Zu spät fiel mir ein, dass ich gestern ausgerechnet für 18 Uhr zugesagt hatte, an einer Online-Diskussion teilzunehmen, aber egal, die ließ ich sausen, war ich doch nun auch mit R. verabredet zur Infoveranstaltung bezüglich unserer kleinen Fußgängerzone, und das war eindeutig wichtiger, zumal R. sich auch ein Loch in den Bauch freute, mich endlich einmal wiederzusehen, denn im Frühjahr hatte ich ihr noch absagen müssen wegen Virengefahr.
Außer uns hatten sich nur ca. 25 weitere Bürger eingefunden, aber die waren alle ziemlich sauer über das, was uns nun als längst beschlossen vorgesetzt wurde.
Einige Bäume hat man bereits aus nicht nachvollziehbaren Gründen gefällt, die sollen nun durch neue ersetzt werden, leider auch die vorhandenen durchaus bequemen Bänke durch neue, gleiches gilt für die Fahrradständer in der Fußgängerzone.
Im Grunde nicht mehr als Kosmetik und besonders wütend wurden die Proteste, als wir erfuhren, dass noch weitere Parkplätze gestrichen werden sollen.
Wie zum Teufel will man den paar Geschäften, die es ohnehin nur noch gibt, das Überleben sichern, wenn die Kunden keine Chance mehr haben, ihr Auto irgendwo abzustellen?
Grüne Milchmädchenrechnungen, die so niemals aufgehen werden, zumal man uns dann auch klipp und klar sagte, dass man natürlich keinerlei Einfluss darauf habe, welche Art von Geschäften sich ansiedelt, also weiter freie Fahrt für Spielhallen, Barbershops, Dönerbuden und natürlich arabische Luxusmöbel.
Mit Letzteren steht nicht nur hier das größte Ladenlokal voll, sondern im Nachbarstadtteil ist es das gleiche Spiel - nie sieht man Menschen in diesen Läden, alle sind sich einig, dass es sich um Orte zur Geldwäsche handelt, aber keiner will oder kann etwas dagegen tun ... 🙄
Dann beklagten die direkten Anwohner, dass nachts der Deibel los sei, weil die Fußgängerzone kurzerhand zur Autorennstrecke umgewandelt würde, und sofort beschwichtigte die Stadt, ja, da würden jetzt bessere Einfahrt-verboten-Schilder angebracht - was die Leute zu der Mutmaßung veranlasste, diese würden dann sicher genauso beeindruckend wirken wie die Messerverbotszonen oder der Eine-Armlänge-Abstand-Tipp ... 😁
Anschließend gab es noch einen Besichtigungsgang, die ganze Gruppe marschierte die Straße einmal der Länge nach ab und eine Dame erzählte uns, welche Fahrradständer im Einzelnen ersetzt würden - mehr als uninteressant alles und wir waren froh, als es vorbei war.
Bemerkenswert war höchstens, dass während wir dort herumwanderten mehrfach große dunkle Limousinen mit jungen Männern am Steuer einfach durch die Fußgängerzogen hindurchfuhren, aber von der Stadt schien das niemanden wirklich zu stören, auch wenn es genau das bestätigte, was die Anwohner beklagt hatten.
Natürlich konnten R. und ich uns nicht gleich wieder trennen und beschlossen uns in den Außenbereich eines kleinen Lokales zu setzen, fanden den kleinsten der fünf Tische zum Glück frei vor.
An sich ein Traditionslokal, das sich jahrzehntelang großer Beliebtheit erfreute, dann aber vom Rauchverbot in den Ruin getrieben wurde. Seitdem haben x-mal die Pächter gewechselt, nun waren schon wieder neue drin und ... wir staunten nicht schlecht, wie prächtig das Essen wirkte, das wir auf den Nachbartischen sahen, auch wenn wir selbst nur etwas tranken.
Irgendwie ergab es sich, dass wir kreuz und quer ins Gespräch kamen, einige der Anwesenden waren auch auf der Veranstaltung gewesen, andere kannten wir gar nicht, trotzdem waren alle ruckzuck per du, witzige Bemerkungen flogen hin und her, es war wirklich vergnüglich und einen Moment lang durchflog mich das Gefühl, ja, das ist mein Kohlenpott, so wie ich ihn früher kannte, das ist der Menschenschlag, den ich so mag.
Als wir ein weiteres Getränk bestellten, kamen wir auch mit der jungen Wirtin ins Gespräch, machten ihr Komplimente, weil das Essen wirklich gut aussah und es auch allen vorzüglich schmeckte, und verliehen unserer Hoffnung Ausdruck, dass sie sich länger als ihre vielen Vorgänger im Lokal halten könnten.
Sie hoffe auch, sagte sie in gebrochenem Deutsch, es sei ihre erste eigene Gastronomie und ihnen sei natürlich bewusst, dass sie noch Fehler machten.
Schon war ich mitten im Thema, denn einst betrieben Freunde von mir in Stuttgart ein Studentenlokal mitten im Wald und dort half ich oft in der Küche aus, weiß also ziemlich gut, mit welchen (Planungs-)Schwierigkeite man dabei zu kämpfen hat.
Die junge Chefin stammt wie ihre Schwester aus Serbien, beide sind gelernte Köchinnen, während ihr Mann Kroate ist und ganz neu im Metier. Seit fünf Jahren sind sie im Lande, haben von Anfang an gearbeitet, statt Integrationskurse zu besuchen, und wie schon bei der jungen Palästinenserin bei TEDI an der Kasse fiel es mir auch wieder auf, dass sie alle wesentlich besser Deutsch sprechen als A. Der entscheidene Unterschied liegt in der Arbeit, denn auf die Sprache scheint sich diese viel stärker auszuwirken als diese ganzen Kurse.
R. und ich versprachen, dass wir am 7.6. auch einmal zum Essen kämen, und baten um einen Flyer, der uns dann allerdings sofort ins Stutzen brachte.
"Wiener Schnitzel" stand z.B. darin, falsch, denn wirklich angeboten werden nur "Schnitzel Wiener Art" und nun begann die junge Frau zu stöhnen, ja, das wisse sie sogar sehr gut, aber ... sie seien alle Ausländer und hätten sich darauf verlassen, dass die Druckerei dann alles richtig mache.
Was eindeutig nicht der Fall ist, denn sofort stieß ich auf unzählige grobe Rechtschreibfehler, die man so nicht stehen lassen sollte.
Da war sie natürlich bei mir genau an die Richtige geraten und so sagte ich zu ihr: "Weißt du was? Ich nehme mir den Flyer mit, korrigiere ihn durch, bringe ihn dir wieder vorbei und beim nächsten Druckauftrag macht ihr es dann richtig." 😉
Ach, wie sie sich freute und kurz unterhielten wir uns noch über ihre Sprachschwierigkeiten, die ich dank meiner Erfahrung mit A. ja allzu gut nachvollziehen kann.
Dann wurde es auf einmal voll, denn eine Gruppe mit sechs ganz jungen Männer näherte sich, ein wenig unschlüssig noch, aber als wir alle bereitwillig anboten, zusammenzurücken, wurden dadurch zwei kleine Tische frei, die sie zusammenschoben, und bald darauf flogen auch mit ihnen die Bemerkungen hin und her, alle verstanden sich prächtig, ungeachtet von Alter oder Status ... der Humor stimmte auf allen Seiten und es wurde richtig viel gelacht.
Da war er also noch einmal, mein guter, alter Kohlenpott, der sich nun allerdings immer schneller verändert, was auch auf der gegenüberliegenden Straßenseite nicht zu übersehen war.
Alles sehr hübsche Gründerzeithäuser, gerade groß genug, dass die Inhaber oben wohnen konnten, während sie im Erdgeschoss ihre Läden betrieben, die nun ja größtenteils leerstehen.
Der Lotto/Tabak/Zeitungsladen am Eck fehlt sehr, vor dem arabische Imbiss daneben sieht man hauptsächlich junge Männer Tee trinken und offenbar hat man sich nun auch das Haus daneben organisiert, in dem sich einst eine gut sortierte Buchhandlung, später eine Boutique befand.
Gleich mehrere schwarze Sprinter fuhren vor, aus einem stiegen fünf oder sechs kleine Kinder aus, ihr Vater schleppte Unmengen an Getränken in den Hausflur, dann wurden etliche Sofas ins leere Ladenlokal getragen.
Hm, riecht das nach einer künftigen Shishabar? Genau die fehlt uns ganz dringend in der Fußgängerzone, aber wie die Leute von der Stadt schon sagten, wer dort Häuser kauft und was daraus gemacht wird, darauf hat man leider keinen Einfluss.
Hauptsache, es gibt dann neue Fahrradständer. 😁
Gegen halb elf verabschiedeten wir uns von der fröhlichen Gemeinschaftsrunde, verabreteten uns neben dem geplanten Essenstermin noch zu einem Auflug zum Gasometer in Oberhausen, wo eine interessant klingende Ausstellung lockt, und dann kehrte ich heim zu F., der schon eine Vermisstenanzeige hatte aufgeben wollen, auch wenn er durch Fußball eigentlich gut von meiner Abwesenheit abgelenkt war.
Heute früh kam dann das böse Erwachen aus dem kurzen Traum, die Welt von einst könnte doch noch ansatzweise existieren, denn im Garten fand ich das hier vor:
Ob dieses Arschloch wirklich drin war oder dann doch am Rest der notdürftigen Bretterverrammelung den Geist aufgab, kann ich nicht, sagen, an der Hintertür sind immerhin keine Spuren zu erkennen und ich denke, spätestens dann hätte Rex wohl auch reagiert, aber ... es macht mich trotzdem fuchsteufelswild, dass man sich hier absolut nicht mehr sicher fühlen kann, nicht mal ansatzweise.
Irgendwie kann ich die Amis inzwischen verstehen, die gnadenlos jedem ein Loch in den Wanst ballern dürfen, wenn jemand bei ihnen eindringt. 😡
So, und nun gehe ich 12 Schnitzel panieren und braten, nachdem der Gasmann, der eigentlich zwischen 9 und 13 Uhr angekündigt war, bereits um viertel nach sechs anrief und schon um halb sieben vor der Tür stand. Also habe ich freie Bahn ...
Habt einen schönen Tag und ... bleibt bitte gesund! 😉
Nun, zu meiner Verteidigung habe ich mir einen Elektroschocker mit 500000 Volt gekauft.
AntwortenLöschenWenn ich das Lese was du schreibst, dann kann ich nur den Kopf schütteln. Meinen die Herrschaften von der Stadtverwaltung, daß die Bäume sofort anwachsen mit einem dicken Stamm. Hier hat man auf der "grünen Wiese" zahlreiche Firmen angesiedelt u.a. einen Media Markt. Bevor es einer solchen Kette angehörte wurde ein Elektromarkt privat betrieben. Gut, daß den Leuten, die das Lokal betreiben deine Unterstützung zu gesagt hast. Hier am Ort wurde das Clubhaus des Fußballclubs neu verpachtet und die Wirtsleute haben damit großen Erfolg.
So ein Ding besorgte F. uns schon vor fast 30 Jahren, weil ich damals Angst hatte, Püppi könnte von einem der vielen freilaufenden Hunde angegriffen werden. Einsetzen musste ich es nie und was mögliche menschliche Angreifer angeht, besteht bei Waffen aller Art halt immer die Gefahr, dass sie sie dir aus der Hand reißen und dann gegen dich einsetzen.
LöschenBei euch ist das Rauchen in Lokalen teilweise noch erlaubt, oder?
Hier bei uns bestanden ja die Grünen auf einem kompletten Verbot, und nun wird gejammert, dass sich keine Kneipen mehr halten können. :-(
Hallo, Liebe „Rex-Mama!“
AntwortenLöschenIch habe beim Lesen richtig mitgeschwankt zwischen „jawoll, das ist mein Ruhrpott“ und „wie kann man sowas einfach durchwinken?!“
Dieses Argument ist pures Gold: „Wie zum Teufel will man den paar Geschäften, die es ohnehin nur noch gibt, das Überleben sichern, wenn die Kunden keine Chance mehr haben, ihr Auto irgendwo abzustellen?“
Darüber – das sind Dinge über die man nachdenken muss.
Fand ich genial.
Ich werde dich bald „Rex-Weltenmama“ nennen. Du wirst immer Internationale. Dass du überhaupt Lust hast, zu helfen, die Rechtschreibfehler zu beseitigen – find ich unfassbar großartig von dir.
Bei euch scheint es wirklich derzeit nicht so sicher zu sein. – Wir sind wahrscheinlich noch zu ländlich, bei uns ist es zu 99% friedlich im Dorfe. – Fragt sich nur, wenn ich dich Lese, wie lange noch?
Umso mehr bewundere ich, wie du dir deinen feinen Sinn für Gemeinschaft und dein Engagement bewahrst, bei allem, was so schiefläuft.
Liebe – irgendwann läuft auch alles wieder in die richtige Richtung – Grüße
Vom lifeminder
Es sind grüne, aber realitätsfremde Träumereien, lieber lifeminder, genau wie dieses Rauchverbot. Wir hatten hier zunächst eine Regelung, nach der jeder Wirt entscheiden, ob er ein Raucher- oder Nichtraucherlokal führen wollte, und wer die räumlichen Möglichkeiten hatte, konnte separate Raucherbereiche einrichten. Perfekt für alle was das, aber den Grünen in ihrer Überreglemenierungswut nicht genug, und nun gibt es so gut wie keine Kneipen mehr, denn als hätten die nicht genug durch das veränderte Freizeitverhalten durchs Internet zu kämpfen gehabt, nahm man ihnen buchstäblich die Existenzgrundlage.
LöschenBei der Ortsbegehung war ja keine Polizei dabei, d.h. keiner hätte das Recht gehabt, die Fußgängerzonenraser anzuhalten, wobei dann aber eh immer die Gefahr des Rassismusvorwurfes bestanden hätte, der sich kaum einer aussetzen will, abgesehen davon, dass es auch schnell mal gefährlich werden kann.
In den Großstädten schrumpft das Sicherheitsgefühl tatsächlich sehr zusammen und natürlich schwappen diese Zustände auch immer mehr auf ländliche Regionen über. Im Dorf meines Bruders gab es z.B. kürzlich über längere Zeit eine ganze Einbruchsserie.
Und die deutsche Sprache, lach, sie beschäftigte mich ja viele Jahre lang beruflich und natürlich helfe ich gern, wenn ich von solchen Schwierigkeiten mitbekomme, wie diese junge Serbin sie hat.
Liebe "Die Zeit lässt sich leider nicht zurückdrehen, das Kind ist längst in den Brunnen gefallen"-Grüße zurück! ;-)