Mittwoch, 19. November 2025

Nur ganz kurz heute

 Denn um kurz vor neun muss ich F. zu einem Labortermin begleiten, etwas Daumendrücken, dass es trocken bleibt, könnte nicht schaden, weil mit Rollator ja das Benutzen eines Schirmes leider unmöglich ist.

Hinterher sollte ich mich dann gleich ohne Umwege in die Küche begeben, um einen großen Topf Spaghettisoße nach Art des Hauses anzufertigen und natürlich die dazugehörigen Nudeln zu kochen, d.h. der Vormittag ist voll.

Eines möchte ich aber doch kurz noch festhalten, nämlich was nun wieder im Stadtteil meiner Kindheit und Jugend geschah.

Er befindet sich direkt am Rhein, wo sich wegen der Transportmöglichkeiten nun einmal die Schwerindustrie ansiedelte, so dass er sich zu einem der klassischen Arbeiterstadtteile entwickelte, was ihn aber nicht daran hinderte, sich auf seiner Hauptgeschäftsstraße zu einem hervorragenden Einkaufsziel mit vielen Fachgeschäften zu entwickeln, zu dem die Leute auch aus entfernteren Orten gern anreisten.

Schon meine Großtante, Jahrgang 1905, wuchs dort auf, ihrem Vater gehörte dieses Haus und sie ist auf dem Foto die Zweite von rechts: 


 Später übernahmen es meine Eltern und nach Papas Tod verkaufte meine Mutter es vor ihrer Flucht in den Schwarzwald an einen kurdischen Imbissbetreiber.

Flucht deshalb, weil sie sich dort (wir hatten jahrzehntelang gegenüber von Tantes Haus gewohnt) einfach nur noch fremd und verunsichert fühlte, zumal die letzte der einst zahlreichen deutschen Metzgereien auch noch ihre Pforten geschlossen hatte und sie außer beim Discounter nicht mal mehr ein Schnitzel hätte kaufen können.

Als ich 1982 wegging nach Stuttgart, war es hier gerade losgegangen mit den ersten Versuchen, Weihnachtsmärkte zu betreiben, wie man sie bis dahin bei uns gar nicht kannte. Auch auf Tantes Straßenseite fand einer statt, und zwar unter den Arkaden, die man längst unter den ganzen Geschäftshäusern angelegt hatte.

Was sich aber im Laufe der nächsten Jahre ganz schnell wieder erledigte, denn weil sich die Bevölkerung immer mehr in eine türkische verwandelte, bestand gar kein Bedarf mehr dafür. 

(Eigentlich seltsam, dass man es überhaupt noch versuchte, musste doch bereits in den Siebzigerjahren das Schulfest meiner Schwester verschoben werden, weil Ramadan war.) 

1994 kehrte ich zurück, fuhr einmal in der Woche mit der Straßenbahn zu meinen Eltern, um Muttern die schweren Putzarbeiten abzunehmen, und machte es mir zu Gewohnheit, auf diesem Wege die verbliebenen deutschen Geschäfte zu zählen, deren Zahl rapide sank, woraufhin dann auch die einst so schöne Weihnachtsbeleuchtung  verschwand, denn dafür waren ja die Geschäftsbetreiber zuständig und wer muslimischen Glaubens war, hatte natürlich kein Interesse daran. 

Irgendwann im Sommer ertappte ich mich mal dabei, wie mich beim Aussteigen aus der Bahn der Gedanke überfiel, mein Gott, du bist ja völlig unpassend angezogen, ähnlich wie ich es empfunden hätte, wäre ich im Tunesienurlaub in einem ärmellosen Shirt und mit sichtbaren Haaren in einem Basar aufgetaucht. 

A. sagt oft, sie würde sich dort fühlen wie in den schlechteren Vierteln von Ankara oder Istanbul, wobei sie aber auch die hohe Zahl von nichttürkischen Ausländern bekagt, die inzwischen noch hinzugekommen sind ... 

Und leider wird es nun auch immer gefährlicher dort. Die evangelische Kirche, in der wir alle drei konfirmiert und meine Schwester auch getauft wurde, steht wie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten inmitten des "bunten Treibens" und genau vor ihr musste die Polizei zu Halloween mit einem Großaufgebot inkl. Videoüberwachung anrücken, um böse Randale und Angriffe auf Straßenbahnen wie im letzten Jahr zu verhindern, und nun las ich, dass am Sonntagabend um 19:20 Uhr ein junger Mann angeschossen wurde, fast direkt vor unserer ehemaligen Haustür.

Früher machte mein Papa genau um diese Uhrzeit gern noch einen kurzen Gang, ich selbst war in meiner Jugend zu jeder Tages- und Nachtzeit unterwegs, daran wäre heute gar kein Denken mehr, es wäre viel zu gefährlich.

Traurig, aber immerhin gut, dass Papa und vor allem auch die Tanten das nicht mehr mitbekommen, die würden ja denken, sie wären auf einem anderen Stern gelandet ...  

So, und nun sollte ich allmählich inne Büx springen und schauen, ob sich auf dem Rollator kein Staubkörnchen angesiedelt  hat, denn da ist F. pingelig ... 😁

 

Habt einen schönen Tag und ... bleibt bitte gesund. 😉 


 

6 Kommentare:

  1. Hallo, Liebe Rex-Mama!

    Das Foto - ist unglaublich. Das ist eines der tollsten Fotos die ich je gesehen habe. - Das hat eine wunderbare Ausstrahlung und zeigt Leben wie es war. Das ist wirklich was besonderes.

    In den 70er Jahren wurden schon Schulfeste verschoben wegen Ramadan - auch das habe ich zuvor noch nie gehört.

    Sind wir Deutsche neugieriger als andere Kulturen. Hätten nicht die ersten Weihnachtsmärkte erfolgreich sein können - hätte man als Gastarbeiter oder einer anderen Religion angehörig nicht einmal gerne schnuppern wollen.
    Sind andere Kulturen - so fest verwurzelt in ihrem Glauben, dass sie das andere gar nicht kümmert ? - *Grübel*

    Was du schreibst über Halloween erschreckt mich - auch das es Stadtteile gibt, die plötzlich gefährlich werden.
    Ich bin zu Blind dazu, dass in meiner Nähe festzustellen - sehe mal hier und da eine kleine Veränderung - doch nicht so wie bei Euch. Oder liegt es doch daran, dass ihr ja 3x so groß seid, wie meine beschaulichen Orte und Städtchen in denen ich mich mal herumtreibe?

    Wichtig - jedoch, was du schreibst. Ich bin sehr gespannt, ob es auch anders werden kann - das Stadtteile auch wieder den Gegentrend anstreben. - Wir sind nicht New York und dennoch glaube ich daran, das auch bei uns Veränderungen zum Guten jederzeit möglich sind.

    Danke für ein tolles Foto und wieder so ein Grübel-Blog!

    Ich hoffe, "F´s" Untersuschung verlief nach euren Wünschen!



    Liebe - 16 Uhr 41 - Grüße
    Vom lifeminder

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    1. Es lag an Bergbau und Schwerindustrie, lieber lifeminder, die mehr produzieren wollte, als ihr - so relativ kurz nach dem Krieg - männliche Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Können musste man dafür nichts, einlernen genügte, also holte man sich die Leute zunächst aus dem südosteuropäischen Ausland und dann vorwiegend aus der Türkei, meist aus Anatolien.
      Eigentlich waren sie als Gastarbeiter gedacht, aber sie blieben, holten ihre Familien nach bzw. gründeten und vergrößerten sie hier immer weiter und natürlich war das in einem Arbeiterstadtteil wie dem unseren als Erstes spürbar, so dass tatsächlich das Schulfest bereits in der zweiten Hälfte der Siebziger wegen des Ramadans verschoben wurde.
      Es ging in erster Linie um den schnellen Gewinn, darüber, was es bewirkt, wenn man der vorherrschenden monotheistischen eine weitere in so großer Zahl beifügt, machte man sich offenbar keinerlei Gedanken - zuvor hatte es bereits zwei große Einwanderungswellen aus Polen gegeben, da war auf lange Sicht alles gut gegangen, weil sich die Kulturen eben sehr ähnlich waren und kein Problem hatten, sich zu vermischen.
      Mit dem Islam sieht das aber anders aus und ich will es mal an einem Beispiel festmachen: F., die Freundin von A., sagte einmal zu mir, sie fände es sooo schade, dass es keinen Sinn mache, sich mit Ungläubigen näher einzulassen, denn ... diese würde man ja später auf keinen Fall im Paradies wiedertreffen können.
      Wobei als ungläubig jeder gilt, der kein Moslem ist und der dafür oft genug verachtet wird.
      Natürlich gibt es auch weltoffene Mulime, so wie die Berliner Imamin Seyran Ates, die allerdings für ihre Haltung von ihren Glaubensbrüdern und -schwestern derartig gehasst wird, dass sie nur noch unter Polizeischutz in Deutschland leben kann.
      Abgesehen von der Religion liegt es ganz einfach an der Zahl, lieber lifeminder, ob so was wie eine Integration möglich sein kann.
      F. wurde gar nicht untersucht, sondern musste heute ja nur zum Labor, der Rest steht dann am 2.12. an. Toitoitoi ... ;-)
      Ach ja, noch ein Wort zu dem Foto. Die beiden jungen Frauen ganz rechts sind meine Großtanten, die ja schon recht alte Damen waren, als ich sie kennenlernte.
      Auch für mich sind solche Bilder immer ein Stupser, denke daran, auch sie waren einmal blutjung ...

      Liebe 19:21-Grüße zurück! :-))

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  2. Ja, ist nicht so einfach eine gute Metzgerei haben /führen.. Man braucht auch Mitarbeiterinnen die da mitziehen. In meinem Heimatort gab es früher zwei Metzgereien, die ihre Stammkundschaft hatten. Und am Samstag bekam ich die Aufgabe in der einen Metzgerei einzukaufen. Der Verkaufsraum war sehr klein und die Leute standen eng beieinander. Dieses Jahr schloss hier die einzigste Metzgerei am Ort. Eine Nachfolge gab es nicht. Ich erinnere mich noch an die Zeiten als polnisch stämmige und aus anderen Nationen Männer unter Tage Arbeit fanden.
    Kurze Erklärung für Deutschland: Leute die kein Geld haben wandern ein. Leute die Geld haben wandern aus. Fast 300.000 Menschen sind ausgewandert. Und das ist gut so. Und es ist doch ein Kavaliersdelikt, wenn 5 Syrer in Heinsberg ein Mädchen vergewaltigt haben. Und nicht weiter schlimm ist es, wenn in Soest eine Obdachlose von einem Algerier vergewaltigt wird. Diese Person hätte gar nicht mehr in Deutschland sein dürfen. aber in Dummland ist eben ALLES möglich. Abgelehnte Asylanten werden natürlich durchgefüttert auf Kosten der Steuerzahler.

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    1. Vor allem braucht man Kunden, die es sich leisten können und überhaupt an der Ware interessiert sind.

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  3. ... ich darf einfach niemand verhungern lassen.
    Ob Asylant oder nicht. Wenn ich ein wenig Christ bin - lasse ich niemanden verhungern vor meiner Nase.

    Bisschen Mensch bleiben gehört dazu, hoffentlich auch - lass mich nachdendenken - ich sag mal Kraichgau und den Rest der Wetl. --- Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen und Orten wurden (natürlich )rein zufällig" verwendet, und sind rein rechtlich ohne Belang.


    Christliche Grüße
    Vom lifeminder

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    1. Wenn es um Hunger in einer bestimmten Region ginge, könnte man ja sehr viel einfacher Nahrungsmittel nach dort bringen und die Leute vor allem mit Verhütungsmitteln versorgen, denn man sollte am besten nicht mehr Kinder in die Welt setzen, als man in der Lage ist zu ernähren, oder? ;-)
      Aber darum geht es in den wenigsten Fällen, die Leute reisen nicht duch halb Europa und kommen dann hungernd hier an, jemand wie M. und A. ganz sicher nicht, im Gegensatz zu vielen anderen flohen sie nicht vor Armut, sondern ihnen drohte in der Türkei Gefängnis, da Gülenisten, die sie ja nun einmal sind, dort als Terroristen betrachtet werden.
      Das inzwischen bestens organisierte Schleusertum hat die Prinzipien der Werbewirtschaft verinnerlicht, nämlich Bedarfe schaffen - man verspricht den Menschen den Himmel auf Erden und lässt sich gut dafür bezahlen, der Rest ist dann unsere Sache und wenn man es einmal ins System geschafft hat, ist es so schlecht ja auch nicht. A. und M. leben nicht übel, haben immer eine muckelig warme Wohnung, es reicht für Markenprodukte, Autos und Freizeitaktivitäten inkl. Mitgliedschaft im Fitnessstudio, ständigen Spenden für ihren Verein und es ist tatsächlich fraglich, ob sie das so halten können, wenn sie eines Tages selbst Geld verdienen sollten.

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