Sonntag, 21. Juli 2024

Wie ist das eigentlich mit dem freien Willen?

 War es wirklich mein freier Wille, dass ich mich vorgestern für die Pizza als Belohnungsessen entschied?

Na ja, so ganz stimmt das nicht, denn wäre ich stinkreich, hätte ich mir vielleicht von meiner Haushälterin ein Steak braten lassen oder hätte mir frische Austern kommen lassen, sofern ich sie irgendwann in meinem Leben so schätzen gelernt hätte, dass ich sie als Belohnung ansehen würde.

Und wäre ich so sozialisiert worden wie meine aus Thailand stammende Schwägerin, dann wäre die Wahl womöglich auf gegrillte Heuschrecken gefallen - immer eine vermeintlich freie Entscheidung, aber eben doch zurückzuführen auf ganz viele Faktoren, die letztlich dazu führten. 

Will sagen, alles was ich denke, fühle, entscheide, ist das Ergebnis einer schier unendlichen Kette von Dingen, die das begründen, was ich dann für meine freie Entscheidung halte.

Das ging mir gestern so durch den Kopf, als mir A. schrieb, dass sie mit den Kindern das Freibad besucht hatten.

Ob sie denn auch im Wasser gewesen sei, wollte ich wissen und bekam zur Antwort einen weinenden Smiley, nein, ihre Badekostüme seien bei der Flucht leider in der Türkei geblieben.

Wäre sie so sozialisiert worden wie ich, könnte sie sich für nen Zehner mal eben einen Bikini oder einen Badeanzug bei Kik holen und ab ins Wasser, aber so einfach ist das für sie eben nicht.

Hatte ich das Wetter gestern wirklich genossen, beklagte sie sich über die Hitze, die für sie wohl fast unerträglich gewesen war, kein Wunder - ich selbst springe hier in kurzem Flatterhöschen und Top herum, während sie bis auf Gesicht und Hände jeden Zentimeter ihres Körpers sorgsam verhüllen muss.

Muss? Ist es wirklich ein Muss?

Ich habe nie mit ihr darüber gesprochen, weiß also nicht, ob sie dann sagen würde, sie täte das aus freien Stücken, aber selbst wenn, würde ich das doch stark zu bezweifeln wagen.

Ich sah mal ein Foto von ihr mit Mutter und den fünf Schwestern - allesamt so eingepackt, wie ich es auch bei ihr immer sehe, und ich schwöre, ich würde keine davon auf der Straße erkennen können, denn sie nehmen sich ja selbst jede Individualiät, sind im Grunde alle uniformiert - im Gegensatz zu den Männern, die fröhlich im T-Shirt herumlaufen und im Schwimmbad natürlich in der Badehose.

Wenn ich so aufwachse, von Anfang an nichts anderes lerne, als dass sich eine anständige und gottesfürchtige Frau verhüllen und im Hintergrund halten muss, dann erfahre ich nichts als Druck:

Die Familie erwartet es von mir, darüber hinaus die ganze Sippe, die Dorfgemeinschaft, später auch der Ehemann und das Schlimmste daran ist, dass sie alle damit argumentieren, dass es ja Gott ist, der das so wolle, womit jede Gegenwehr im Keim erstickt werden kann, zumal man den Betroffenen auch einredet, nur so seien sie besser als die verkommenen westlichen Frauen.

Gefangen ist sie in uralten, frauenverachtenden Traditionen und einer Religion, an der die Zeit der Aufklärung leider spurlos vorüberging und die tief ins Allerprivateste vor allem der Frauen eingreift.

In letzter Zeit las ich vermehrt über Mobbing an Schulen, wo muslimische Jungs Mädchen drangsalieren, die sich nicht verhüllen möchten, und je größer die Herkunftscommunity wird, umso größer wird auch der Druck, der Gruppenzwang.

Und dann kommen deutsche Emanzen daher, die sich vehement dafür einsetzen, dass das religiöse bzw. politische Kopftuch unbedingt überall erlaubt sein müsse, weil es ja den Willen der Frauen bekunde ... 

Was ich komplett anders sehe und ich bin ja nun wirklich nah dran am Thema.

Es ist nicht A.s freier Wille, der sie dazu verleitet! 

Sie sagte mal, wie sehr sie die "Freiheit" in Deutschland genieße, außerdem merke ich oft, wie sie sofort darauf anspringt, wenn es um den Frauentag oder um Frauenrechte geht, und vermutlich betrachtet sie es schon als außerordentlich frei, dass sie studieren durfte und ihr Mann ihr auch das Arbeiten gestatten würde, sofern sich denn etwas für sie fände.

Ich denke wirklich oft darüber nach, immer bereit meine Einstellung dazu zu hinterfragen, aber gerade weil ich nun immer mehr Einblick in das Leben dieser Frauen bekomme, verfestigt sich meine Meinung eigentlich immer mehr.

Klar, so mancher argumentiert, seine Oma habe auch noch ein Kopftuch getragen, aber erstens trug meine eigene niemals eines im Gegensatz zu B.s Oma im Dörfli, die Bäuerin war und bei der Feldarbeit eins aufsetzte, und zweitens sind all die betroffenen jungen Mädchen keine Omas, sondern leben im Hier und Jetzt.

Hier haben sich die Frauen spätestens Anfang des letzten Jahrhunderts zu wehren begonnen. Die unselige Macht der Kirchen war dank der Aufklärung zurückgegangen und nun fielen die Korsetts, die Röcke wurden kürzer, man schnitt sich demonstrativ die Haare ab und kämpfte für Wahlrecht usw., doch in der islamischen Welt fand das eben nicht statt.

In meinen Augen wäre es richtig, das Kopftuch in Schulen, an Arbeitsplätzen und in öffentlichen Gebäuden zu verbieten, denn nur so wären Mädchen und Frauen zumindest dort vom Gruppenzwang befreit, dem sie ansonsten überall ausgesetzt sind. Sicher gäbe es dann einige, die nicht so weit über den antrainierten Schatten zu springen in der Lage wären, aber ich denke, dem Großteil könnte man damit helfen.

Ich muss mal mit A. darüber sprechen, bin gespannt, wie sie das sieht.

Ansonsten gab es hier gestern nichts Neues, es war von halb fünf am Morgen bis etwa 22 Uhr fast durchgehend ein mit Arbeit vollgepackter Tag, aber drei Fotos möchte ich euch doch noch zeigen.

Zum einen hatte es Rex. als der Gasmann hier war, mal wieder auf den Blumentopf neben der Tür abgesehen. Diesmal warf er ihn komplett um und hinterher sah es ziemlich zerrupft aus:

Außerdem hatte er auch versucht, über die unter dem Badfenster stehenden Säcke mit Blumenerde zumindest hineinzuschauen, wenn nicht sogar ins Haus zu kommen, und mir scheint allmählich, dass er das auch über diesen Blumenkübel probieren möchte, den er übrigens nur angeht, wenn der Gasmann hier ist.

Am gleichen Tag hatte ich ihn schon einmal in den Garten ausgesperrt, als nämlich der Stadtwerkemensch den Wasserzähler wechselte, da machte er gar nix, also hängt es offenbar doch mit dem lauten Zischen zusammen, das beim Füllen des Sauerstofftanks entsteht.

Erkläre mir einer, was in so einem Hundekopf wohl vor sich gehen mag ... 🙄😅

Und hier noch die ersten Ergebnisse von Tomate und Paprika, die dieses Jahr zwar genug Regen, dafür aber viel zu wenig Sonne bekommen:



Und nun frage ich mich, was mein freier Wille zur Entscheidung sagt, ob es zum Kartoffelsalat Fisch oder Fleisch geben soll? 🤣


Habt einen schönen Sonntag und ... bleibt bitte gesund! 😉



6 Kommentare:

  1. Für den Begriff freier Wille oder Willensfreiheit gibt es keine allgemein anerkannte Definition. Umgangssprachlich versteht man etwas anderes unter dem freien Willen als im juristischen oder psychologischen Sprachgebrauch. In der Philosophie wird der Begriff nicht einheitlich definiert. Wikipedia
    Liebe, dieser Einlassung schließe ich mich an. Und von Gott hat man sich, nach dem zweiten Gebot Moses kein Bildnis oder Gleichnis zu machen- doch gerade, weil es geboten ist, sind die Menschlein geil darauf, sich Gottgleich zu geriren. Die Religionen mit ihren Anführern sind die massivsten Gebotsbrecher. Für jeden gilt m.E. "mea culpa", damit hätte ich meine Willensfreiheit definiert.

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    1. Na ja, mein Lieber, wenn man vom Determinismus ausgeht, was ich im Grunde tue, dann ist die Frage, inwieweit "mea culpa" dann noch zum Tragen kommt ... *grübel*

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  2. Hallo, Liebe "Rex-Mama!"

    Das bemerke ich auch, dass der Freie Wille manchmal gar nicht so Frei ist, wie er sein könnte.
    Jedoch bekomme ich auch mit dem manchmal sogar deutsche/europäische Frauen und Mädchen sich hinterfragen, ob sie denn hier oder da die Klamotten tragen können, die sich eigentlich gerne tragen würden. - Sowas wird unter meinen ältesten Mädels diskutiert, wie auch unter älteren Frauen und Mädels im Bus oder sonst wo.

    Diese kleinen Machos, die gerne Vorschriften dem weiblichen Geschlecht machen möchten aufgrund Religion etc. laufen auch hin und wieder durch Worms. Doch da waren bisher auch immer dabei, sofern sie mir begegnet sind, die vernünftig agierten und andere zur Ordnung riefen.

    An Tagen wie gestern verhüllt herumzulaufen, wie das diese Frauen bewerkstelligen fordert, einem vieles an Respekt ab. - Wollen wir mal hoffen, dass es hier nie so weit kommt.

    Für "A" bleibt zu hoffen, dass sie vielleicht weiterhin "ihre Freiheit" in "ihren Rahmen" sucht. Sie scheint mir auf dem richtigen Weg zu sein?

    Das ist - und du hast es ja schon 1000 Mal in deinen Blog erwähnt, das viele auch nur in ihrer eigenen Blase verkehren, unter ihresgleichen, somit vieles an Denkansätzen und neuem verschlossen bleibt, wobei es möglich wäre, hier und da aus altbekannten Mustern auszubrechen.

    Ein toller Beitrag, das wäre ein Beitrag den man so toll in Schulen usw. diskutieren könnte.

    Kann es sein das Rex so ein Radau macht, das er euch von dem zischen beschützen will und stets er damit verbindet, das seine Familie in Gefahr ist? - Dennoch ist er ein Schlawiner, weil ihm stets etwas Neues einfällt.



    Liebe - die Gedanken sind frei und der Wille auch - Grüße
    Vom lifeminder

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    1. Ich frage mich natürlich auch oft, lieber lifeminder, was ziehe ich zu diesem oder jenem Anlass an, aber wie immer ich mich entscheide, es geht mir ja darum, dass diese Entscheidung ihre Vorgeschichte, ihren Grund hat.
      Zu meinem Klassentreffen bin ich beispielsweise nicht nackt gegangen und nun ist die Frage, warum ich es nicht tat, war das mein freier Wille oder doch geprägt von den Erfahrungen und der Prägung, die ich erfuhr, und natürlich vom Gesetz?
      Das Problem ist, dass man eben nicht so einfach "aus altbekannten Mustern ausbrechen" kann, wenn man die ganze Community samt Familie gegen sich hat, zumal so etwas für die Frauen auch durchaus mal mit dem Tod enden kann.
      Der Witz ist, dass wir hier gegen alles auf die Straße gehen, was nach "rechts" riecht, was sich gegen andere Kulturen, gegen LGBTQ usw. richten könnte, aber wenn die gleichen Ansichten von Muslimen gepflegt werden, dann verbieten wir uns jede Kritik und tolerieren auch Frauenfeindlichkeit.
      Ob es "hier so weit kommt", hängt ausschließlich von den Mehrheitsverhältnissen ab, denn wenn z.B. in einer Schulklasse nur noch 5% der Mädchen unverhüllt herumlaufen, dann ist die Frage, wie lange sie dem Druck standhalten, damit als verdorben und ungläubig zu gelten.
      Wenn man so weit geht, selbst Intoleranz zu tolerieren, dann kann das sehr schnell nach hinten losgehen ...
      Bei Püppi hätte ich es übrigens unterschrieben, dass sie mich beschützen will, bei Rex scheint es eher der Drang zu sein, auf alles losgehen zu wollen, was ihn verunsichert, in diesem Falle als das laute Zischen.

      Liebe Nichts-Genaues-weiß-man-nicht-Grüße zurück! :-)

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  3. Dein Aufzählen von Essen macht mir die Pizza genüsslich, aber ich bin außen vor bei gegrillten Heuschrecken. Hier hätten deine Paprika und Tomaten ausreichend Sonne bekommen. Eine Bekannte von mir ist allerdings sehr betrübt, daß ihre Tomaten immer noch grün sind und nicht wachsen wollen. Deine Erzählungen aus dem Dörfli bringen auch wieder Erinnerungen an meine Kindheit zurück. Mit meiner Oma ging zum Rüben raus machen zum Feld. Da wurde auch gleich noch die Stängel entfernt, so daß man sie auf einem Haufen aufreihte und später problemlos auf einen Hänger aufladen konnte. Unterwegs kamen wir an einem kleinen Brunnen vorbei, der bei der Wärme kühles Wasser spendierte. Gibt es heute nicht mehr. Ich meine das kleine Brünnchen.

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    1. Hihi, bei Heuschrecken wäre ich auch nicht dabei, im Gegensatz zu meinem Bruder, der sich gerade in Thailand vermutlich wieder die abenteuerlichsten Sachen reinzieht.
      Beim Rübenhacken war ich auch öfter dabei und den Heimweg durften wir Kinder hinten auf dem Anhänger verbringen ... :-)

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