... liegt alles, das wurde mir gestern wieder einmal bewusst.
A.s Sohn wurde fünf Jahre alt, also schickte ich über WhatsApp Luftballons, gratulierte und staunte, wie schnell auch dieser kleine Mann wächst und älter wird.
Recht zügig ging mir auch alles andere von der Hand und just als ich überlegte, dass ich, bevor ich fürs Mittagessen in die Küche müsste, eigentlich noch genug Zeit hätte, meinem neuen Haarschnitt mit Strähnchen noch ein paar Lichtreflexe zu verpassen, klingelte das Telefon.
Meine Tante war es, die Frau von Mutterns verstorbenem Bruder, und als ich ihre Stimme hörte, ahnte ich gleich nichts Gutes, hatten wir doch erst vor ein paar Tagen miteinander telefoniert.
Sehr bedrückt klang sie und was ich dann erfuhr, erschütterte auch mich zutiefst: "Du, ich wollte dir sagen, dass die Gaby gestorben ist."
Ihre älteste Tochter, also meine Cousine, die ich selber leider nur als Kleinkind kannte, weil meine Mutter ja sämtliche Kontakte zu ihrem Teil der Familie für sich allein beanspruchte.
"Gaby und Peter habe ich damals noch kennen gelernt", sagte ich, "die beiden jüngeren dann ja leider nicht mehr."
Nun überlegte sie, wann wir uns denn wohl zuletzt gesehen haben mochten, und was dann kam, verblüffte sie über die Maßen.
"Das kann ich dir ganz genau sagen, das war in Gelsenkirchen."
"Wie, habt ihr uns da denn mal besucht? Da haben wir doch gar nicht lange gewohnt und du musst doch noch sehr klein gewesen sein."
"Macht nix, ich entsinne mich genau, ihr fuhrt einen hellblauen DKW mit weißem Dach, nicht wahr?"
"Ja, du liebe Zeit, woher kannst du das denn wissen?"
"Ich weiß es genau, weil wir parkten und lachten, dass neben uns genau das gleiche Auto wie unseres stand. Später erfuhren wir dann von euch, dass es euer Wagen war."
Erst recht staunte sie, als ich nun fragte: "Gell, eure Wohnung befand sich in einem mittelhohen Wohnblock, es war eine ganze Siedlung, davor lange Zeilen mit Parktaschen? Und ... ihr hattet eine recht große Wohnküche, wo in der linken Ecke ein Kinderbett stand. Darin Peter, der irgendetwas mit dem Bein hatte?"
"Ja, er bekam nach seiner Geburt eine halbseitige Lähmung ..."
Wir ermittelten dann, dass ich zu dieser Zeit allerhöchstens fünf Jahre alt gewesen sein kann - wirklich erstaunlich, dass ich mir das alles bis heute fast wie einen Film abrufen kann, was bei mir aber tatsächlich sogar noch länger zurück funktioniert. Bei etwa drei Jahren hört es dann allerdings auf ...
Zum Glück für meine Tante, muss ich fast sagen, hat sich die unselige Art meiner Oma, Familien mit Zwistigkeiten zu überziehen, nicht nur auf meine Mutter vererbt, sondern auch beim Bruder lief es ähnlich - zwei von den vier Kindern brachen irgendwann den Kontakt zur Familie ab, Gaby lebte eh in Berlin, war zunächst selbstständig, baute sich eine eigene Familie auf, dann aber kippte ihre Psyche, sie verzankte sich mit allen, bevor auch noch der Krebs hinzukam, der nun endgültig gesiegt hat.
Natürlich ist es trotzdem das Schlimmste, was einer Mutter passieren kann, ein Kind zu verlieren, aber immerhin wird Tante H. im täglichen Leben nichts fehlen, es gab ja keine Anrufe, die nun auf einmal ausbleiben ...
Umso schöner für sie, dass es mir ihrem jüngsten Sohn so gut läuft, der das Haupthaus übernommen hat, während sie nun im Bungalow auf dem gleichen Grundstück lebt und von ihm liebevoll umsorgt wird.
Diesen Cousin lernte ich ja leider nie kennen, aber ich gab ihr nun meine Handynummer und wir verblieben so, dass er sich dann mal über WhatsApp bei mir melden kann, damit wir Fotos austauschen können.
Nachdem das Telefonat beendet war, waren die Strähnchen natürlich in weite Ferne gerückt. Selbst wenn ich Gaby im Grunde gar nicht kannte, fand ich das alles sehr traurig und als F. dann auch noch begann, am neuen PC alte Lieder zu spielen, war es fast um meine Fassung geschehen.
Ausgerechnet "Major Tom" ließ er laufen und zack, war ich in meiner Anfangszeit in Stuttgart, als dieser Song überall hoch und runter gedudelt wurde.
F. kannte ich zwar schon, aber zunächst war ich ja erst einmal drei Jahre mit Uli zusammen, der damals nicht ahnen konnte, dass er viel zu früh würde sterben müssen.
So stark wirkte er, als er gemeinsam mit mir Möbel schleppte und den neuen Gasofen in meiner Wohnung anschloss.
Und wie toll er Wasserski fahren konnte - er schaffte locker den ganzen Bodensee einmal der Länge nach durch und wieder zurück und konnte dabei sogar noch Zeitung lesen.
Und schon war ich in Gedanken wieder auf dem Boot seiner Familie, auf das wir auch meine eigene einmal mitnahmen. Natürlich gehörte zum Boot auch die passende Eigentumsferienwohnung direkt am See, wo wir alle spielend hineinpassten und dann ging es ab aufs Wasser, nachdem das Boot nach dem Winter wieder auf dieses zurückgekehrt war:
Auf diesem Foto wirkt es relativ klein, was es aber gar nicht war, denn unten in der Kajüte konnte man bequem schlafen, was wir jetzt aber natürlich nicht taten, denn stattdessen machten wir mit meinen Eltern und der kleinen Schwester einen Auflug in die Schweiz:
Von fünf Leuten, die wir damals waren, leben nur noch zwei und auf einmal fühlte ich, wie mich ein dunkler Schatten überrollen wollte.
Wofür das alles, wenn doch nichts Bestand hat und all das, was uns im Moment so wichtig, vor allem so lebendig erscheint, schon einen Moment später vergessen sein wird, inklusive der eigenen Person natürlich?
Was ist das für ein Scheißleben, wer hat sich etwas derart Nutzloses und ab der ersten Sekunde zum Niedergang Verurteiltes ausgedacht?
Soll das wirklich ein liebender Gott sein, der uns derartig leiden lässt, oder sind wir doch eher Teil eines riesigen Computerspieles und werden hin und hergeschoben, zum Leben erweckt oder getötet, wie es dem Spieler gerade in den Kram passt?
Nutzlos, sinnlos, nicht mehr wert als ein Möwenschiss, das ging mir durch den Kopf und ich wurde auch nicht unbedingt fröhlicher, als F. nun "School" und "Daddy Cool" laufen ließ, denn beide Lieder führten mich noch weiter in die Vergangenheit und direkt ins Kinderzimmer meiner Freundin A., in dem wir einst - meist vor dem Ausgehen - viel Zeit verbrachten und gemeinsam von allem Möglichen träumten.
Klar, A. ist noch bzw. wieder da, aber nicht nur dass ich Schwierigkeiten habe, sie mit ihrem runzelübersäten Gesicht optisch wiederzuerkennen, sondern auch aus ihrem Wesen ist jede Jugendlichkeit verschwunden.
Geht es um diese alten Lieder, stecke ich sofort wieder drin im Damals, sage z.B. zu ihr: "Ha, weißte noch, wie ich damals den xxx für dich anrufen sollte, um mal zu hören, wie er zu dir steht?", habe auch viele andere Gefühle und Ereignisse sofort wieder präsent, doch sie winkt nur ab, sagt höchstens, "Echt, war das so?", während ich selbst sofort bereit für "neue Untaten" wäre.
Seufz, ich sag's ja, es ist ein einziger großer Mist mit diesem Leben, die Augenblicke witschen uns davon, so wie sie da sind, und mit zunehmendem Alter geht das immer noch schneller. 🙄
Zum Glück lenkte F. mich dann von meiner Trübsalphase ab, weil er nämlich - mal wieder - ein Problem mit dem Handy hatte.
Diesmal war es die Aldi-Talk-App, die eine neue Anmeldung verlangte, was für ihn schon ein Buch mit sieben Siegeln war, doch als er dann endlich sein Passwort gefunden hatte und ich das für ihn erledigen wollte, guckte ich ebenfalls blöd, denn es gab kein Reinkommen, immer erschien eine Meldung, Passwort oder Telefonnnummer seien falsch.
Also Passwort zurückgesetzt, wieder reingekommen, doch blöderweise kann F. dann die Finger nicht davonlassen und versuchte es gleich noch einmal, mit dem gleichen Ergebnis wie zuvor. 🙄
Ich übernahm, ebenfalls ohne Erfolg, doch als ich F. nun zu erklären versuchte, dass die öfter mal Probleme mit der App haben und man es am besten einfach am nächsten Tag noch einmal probiert, wollte er das nicht gelten lassen.
Immer muss er alles jetzt und gleich haben, also begab ich mich an seinen PC, versuchte es von dort aus, ebenfalls vergeblich, bis ich denen schließlich über ihr Formular eine Mitteilung machte.
Heute früh gings gleich weiter, schon wieder legte er mir sein Handy vor die Nase, wollte das nun endlich geklärt wissen und als wieder nix ging und ich auch kein Update zur App fand, biss ich in den sauren Apfel und rief über mein Handy kostenpflichtig deren Hotline an.
Immerhin bekam ich sofort jemanden zu sprechen und der nette Mann erklärte mir genau das, was ich auch zu F. gesagt hatte, dass sie nämlich technische Probleme hätten und wir auch die Mail, mit der ihm inzwischen auch noch mitgeteilt worden war, man habe seinen Account wegen der vielen Fehlversuche nun gesperrt, einfach als gegenstandslos betrachten könnten.
Wir müssen immer wieder nach dem Update schauen, das in den nächsten Tagen erhältlich sein müsste, dann sollte alles wieder laufen.
Das Geld für den Anruf hätte ich mir sparen können, aber immerhin ist F. nun beruhigt und verlangt nicht ständig von mir, dass ich mich kümmern soll. 😁
Unnu sollte ich mal gucken gehen, wie es ihm in der Wanne ergeht ...
Habt einen schönen Tag und ... bleibt bitte gesund! 😉
Ja, an dieses Auto erinnere ich mich auch noch. Und unser Lehrer, der mir eine politische Karriere vorher sagte fuhr einen blauen Lloyd. Es gab einen Spruch: wer Tod nicht scheut fährt Gogo oder Lloyd. Sagenhafte 10 PS. Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen.
AntwortenLöschenIch habe mir die netto app runtergeladen. Wollte mir Fleisch kaufen, doch ich hab es dann sein lassen. Eine Überraschung erlebte ich nach dem Mittagessen. Ein Mitbewohner hatte für mich einen Mini-Haxen gekauft, dazu zwei Brötchen. Mit großem Genuß verspeiste ich alles. Eigentlich hätte ich das morgen zum Mittagessen machen können, ich hatte aber heute schon heute Lust drauf. Schön solche alte Fotos an zu schauen. Da kommen Erinnerungen hoch. Ich habe neulich auch ein paar alte fotos gefunden und stelle beim betrachten fest, so sehr verändert habe ich mich eigentlich nicht.
Na klar, vor diesem DKW fuhr auch mein Papa natürlich erst einen eierschalfarbenen Lloyd und dann einen knallroten Goggo. 😀
LöschenBringt die Netto-App denn überhaupt was, wenn man nicht zusätzlich auch Payback hat?
Dein Mitbewohner ist aber ein sehr netter, wenn er sich so lieb mit Köstlichkeiten versorgt. Solche Nachbarn hätte ich auch gerne ...
Hallo, Liebe „Rex-Mama!“
AntwortenLöschenDa gerät man ganz schön ins Grübeln, wenn man deinen Blog liest.
Erinnerungen an frühere Zeiten bestehen – da geht’s mir nicht anders – eben oft auf schmerzhafte Verluste, denn Alltagskämpfen und das Gefühl das gewisse Momente uns schenken, wenn wir daran zurückdenken.
Sehr erstaunlich, wie detailgetreu du dich an diese Szenen aus deiner Kindheit erinnern kannst! – Ich habe einige aus meiner Kindheit auch genau vor Augen, doch so genau wie du? Hm … ?
Ich habe mich direkt in diese Wohnsiedlung mit den Parktaschen gebeamt gefühlt.
Dass die Musik einen so ins Gestern katapultieren kann, kenne ich nur zu gut.
Übrigens „Major Tom“ erlebt seit knapp zwei Jahren ein sagenhaftes Comeback. Durch die Nationalmannschaft. Sobald ein Tor für Deutschland fällt, ertönt diese Musik beim Heimspiel. Der Sänger sagt, er mach gerade so viel Geld wie nie zuvor mit diesem Song. Es sei ihm gegönnt.
Aus „F“ werde ich immer noch nicht so richtig schlau.
Manchmal habe ich das Gefühl – der will dir bei so Technischen Kram keinen Glauben schenken, bis du ihn von „A“ bis „Z“ belehrt hast.
Liebe – Die Erinnerung lebendig zu halten ist etwas extreme Wichtiges – Grüße
Vom lifeminder