, und schon damals sprachen wir dann darĂŒber, dass es halt ĂŒberall so ne und solche gibt, ganz gleich, welche NationalitĂ€t oder Religion.
      Und A. hat eine so wunderbare Art an sich, dass ich mich nach jedem Beisammensein sehr wohl und irgendwie innerlich ausgeglichen fĂŒhle.
      Ich kann es nicht einmal beschreiben, woran genau das liegt, aber es ist einfach so, sie tut mir richtig gut. đŸ„°

      Liebe Lebensfroh-GrĂŒĂŸe zurĂŒck! :-))

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  3. "Rex-Mama": "Sie tut mir richtig gut" - Schöner und genauer mit wenigen Worten, kann man Freundschaft nicht beschreiben.
    Da ist alles drin und das sagt alles aus!

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