Das sagte ich gleich mehrmals zu F. und ... er gab mir aus vollstem Herzen recht, obwohl das Ganze auf seine Kosten ging.
Vor einigen Tagen hatte er den Zweiteiler "Sturm kommt auf" aufgenommen und obwohl ich ja nicht gerne Filme sehe, hatte ich mich einverstanden erklärt, dass wir uns das gestern reinziehen würden, denn seit der Umstellung auf Magenta One ist unser Speicherplatz ja sehr begrenzt.
Es war mein wöchentlicher Zigaretten-Produktionsabend, in der Regel bin ich damit knappe drei Stunden beschäftigt, also benötigte ich ein TV-Prgramm, das lange genug läuft, von daher passte es, doch ansonsten stolperte ich völlig unvorbereitet hinein.
Wer es nicht gesehen hat, hier kann man etwas dazu lesen, und ich muss sagen, ich bin immer noch einigermaßen ratlos, was ich dazu denken soll, obwohl es der Film immerhin geschafft hat, mich bis jetzt weiterzubeschäftigen, was nicht allzu oft vorkommt.
Wie gesagt wusste ich nicht einmal, worum es ging und sah mich dann von der ersten bis zur letzten Sekunde einer ungeheuren Düsternis ausgesetzt, 15 Jahre in einem Dorf, in dem es keinerlei harmlose und unbeschwert wirkende Alltatssitutationen gibt, sondern nur das Gefühl von Bedrohung und Hass.
Beklemmend war, dass mir natürlich sehr schnell auffiel, wie aktuell das alles ist, ob rechts, links, Religionen - die Ideologien fangen ihre Schäfchen auf Hochtouren ein und wieder spürt man den Hass auf allen Seiten, wenn auch inzwischen zu einem guten Teil im Internet.
Damals wie heute sind die Menschen ungeheuer willig, solchen Ideologien auf den Leim zu gehen, meist ohne viel Backgroundwissen, es genügt ja, angebliche Fakten weiterzuverbreiten.
Sehr stur und unreif kommt mir das vor: Ich habe mich einmal einer Sache zugewandt, also wird sie nun mit allem verteidigt, was mir zur Verfügung steht, ist doch viel bequemer, als selber zu denken ...
Und was mir dabei sehr bewusst wurde, ist, wie einfach es doch ist, über unsere Altvorderen zu urteilen. So leicht kann man sagen, sie müssen es doch gesehen haben, was geschah. Warum haben sie nichts getan?
Im Film waren es der Schuster und auch der Bürgermeister, die sich wie so viele versuchten aus allem herauszuhalten, aber das wird immer schwerer, je stärker die ideologisch Aufgeheizten werden. Manch einem wird kaum etwas anderes übrig bleiben, als sich zumindest nach außen hin anzuschließen, wenn er und seine Familie überleben wollen - schwer zu beurteilen und man kann nur inständig hoffen, dass man selber nie in eine solche Situation geraten wird.
Ich ärgere mich schwarz, dass ich nicht gefragt habe, als ich es noch gekonnt hätte, denn von sich aus hat niemand in meiner Familie über diese Zeit gesprochen, nicht einer tat es, doch bei meinem Opa väterlicherseits ist es klar, dass er den Nazis zugeneigt war, setzte er doch 1933 eine Anzeige in die Zeitung, dass zwei "kräftige Hitlerjungen" angekommen seien - mein Papa und sein Zwillingsbruder.
Und auch sein Hitlerbärtchen trug er bis zum Schluss:
Wie mag es für meinen Großonkel gewesen sein, dass seine Schwester (meine Oma) ausgerechnet mit so einem verheiratet war?
Auch er sprach nie über diese Zeit, ich weiß nicht einmal, ob er eine politische Position hatte, nur dass er wohl in beiden Weltkriegen kämpfen musste und kurz vor Ende noch seinen erst siebenjährigen einzigen Sohn verlor, als die Engländer die Edertalsperre bombardierten.
Hier mit seiner Mutter, meine Großtante Kächen:
(Über dem Bild steckt das Krönchen, das Kächen zu ihrer Silberhochzeit trug.)
Grafiker und Kunstmaler war der Onkel, ungeheuer belesen, ich erlebte ihn stets als ausgesprochenen Feingeist, und mal ehrlich, kann jemand ein Nazi gewesen sein, der sich selbst so karikierte?
... und der in Wirklichkeit so aussah:
Nein, bei ihm schließe ich das aus, er wahr wohl eher dem Schuster im Film ähnlich ...
Seufz, nichts Genaues werde ich jemals noch erfahren können, aber immerhin ist mir das Zeichen genug, dass ich unbedingt mit der Kiste meiner Mutter weitermachen muss, die nun schon seit über 10 Jahren darauf wartet, vollständig ausgeräumt zu werden.
Die Zeit fehlt mir, aber vielleicht suche ich auch nur nach Ausreden, nach einem Vorwand, es immer noch mal vor mir herschieben zu können, denn es ist ungeheuer schmerzlich für mich.
Tja, das sind also die Folgen, wenn F. mich dazu bringt, fast gegen meinen Willen Filme anzuschauen, und auf jeden Fall werde ich noch viel darüber nachdenken, vor allem auch über die Parallelen der damaligen Zeit zu heute und darüber, dass die Menscheit offenbar unfähig ist dazuzulernen. 🙄
Ansonsten war da noch unser Essen, das gestern aus Gyros, Bratkartoffeln und Bohnensalat bestand und wirklich lecker war:
Und dann noch reger Austausch mit A., die ziemlich traurig war, weil ihre Schwester nebst Kindern gestern zurückflogen in die Türkei.
Keine Ahnung, ob es ein Trost für sie sein könnte, aber ich sehe meine Familie sehr viel seltener als sie die ihre, obwohl wir zumindest teilweise ja im gleichen Land leben ...
So, und nun muss ich mir Herrn Hoover schnappen, schon wieder sonntags, aber es geht nicht anders, da F. diese Woche zum Labor muss und mir dadurch ein weiterer Tag fehlt, den ich voll einplanen könnte.
Habt einen schönen Tag und ... bleibt bitte gesund! 😉




Ich erinnere mich an meinen Onkel der oftmals, wenn er kam seine Erlebnisse aus dem WK 2 erzählen mußte. Wir hörten mit großem Interesse zu. Für uns war er ein Held. Seine Fluchtgeschichten aus Rußland begeisterten uns immer wieder. Adenauer war es, der ehemaligen Nazis mit Posten im Nachkriegsdeutschland versorgte. Spontan fallen mir zwei Namen aus dieser Zeit ein: Hans Karl Filbinger CDU Ministerpräsident über eine sehr lange Zeit. Einen Artikel im Spiegel bereitete seiner Karriere ein jähes Ende. Kurt - Georg Kiesinger NSDAP - Mitglied wurde als CDU Mitglied zum Bundeskanzler. Zuvor war auch er Ministerpräsident. Beate Klarsfeld eine sehr mutige Frau, die diesem Altnazi eine Ohrfeige gab. Diese Leute wurden von Niemanden verfolgt. Niemand regte sich darüber auf. Mein Großvater war gegen diese Leute eingestellt. Aber es gab hier keine Diskussion innerhalb der Familie.
AntwortenLöschenDa war dein Onkel aber echt eine Ausnahme, bei uns hat wirklich niemand von dieser Zeit gesprochen, auch auf F.s Seite nicht.
LöschenDieses Verfolgen, hm, mit der DDR lief es ja ähnlich, die Nachfolger der SED finden sich heute ja in der Linken wieder.
Schwieriges Thema ...
Hallo, Liebe Rex-Mama!
AntwortenLöschenAn die Zeichnung des Mannes mit Pfeife kann ich mich Lebhaft erinnern. Die Zeichnung gab es schon zwei, dreimal bei dir im Blog zu sehen, seit ich dich leese. D
Doch nun auch mal das Original zu sehen - war toll. Ich hätte das Original nicht auf der Zeichnung erkannt, wäre da nicht die identische Nase gewesen .
Das du dich so mit der Geschichte auseinandersetzt find ich toll. Ob ich schon mal gehört oder gelesen habe, dass die Rex-Mama ein Film stärker zum Nachdenken und analysieren bringt? - Glaube nicht.
Ich würde die Finger von der Kiste deiner Mama lassen und auch von dem "Nazikram" - der irgendwie immer mitspielt, wenn man Großeltern auch dieser Generation hatte - bis du dich wirklich bereit fühlst. Und wenn es nochmal 20 Jahre dauert, dauert es halt. Du hast auch so mehr als genug um die Ohren - pass bitte weiterhin gut auf dich auf.
Das Bild mit Mutter und Sohn ist einfach nur großartig.
Umso traurriger die Geschichte dahinter. Wie hart muss es sein ein Kind zu verlieren? - Mir tut das so schon weh, wenn ich so was in irgendwelchen Nachrichten lese.
Hm Bratkartoffeln waren aus meinem Kopf verschwunden - darauf hätte ich richtig lust. Wirklich Lust! - Gleich mal aufschreiben.
Aus meinen Ohren kommen mal wieder Denkwölkchen.
Der Blog wird mich sicher wieder eine kleine Weile begleiten, denn so richtig die Frage, was ich wirklich verbindlich von den Großeltern mütterlicherseits aus dieser Zeit weiß, habe ich mir noch nie so wirklich gestellt!
Liebe - 1 Uhr 36 - Grüße
lifeminder
Ja, lieber lifeminder, das war ungeheuer traurig, und ich denke, es war zumindest ein kleiner Trost für Onkel und Tante, dass ca. 17 Jahre nach dem Tod des Kleinen dann ich auftauchte und ja einen Großteil meiner Zeit bei ihnen verbrachte.
LöschenGanz selbstverständlich wuchs ich mit seinem Andenken auf, habe noch heute die kleine Silberdose vor seinem Foto stehen mit Haaren, die meine Tante ihm noch abschnitt, als er aufgebahrt war.
Ich finde es übrigens ungeheuer wichtig, so gut wie möglich nachzuvollziehen, was früher war, denn wir selbst sind ja letztlich das Ergebnis davon. Unsere Eltern wurden durch ihre Eltern geprägt, wir dann durch sie - wir sind nun einmal das Produkt aus unseren Genen und allem, was wir jemals erfuhren.
Ich brauchte Jahrzehnte, um aufzudröseln und zu verstehen, warum meine Mutter so hart zu mir war, warum sie mich als Kind derart als Dienstmagd behandelte und psychisch so klein wie möglich hielt. Das war ja keine Bösartigkeit von ihr, sondern die Folge ihrer eigenen Erfahrungen durch meine Oma, deren Verhalten sich sicher ebenfalls erklären ließe, wenn ich nur mehr über meine Urgroßeltern wüsste.
Gutes Beispiel ist auch die Freundin von A. mit der ich mich kürzlich so lange unterhielt. Am 25. fährt sie für sechs Wochen in die Pschiatrie, denn im Gegensatz zu mir hat sie sich nie damit auseinandergesetzt, warum sie solche Probleme hat, warum sie sich fühlt wie ein Vogel, dem man alle Federn abgeschnitten hat.
Und der Film, lach, gab es nicht kürzlich auch schon einen, der mich länger beschäftigte? *grübel*
Für mich sind halt Action oder seichte Kitschgeschichten pure Zeitverschwendung. Die schaut man an und hat sie auch kurz darauf schon wieder vergessen, ohne dass im Gehirn irgendwas passiert wäre.
Aber wenn man richtig Stoff zum Nachdenken bekommt, ja, dann ruhig her damit ... ;-)
Liebe "Oh, schon 9:58"-Grüße zurück! :-))