Gerade lese ich, dass gestern am frühen Abend Leute von einer Gruppe junger Männer körperlich angegriffen und beraubt wurden, genau an dem See, an dem ich mit A. vor einer Woche war, nur nur eine Stunde später.
Ich weiß es nicht, ob uns in diesem Falle A.s Kopftuch womöglich sogar beschützt hätte, aber Fakt ist, man kann sich hier nirgendwo mehr sicher fühlen, weder unterwegs, egal, ob nachts oder auch am hellichten Tag und zu Hause ja erst recht nicht, wie ich inzwischen aus schmerzlicher Erfahrung weiß.
Wirklich toll, wie sich das alles entwickelt ... 😠
Und nun möchte ich noch einmal auf das Thema Sterben zurückkommen, denn das traurige Video von Martin Rütter lässt mich noch nicht los, zumal wir uns auch gestern noch Sendungen mit ihm ansahen, bei deren Aufnahme er noch nicht ahnte, wie schnell seine Emma ihn verlassen sollte.
Das hier war Püppi 2006, sie war rund 12 Jahre alt und hatte sich die Nasenspitze beim Toben verletzt:
Heute würde ich das selbst in die Hand nehmen, damals traute ich mich nicht und machte mich mit ihr zu Fuß auf den Weg zur etliche Kilometer entfernten Tierklinik.
Die machten nix, als ihr Bepanthen draufzuschmieren (was ich auch selber gekonnt hätte), verpassten ihr dann aber sicherheitshalber und vermutlich völlig unnötig diesen Trichter, der sie extremst verunsicherte.
Meine Güte, war das ein Theater - überall rammelte sie gegen, weil sie ihre neuen Ausmaße zunächst gar nicht einschätzen konnte, und das alles machte ihr derartige Angst, dass sie sich nach unserer Heimkehr stundenlang nicht traute, sich hinzulegen.
Fix und fertig war das arme Mädel, schließlich waren wir wirklich sehr weit marschiert, dazu die Panik, sie stand und stand und blieb stur dabei, selbst wenn sie inzwischen merklich zitterte, weil sie die Kräfte verließen.
Schließlich legte ich mich auf den Boden und forderte sie immer wieder auf, zu mir zu kommen, bis sie schließlich nachgab und merkte, dass man mit dem Riesending tatsächlich liegen konnte.
Die Treppe hätte natürlich eine viel zu große Gefahr für sie dargestellt, also schlief ich mehrere Tage mit ihr unten, bis wir den Trichter endlich wieder loswurden.
Das war ein klitzekleiner Vorgeschmack gewesen, was später auf uns zukommen würde, und zum Glück hatte sie noch mehr als fünf weitere Jahre vor sich.
Nacheinander starben mein Papa, F.s Mutter und weitere uns Nahestehende und dann verkrümelte sich auch noch meine Mutter in den Schwarzwald, d.h. mehr oder weniger verlor ich die ganze Familie auf einmal, deren Mittelpunkt sich ja bis dahin hier im Elternhaus befunden hatte.
Allein waren wir nun, im Umkreis von 200 Kilometern einfach keiner mehr da, aber immerhin ging es Püppi immer noch prächtig, auch mit 16 Jahren sprang sie wie ein Flummi durch die Gegend und lief mit mir täglich viele, viele Kilometer durch die Gegend.
Mit etwa 17 begann sich das für einen Schäferhund ohnehin schon undenkbar hohe Alter dann aber doch bemerkbar zu machen und ich war überglücklich, dass ich meinen "Doc" hatte, jenen Tierheilpraktiker, der uns so liebevoll begleitete.
Ich kümmerte mich ums Korrigieren seines Papierkrames (u.a. ein Buch, das er geschrieben hatte) und im Gegenzug behandelte er sie komplett kostenlos, nur Medikamente musste ich natürlich bezahlen.
Eine wirklich wertvolle Verbindung, denn ich kannte mich ganz gut mit Naturheilmitteln aus, wir kombinierten unser Wissen, diskutieren viel und Püppi bekam das alles mehr als gut.
Dann kam jener verhängnisvolle Tag, als sie mir beim Fressen zusammenbrach.
F. war für ein paar Tage zu seiner Schwester gefahren, ich ganz allein mit ihr, also rief ich den Doc an, der auch sofort kam und sie untersuchte. Ein "Schlägle", vermutete er und gab ihr eine Spritze, die sie gleich zur Ruhe kommen ließ, doch hoch kam sie allein nicht mehr.
Wir legten sie gemeinsam auf eine Decke ins Esszimmer, er gab mir noch den Tipp, ihr einen breiten, weichen Schal um den Bauch zu binden, damit ich sie besser hochziehen und abstützen konnte, dann beschlossen wir, bis morgen zu warten.
Wie benommen war ich, ließ sie aber keine Sekunde allein, dann ging ich in mich und beschloss, dass nun wohl der Punkt gekommen sei, an dem ich meiner letzten schweren Verantwortung gerecht werden müsste, also ... einschläfern? 😪
Tja, und was dann geschah, war wirklich wundersam. Ich setzte mich zu ihr, sagte: "So, mein Mädel, nun müssen wir beide uns mal ernsthaft unterhalten. Meinst du nicht auch, wir sollten die Sache beenden?"
Ganz ruhig erklärte ich ihr alles, natürlich davon ausgehend, dass sie ja kein Wort davon verstand, aber ... so komisch es klingen mag, ich bin immer davon überzeugt, dass sie intuitiv doch genau kapierte, worum es ging, und dann setzte sie ein Zeichen, ein sehr eindeutiges Zeichen, denn auf einmal wurde sie unruhig, versuchte mit dem Hinterteil hochzukommen.
Völlig überrascht half ich ihr ein wenig und siehe da, sie stand, etwas unterstützt von mir, aber sie stand und wollte auch laufen und fressen.
So in der Art ging es dann noch ein paar Monate weiter - immer hinterfragte ich, ob es richtig war, was ich da tat, überlegte aber auch, dass ich ja auch die Oma nicht einfach einschläfern würde, wenn sie deutlich noch Spaß am Leben hat.
Undicht wurde sie dann auch noch, das ganze Haus war ausgelegt mit Kunstoffdecken und etlichen Zeitungslagen und nun rächte es sich, dass ich ihr von Anfang an beigebracht hatte, dass der Garten tabu ist für Pipi und andere Geschäfte, denn mitunter musste ich 40mal am Tag und in der Nacht mit ihr raus.
Der Doc und auch ich selber waren uns sicher, dass sie keinerlei Schmerzen hatte, nur immer weniger wurde sie halt und ... wir ließen sie ganz in Ruhe ihre letzten Tage auskosten, und das tat sie wirklich, denn dieses wunderbare Lebewesen hing mit einer unerschütterlichen Liebe an mir und schien jede Sekunde zu genießen.
Klar, dass ich nun immer unten bei ihr schlief, während F. sich leider mehr oder weniger fernhielt vom ganzen Geschehen. Offenbar ein Kind unserer Zeit, Krankheit und Sterben, ja, aber doch bitte nicht in meiner Nähe und nachdenken will ich am liebsten auch gar nicht darüber ... 🙄
Also durchlebten wir das mehr oder weniger zu zweit, dabei aber immer unterstützt vom Doc, der mir dann, als man schon roch, dass es dem Ende zuging, besagte Tablette daließ.
Es war Wochenende, eigentlich fast zum Glück, muss ich sagen, denn andernfalls hätte ich vielleicht doch noch darauf bestanden, sie zum Einschläfern zum Tierarzt zu bringen, was für Hunde aber einen unsäglichen Stress zum Ende bedeutet.
Der Doc hatte einen befreundeten Tierarzt an der Hand, der am Montag auch ins Haus gekommen wäre, doch auch das wäre für Püppi sicher quälend geworden, dieser fremde Mann mit seinen Gerätschaften, sie hätte geahnt, was dann käme.
So war es viel besser. Die ganze Nacht hielt ich sie ihm Arm, als ich merkte, dass ihr das Atmen schwerfiel, trug ich sie noch einmal in den Garten, wo sie herrlich durchatmen konnte. Ich legte sie auf die Wiese, die sie immer so geliebt hatte, setzte mich neben sie und am Morgen gab ich ihr dann die Tablette, wieder atmete sie ganz frei und dann hielt ich ihre Pfoten in meinen Händen, wir schauten uns tief in die Augen und ich dah, wie das Licht in ihren buchstäblich langsam erlosch.
Irgendwann rappelte ich mich hoch - vermutlich mit dem gleichen leeren Blick, wie M. R. in seinem Video, und ging zu F., der in der Badewanne saß, um ihm mitzuteilen, dass sein Hund soeben verstorben sei.
Gemeinsam wickelten wir sie dann in ihre Lieblingsdecke, wo ich ihr noch ein paar Gänseblümchen unter die Nase gelegt hatte, dann warteten wir auf den Doc, der sie später am Tag abholte, um sie weiterzuleiten ins Krematiorium.
Tja, und was dann noch geschah, habe ich ja schon einmal erzählt.
Ich war wochenlang buchstäblich in Dunkelkeit gefangen, kam mechanisch meinen Pflichten nach, nahm äußerlich am Leben teil, hatte mich sogar mal beim Doc erkundigt, ob denn da im Krematorium gar nichts weiterginge, aber innerlich fühlte ich mich wie hinter einem düsteren Vorhang, der mich von der Welt abtrennte.
Bis zu diesem Morgen - F. war arbeiten, ich saß am großen PC, arbeitete ebenfalls und auf einmal dachte ich, nanu, was ist denn nun los?
Wie ein Bild kann man es sich vorstellen, denn ganz sanft schien sich dieser Vorhang zu öffnen, auf einmal sah ich wieder Farben und konnte mir gar keinen Reim darauf machen, war einfach nur erstaunt.
Und dann ging in der gleichen Minute das Telefon, ich hörte eine Frauenstimme mit holländischem Akzent, die mir verkündete, sie wolle mir mitteilen, dass man soeben meinen Hund eingeäschert hatte.
Zufall?
Ja, vielleicht, andererseits hatte ich im Laufe der Jahrzehnte nun drei Erlebnisse dieser Art, die mich immer mehr darin bestärken, dass mit dem Tod, wie wir ihn mit unseren begrenzten Möglichkeiten wahrnehmen, eben doch nicht alles zu Ende ist.
Ein wirklich tröstlicher Gedanke, nicht wahr? 😉
Alles andere dann morgen bzw. vermutlich erst übermorgen, denn morgen müssen wir schon um achte los zum Lungenfacharzt, wo F. Routinetermin hat.
Habt einen schönen Tag und ... bleibt bitte gesund! 😉
Also ich lerne gerne dazu. Ich bin ehrlich und habe die Salbe noch nicht bei einem Tier ausprobiert. Ich finde es gut, daß du so einen tollem Kontakt. Danke für deine wirklich bewegenden Zeilen. Ich lasse das jetzt so stehen ohne einen Kommentar von mir
AntwortenLöschenHast du dich denn jemals um die Gesundheit eines Tieres kümmern müssen?
LöschenEs ist auf jeden Fall eine große Verantwortung, weil sie ja nicht sagen können, wo es weh tut. ;-)
Hallo, Liebe „Rex-Mama!“
AntwortenLöschenWie schnell kann Sicherheit eigentlich kippen. Gut, dass wir nicht herausfinden mussten – ob das Kopftuch von „A“ euch geschützt hätte.
Ich dachte das Gitter, hätte dir wenigstens einen Hauch von Sicherheit zurückgebracht?
Was für ein Weg, was für eine Liebe zu „Püppi“. Das wirkt gelebt in Worten, wie du das beschreibst. Kann man sagen das war ein sehr langer schmerzhafter Abschied und doch zum Schluss – so wie es gelaufen ist – ein großes Geschenk?
Jetzt bleibt zu hoffen, dass die Untersuchung von „F“ gut verläuft und dann ein wenig euch wieder Zeit zum Durchschnaufen lässt.
Liebe – ein Ende kann ein Anfang sein – Grüße
Vom lifeminder
Diesen Gedanken hatte ich nicht das erste Mal, lieber lifeminder, denn ich war ja schon öfter mit A. an anderen Seen spazieren und auch dort hatte ich bei diesen Jungherrengruppen das Gefühl, wenn die überhaupt vor irgendetwas Respekt haben, dann vielleicht vor A.s Kopftuch. (Wobei ich nicht wirklich weiß, ob dem so wäre.)
LöschenDas Gitter war natürlich wichtig, aber es ist ja erst ein paar Tage her, dass wir nächtlichen Besuch im Garten hatten, d.h. Sicherheitsgefühl gibt es gar nicht mehr.
Püppi ist bis heute DAS Lebewesen, zu dem ich in meinem bisherigen Leben die intensivste und vorbehaltloseste Beziehung hatte, irgendwie waren wir beide ab dem ersten In-die-Augen-Sehen im Tierheim wie aus einem Guss und dieses langsame Abschiednehmen war natürlich ungeheuer schmerzvoll, wenn auch so intensiv wie nichts anderes, was ich je erlebte.
Meine Cousine erzählte ja ganz Ähnliches vom Sterben ihres Vaters - ganz bewusst für alle geschah es, keiner war allein, sondern man erlebte es gemeinsam, und zwar zu Hause. Der Kreis konnte sich ganz friedlich schließen - ein Grund mehr, warum ich es so traurig finde, dass in unserer Blabla-Gesellschaft Themen wie Tod und Krankheit so ausgegrenzt werden und man die Betroffenen am liebsten in KHs und Heime abschiebt.
Liebe Und-jedem-Anfang-wohnt-ein-Zauber-inne-Grüße zurück! ;-)