... die Neigung zu übermäßigen Schuldgefühlen meist schon in der Kindkeit gelegt wurde.
Was, du hast nicht ordentlich genug geputzt, dies oder jenes "angestellt"? Darüber muss ich mich so aufregen, dass es meiner Gesundheit schadet, ich werde krank und am Ende bin ich gar so unglücklich über dich, dass ich gar nicht mehr leben mag.
So etwas sitzt tief drin und später setzt es sich fort: Was beklagst du dich denn, dass du vergewaltigt wirst, wenn du mit einem Minirock durch die Gegend läufst?
Psychisch oder physisch misshandelt, beraubt oder beklaut, besonders Frauen neigen oftmals dazu, die Schuld hauptsächlich bei sich selbst zu suchen, und ich merke, wie dieses Muster auch jetzt wieder bei mir zu greifen droht, zumal die Versicherung ins gleiche Horn bläst.
Nein, versichert seien wir nur gegen Einbruchdiebstahl, aber um einen Einbruch handele es sich ja nicht, wenn das Fenster offenstand, erklärte mir der durchaus freundliche Mitarbeiter am Telefon, nachdem ich mich durch eine ewig lange Warteschleife gequält hatte.
Erst als ich ihm auseinandersetzte, dass ich zwar das Wiederschließen ausnahmsweise vergessen hatte, mir aber ansonsten keiner Fahrlässigkeit bewusst sei, beschloss er mir mal die Bögen für die Schadensmeldung zu schicken, aber er ging davon aus, dass da nichts bei rauskäme.
Ich selbst hatte diese Befürchtung schon von Anfang an gehabt, äußerte sie auch den beiden Kripobeamten gegenüber, aber die sahen das anders, sagten, nein, damit, dass dies so geschehen könne, hätte ich beim besten Willen nicht rechnen können.
Ich fragte den Mitarbeiter sogar, ob er uns nicht einen der Versicherungsdetektive ins Haus schicken könne, wie man sie im TV immer sieht, denn ich denke, nur wer sich das vor Ort angeschaut hat, kann den ganzen Vorgang wirklich nachvollziehen.
Vermutlich werde ich also auf dem Verlust sitzenbleiben und nun muss ich schauen, dass ich die Schuldgefühle, regelrechte Scham mitunter, aus dem Kopf kriege, wobei mir mein Unterbewusstsein anscheinend helfen will.
Heute Nacht hatte ich einen Traum, in dem ich die Diebe (ein Pärchen) packte, als sie schon wieder ins Haus kamen. Der Typ war mehr als einen Kopf größer als ich, trotzdem prügelte ich auf ihn ein und donnerte ihn an, er solle es nicht wagen, nun auch noch eine Hand gegen mich zu erheben.
Tat gut, auch wenn beim Aufwachen dann die traurige Erkenntnis kam, dass es leider nur ein Traum war ... 🙄
Auch mein Treffen mit A. tat mir sehr gut, die Ablenkung war mehr als willkommen und wieder setzten wir uns auf den Balkon, wo wir diesmal wirklich intensiv arbeiteten.
Zunächst war es nicht zu übersehen, dass mein Kopf zurzeit doch arg strapaziert ist, denn ich holte die Brille aus meiner Handtasche und merkte erst eine halbe Stunde später, dass ich nicht sie, sondern mein Handy auf den Tisch gelegt hatte, und als mich A. fragte, was das "Gegenstück" zu Vokalen sei, musste ich tatsächlich erst einmal überlegen, bevor mir das Wort "Konsonant" einfiel. 😲
Sie wollte mir klarmachen, warum sie solche Probleme mit der Aussprache vieler Wörter hat, denn im Deutschen reihen sich oft mehrere Konsonanten aneinander, was die türkische Sprache vor allem am Wortanfang oder -ende gar nicht kennt.
Will sie z.B. Straße sagen, dann klingt das wie Sch-a-t-a-rrraße bei ihr, weil sie unbewusst immer einen zusätzlichen Vokal einbauen will und zudem auch das R noch rollt.
Sehr wertvoll für mich zu wissen, denn nun kann ich es noch viel besser nachvollziehen, was genau ihr Schwierigkeiten macht, und so üben wir weiter emsig an ihrer Aussprache. Im Prizip kann sie es nämlich, nur muss sie sich diese Automatismen abgewöhnen.
Als politisch Verfolgte kommt sie nicht an ihre Unterlagen in der Türkei heran, deshalb fällt das Gleichwertigkeitsgutachten ihres Studiums für sie flach und sie muss stattdessen eine Kenntnisprüfung ablegen. Gerade schickte sie mir per WhatsApp die Unterlagen, die sie dafür ausfüllen muss - wir werden das morgen gemeinsam bei ihr erledigen und dann ist da die Frage nach der Vorbereitung.
Ein Bekannter von ihr machte diese Prüfung ohne zusätzlichen Kurs vorher, doch er war in der Türkei bereits 15 selbstständig als Apotheker, war also zumindest fachlich fit, hatte nur das Problem mit der Sprache zu bewältigen.
Ihre eigene Berufserfahrung ist noch nicht so umfassend, daher hat sie sich für den Kurs entschieden, nichtsdestotrotz bereiten wir uns aber nun schon gemeinsam auf die Prüfung vor, auch wenn es bis dahin noch dauern wird.
Aus dem Internet hat sie sich Beispiele heruntergeladen und gestern arbeiteten wir schon einiges davon ab, u.a. übten wir Beratungsgespräche und mussten auch die ein oder andere medizinische Frage klären.
Trifft sich gut, dass ich in diesem Thema zumindest nicht ganz unbewandert bin, denn es kann ja nicht schaden, wenn ich weiß, wovon wir reden, und ihr auch Fragen dazu stellen kann, die ihr auf der Prüfung ebenfalls begegnen könnten.
Ehrlich, dieses Gefühl, gebraucht zu werden, macht mir große Freude, unsere immer intensivere Beziehung ja sowieso und auch F. bemüht sich übrigens seit Sonntag deutlich um mich.
Irgendwie scheint er gemerkt zu haben, dass ich an diesem Tag einen Punkt erreichte, an dem ich kurz davor war, einfach nicht mehr zu können, weil alles über mir zusammenzuschlagen drohte, und nun wirkt er gerade regelrecht rücksichtsvoll.
Ungewohnt, aber schön ... 🥰
Gestern Nachmittag nahm ich dann noch die nächste Hürde, machte mich ans Ausfüllen der Schadensmeldung für die Kripo, nachdem ich mit den Kopf wund recherchiert hatte, um zumindest mal ansatzweise Zahlen angeben zu können.
Gleich muss ich mir nur noch die Adresse des Präsidiums heraussuchen und den Briefumschlag beschriften, dann kann ich ihn morgen auf dem Weg zu A. bei der Post abgeben.
So geht das Leben weiter, Gott sei Dank, und im Moment bin ich froh, wenn möglichst viel Rummel herrscht, alles besser, als in sinnlose Grübeleien zu verfallen.
(Vor allem will ich auch nicht über die Ratte nachdenken, die ich gestern durch den Garten huschen sah, obwohl es noch hellichter Tag war. 🙄)
Lasst es euch gut gehen und ... bleibt bitte gesund! 😉
Das Thema mit den Schuldgefühlen ist ja nicht so abwegig. Ich stellte fest, daß mir vor Jahren etwas von meiner Terrasse geklaut wurde. NEIN, es war nicht so wertvoll wie bei euch Schmuck und Uhren. Ich rief bei meinem Versicherer an, der mir sagte, daß es keine Leistungen gibt, weil ich ja nachlässig gehandelt habe. Hätte ich das Teil nicht liegen lassen, dann sähe das ganz anders aus. Auch mein Argument, gewesen wäre lies man nicht gelten. Da muß man schon sehr bewußt handeln. Damals hätte ich mir vor lauter Ärger in den Arsch beißen können.
AntwortenLöschenBei meinem Bruder war es ein sehr teures Gerät, für das die Versicherung zwar zahlte, aber nur den Zeitwert und der war angeblich lächerlich gering, so dass er sich nicht mal ansatzweise dafür Ersatz beschaffen konnte.
LöschenVor Wut hat er die Versicherung gekündigt und riskiert es nun lieber ohne.
Hallo, Liebe „Rex-Mama!“
AntwortenLöschenIch hab beim Lesen mit dir mitgekämpft, mitgeschimpft, mitgelächelt.
Diese Schuld-Dynamiken, die man so tief drin hat, sind wirklich tückisch. Wie ein innerer Automatismus, der sich selbst dann noch einschaltet, wenn man eigentlich genau weiß, dass er Unsinn ist. Umso stärker, dass du das bemerkst und benennen kannst – das ist ja oft schon der halbe Weg raus.
Übrigens ein Rock oder Kleid oder was auch immer – kann nie Schuld daran sein, dass eine Frau angegriffen wird. – Wer ein Mensch angreift, attackiert und gegen dessen Willen berührt hat sie einfach nicht mehr alle, ganz einfach. Nicht die Frau ist Schuld, sondern immer nur der Täter.
Irgendwie tröstlich dein Traum, dass sich da innen drin was zur Wehr setzt, selbst wenn die Realität anders aussieht. – Zumindest ist dir hier schon mal Gerechtigkeit widerfahren.
Begegnung mit A. – So eine wohltuende Gegenwel! Dass du ihr auch weiterhin helfen kannst, und gleichzeitig auch verstehst, wo sie sprachlich kämpft, ist wirklich etwas Besonderes. Das mit den Konsonanten und dem rollenden „R“ war mir bisher auch nicht bewusst.
Lass „F“ ruhig mal machen. Vielleicht wächst da ja jemand gerade über sich hinaus - und dir wird es gut tun, wenn sich zur Abwechslung auch mal jemand um dich kümmert!
Liebe – weiterhin zuversichtlich – Grüße
Vom lifeminder
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Das ist es ja, was mich gerade auch so fasziniert, lieber lifeminder, der Blick von außen auf unsere Sprache, denn selbst wenn einem bewusst ist, dass Deutsch schwer ist, macht man sich gemeinhin doch keine Vorstellungen davon, wo genau die Fallstricke liegen.
LöschenLiebe Zuversicht-stelle-ich-mir-toll-vor-Grüße zurück! ;-))